Wedel. Frauchen bindet den Hund los, ihr Vierbeiner wedelt mit dem Schwanz. Dann läuft er in den Park, bleibt stehen, schnuppert. Jetzt geht es schnell: Der Hund schlingt, schwebt in Lebensgefahr. Schuld ist ein Giftköder. Vor solchen Gedanken graust es Hundehaltern. Doch unwirklich ist dieses Szenario nicht. Im Internet berichten Nutzer oft von solchen Beobachtungen.
Um die Tiere zu schützen, bietet Nina Grobelny (28) in Wedel ein Anti-Giftköder-Training an. „Dogs United“ heißt die Hundeschule, in der sie Vierbeiner schult. 20 Monate lang hat sie Seminare besucht, um sich zertifizierte Hundetrainerin und Verhaltensberaterin nennen zu dürfen. Die Schule besitzt sie seit 2016 und leitet zwei Mitarbeiterinnen an. Deshalb bezeichnet sie sich als „Rudelführerin“.
Der Intensivkursus besteht aus vier Terminen
Grobelny hat selbst Hunde, ist aber noch nie auf einen Giftköder gestoßen. Doch sie kennt einen Hund, dem vor Jahren Blut aus der Nase getropft ist. Die Halterin habe ihn sofort zum Tierarzt gebracht. Der Hund hat überlebt. Die Trainerin vermutet, dass ein Gift die Reaktion hervorgerufen hat.
Deshalb bringt sie Vierbeinern im Anti-Giftköder-Training bei, sich mit Abstand neben das gefundene Fressen zu setzen und so Frauchen oder Herrchen zu alarmieren. Der Intensivkursus besteht aus vier Terminen. Aktuell trainiert die Hundetrainerin Holli, Fjella und Timmy. Zwei Stunden hatten sie schon zusammen.
Der Giftköder, erste Symptome und Nothilfe
Die Vierbeiner sind jung, gerade einmal acht bis elf Monate alt, und erleben zurzeit ihre wilden Hundejahre: die Pubertät. Doch bevor Holli, Fjella und Timmy trainieren, erklärt die Rudelführerin den Frauchen, was ein „Giftköder“ ist, wann Vergiftungssymptome auftreten und wie sie sich äußern:
„Im Normalfall ist ein Giftköder etwas Leckeres. Aber da sind Rattengift oder Rasierklingen drin, damit der Hund vergiftet wird oder sich den Mund-, Rachen- und Nasenraum kaputtmacht.“ Menschen legen die Köder entweder aus, weil „die verärgert sind – wegen Hundekot oder lauten Bellens am Gartenzaun“. Es kann aber auch sein, dass ein Gift nicht gegen Hunde, sondern gegen Ratten oder Schnecken gestreut wird.
Schon das Schnüffeln am Gift kann verheerend sein
Wenn der Hund daran schnüffelt, kann das für kleine oder junge Hunde verheerend sein. Das liegt an der Körpermasse oder am unausgereiften Immunsystem. Doch auch erwachsene Hunde sind vor vergifteten Ködern nicht sicher.
„Es kommt auf die Menge an und darauf, wie schnell man beim Tierarzt ist und den Hund erbrechen lässt.“ Denn Vergiftungserscheinungen treten erst nach zwei, drei Tagen auf. Der Hund zeigt sich müde, hat Bauchschmerzen, extremen Durchfall oder erbricht sich. „Dann kann man nur noch zum Tierarzt gehen. Lieber einmal mehr als zu wenig.“
Rat der Hundetrainerin: „Verbieten bringt nichts!“
Dann geht es los: Fjella startet. Frauchen führt sie an der Leine zum Übungsparcours. Drei Meter vor ihr liegt ein giftgrüner Teller mit Futter. Es soll den Giftköder simulieren. Der Australian Shepherd schnuppert, erblickt das Leckerchen. Darauf hat Frauchen Kathrin Eichinger (29) gewartet. „Fjella, stopp!“, ruft sie und hebt dabei mahnend den Zeigefinger. „Sitz!“ Die Hündin fixiert Frauchen, setzt sich und tänzelt auf den Vorderpfoten hin und her.
Fjella ist ein Gourmet. Sie frisst nicht alles. Vielleicht fällt ihr die Übung deshalb leichter. Ihrem Blick und dem nervösen Pfotengetrappel zufolge weiß sie genau, dass Frauchen ihr statt des Futters auf dem Teller gleich Hundekekse aus Banane, Himbeere und Lamm-Lunge ins Maul schiebt. Die findet sie leckerer.
Der Hund soll lernen, das Futter anzuzeigen
Dann gehen Frauchen und Hündin näher an den Teller, wiederholen die Übung. „Stopp! Toll! Sitz! Toll!“, lobt Frauchen. Fjella bekommt noch einen Keks. Dann sagt Hundetrainerin Grobelny: „Super! Du darfst ihr jetzt auch das Futter auf dem Teller freigeben.“ Frauchen zeigt auf dem Teller. Der Australian Shepherd frisst.
Grobelny trainiert nach der Philosophie „Verbieten bringt nichts“. Deshalb bringt sie den Hunden und ihren Halterinnen in vier Stunden bei, dass Hunde vor dem Fressen stoppen und Frauchen entscheiden zu lassen. „Der Hund soll lernen, das Futter anzuzeigen. Er soll denken: Oh, Futter, ich setz’ mich, hol’ mir die Fleischwurst ab, und danach darf ich den Rest fressen’“, sagt die Trainerin. „Bei einem Giftköder oder Dönerresten geht das nicht, aber Frauchen hat immer noch viel leckereres Futter dabei, das dann auch ausreicht.“
Frauchen und Hündin haben fleißig geübt
Dann sind Holli und Elke Meyer (54) an der Reihe. Frauchen und Hündin haben in den letzten Wochen fleißig geübt, denn Holli stoppt von allein vor dem Essen – und das, obwohl der Labrador-Mix ein „Staubsaugerhund“ ist, also alles frisst, was auf dem Boden liegt. Das liegt in den Genen dieser Hunderasse. „Sitz!“, ruft Frauchen. „Prima!“
Im nächsten Durchgang versuchen die beiden es ohne Befehle: Die Hündin stoppt vor dem Teller, blickt zu Frauchen, dann zur Trainerin und wieder zu Frauchen. Sie ist sichtlich überfordert, schafft es nicht, sich selbstständig hinzusetzen. Dann erlöst Frauchen die Hündin: „Sitz!“ Holli sitzt, bekommt ein Leckerchen und darf das Fressen auf dem Teller essen. Sie leckt alles ab, auch den Boden drumherum. Die Trainerin schmunzelt. „Dann brauche ich nicht staubzusaugen.“
Zuletzt müssen sich Timmy und Anke Paschke (72) beweisen. Der Junghund sieht wild aus, ist nur mit einem Ohr geboren. Dabei ist er ängstlich, fürchtet sich vor ungewohnten Geräuschen. In seinen Genen liegen die von Huskys und Border Collis. Nach dem ersten Durchgang schüttelt er sich und gähnt. Timmy ist ausgelaugt. Eigentlich will er spielen, beißt Frