Kreis Pinneberg

Zwei Stadtwerke kürzen Gehalt für streikende Mitarbeiter

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Burkhard Fuchs
Jörn Peter Maurer ist Chef der Wedeler Stadtwerke. Er hält die Kürzung des Weihnachtsgeldes für rechtens.

Jörn Peter Maurer ist Chef der Wedeler Stadtwerke. Er hält die Kürzung des Weihnachtsgeldes für rechtens.

Foto: Katy Mailin Krause / Katy Krause

Unternehmen aus Wedel und Pinneberg seien damit deutschlandweit die Einzigen gewesen. Was sie zu den Vorwürfen sagen.

Pinneberg/Wedel. Die Gewerkschaft Verdi stellt zwei Stadtwerke im Kreis Pinneberg an den Pranger. Demnach seien diese beiden kommunalen Energieversorger die einzigen in ganz Deutschland gewesen, die ihren Mitarbeitern wegen eines Streiktages im Oktober vorigen Jahres das Weihnachtsgeld gekürzt haben. „Obwohl der eigene Arbeitgeberverband empfohlen hat, das nicht zu tun“, kritisiert Gewerkschaftssekretär Ralf Schwittay. „Das ist eine Riesen-Schweinerei. Sie kürzten das Weihnachtsgeld und straften damit das Grundrecht der Beschäftigten ab.“

Die betroffenen Stadtwerke verweisen auf den Tarifvertrag, der dies so vorgesehen habe. „Das ist automatisch so im Abrechnungssystem festgelegt“, sagt Wedels Stadtwerkechef Jörn Peter Maurer und betont: „Wir haben uns rechtmäßig verhalten.“ Im Tarifvertrag der Versorgungsbetriebe (TVV) werde der Oktober als Referenzmonat für die Sonderzahlung zu Weihnachten zugrunde gelegt. Und da ein Tag im Oktober wegen des Streiks von einigen Beschäftigten nicht gearbeitet wurde, sei diesen 16 Betroffenen nicht das volle Weihnachtsgeld ausgezahlt worden.

Stadtwerke aus Pinneberg kürzen Gehalt für streikende Mitarbeiter

An die Öffentlichkeit gelangt ist das Thema, als die Fraktion Die Linke unmittelbar vor der Wedeler Ratssitzung nachgefragt hatte, ob der Bürgermeister als Gesellschaftervertreter darüber informiert sei, was dieser verneint hätte, wie Fraktionschef Detlef Murphy sagt. Auch wenn es formal korrekt gewesen sei, „hätten wir mehr Fingerspitzengefühl erwartet. Nur weil etwas rechtlich erlaubt ist, ist es deshalb noch nicht richtig“, sagt er.

„Ausgerechnet in der Zeit einer Pandemie, in der Beschäftigte unter widrigen Bedingungen und stets unter Risiken für die eigene Gesundheit für die Versorgungssicherheit der Bevölkerung einstehen, die Jahressonderzahlung zu kürzten, ist das absolute Gegenteil von Wertschätzung.“

Stadtwerkechef Maurer hält dagegen, dass alle Mitarbeiter eine Corona-Sonderprämie von 300 bis 600 Euro erhalten hätten. Auch beim Homeschooling und großzügiger Auslegung des Homeoffice seien die Wedeler Stadtwerke sehr mitarbeiterfreundlich. Intern habe jedenfalls niemand das gekürzte Weihnachtsgeld kritisiert.

Stadtwerke: Kontrollgremium war nicht informiert

Michael Kissig, der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Stadtwerke Wedel, sagt, dass das Kontrollgremium zuvor nicht darüber informiert worden sei. Werkleiter Maurer habe aber in einer Sitzung vor Ostern dem Aufsichtsrat die Sachlage erläutert, sodass er fest davon überzeugt sei, dass dieser sich „richtig und korrekt“ verhalten habe. Den betroffenen Mitarbeitern sei auch kein finanzieller Schaden entstanden, da die Gewerkschaft aus der Streikkasse die Differenz zum vollen Weihnachtsgeld ausgeglichen habe.

Was Schwittay bestätigt. „Finanziell ist die Sache ausgestanden. Politisch ist das eine Schweinerei.“ Zwischen 100 und 200 Euro brutto habe diese Kürzung je Betroffenen ausgemacht. Werkleiter Maurer spricht von 102,22 Euro bis 153,47 Euro brutto je Mitarbeiter, der an dem Oktober-Streik teilnahm.

Auch in Pinneberg wunderten sich etwa 15 Kollegen, die im Oktober gestreikt hatten, über fehlendes Weihnachtsgeld, sagt der Betriebsratsvorsitzende Tobias Heilmann. „Das war schon komisch. Wertschätzung stellt man sich anders vor“, findet er. Zumal nicht nur die anderen sieben Stadtwerke im Kreis, sondern alle 800 Stadtwerke bundesweit diese Kürzung des Weihnachtsgeldes nicht vorgenommen hätten. Jedenfalls stellt es Verdi-Sekretär Schwittay so dar.

„Davon gehen Stadtwerke nicht pleite“

Die Quickborner Stadtwerke hätten die Sonderzahlung zu Weihnachten an alle 80 Mitarbeiter voll ausgezahlt, sagt Werkleiter Panos Memetzidis. „Warum sollten wir die Mitarbeiter ärgern, wenn sie ihr freies Recht zu streiken, wahrnehmen?“, fragt er. Das käme nicht in Frage. „Wir brauchen motivierte Mitarbeiter.“ Die Beträge, um die es ging, seien so gering, „davon gehen die Stadtwerke nicht pleite.“

Tatsächlich hat es im vorigen Jahr die Aufforderung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes gegeben, diese Kürzung nicht unbedingt vorzunehmen, wie deren Geschäftsführer Wilfried Kley auf Abendblatt-Nachfrage sagt. Alle 50 Mitgliedsbetriebe in Schleswig-Holstein seien nach einem Rundschreiben des Bundesverbandes der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) darüber informiert worden, dass sie es den Betrieben „freistellen“ und „keine Bedenken erheben“ würden, wenn diese trotz des einen Streiktages das volle Weihnachtsgeld auszahlten. „Ihr müsst nicht, aber ihr könnt, wenn ihr wollt“, umschreibt Kley diese Empfehlung an die Mitgliedsbetriebe.

Beide Stadtwerke erzielten satte Gewinne

Aber auch die Gewerkschaft habe vorher wissen können, dass der Oktober nun einmal laut Tarifvertrag die Grundlage für das Weihnachtsgeld darstellt, so Kley. Somit hätte Verdi das Problem vermeiden können, wenn die Gewerkschaft nicht ausgerechnet im Oktober zum Streik aufgerufen hätte.

Bernd Hinrichs, Aufsichtsratschef der Pinneberger Stadtwerke, sagt zu der Thematik: „Das ist Sache der Geschäftsführung.“ In Pinneberg wechselt die Hoheit laut Ratsbeschluss demnächst von Interimschef Oliver Sinterhauf zu Thomas Behler, einem Stadtwerkeleiter aus Nordrhein-Westfalen, den die Ratsversammlung ins Amt berufen hat. Wann das geschieht, vermag Hinrichs noch nicht zu sagen. „Das ist noch offen.“ Er stehe dazu gerade in Verhandlungen.

Bürgermeisterin Urte Steinberg, stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke und zurzeit im Urlaub, sagt, sie sei nicht über die Kürzung des Weihnachtsgeldes informiert gewesen. Sie gehe davon aus, dass dies auf der nächsten Aufsichtsratssitzung noch diesen Monat geschehen werde.

Laut ihrer Geschäftsberichte haben die Stadtwerke Wedel 2019 bei einem Umsatz von 51,1 Millionen Euro 1,7 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet. Die Geschäftsführung bekam ein Gehalt von 223.000 Euro brutto ausgezahlt. Die Stadtwerke Pinneberg erzielten 2019 bei einem Umsatz von 54,6 Millionen Euro einen Jahresüberschuss von 1,5 Millionen Euro. Die Geschäftsführung erhielt in dem Jahr 224.000 Euro Brutto-Gehalt.

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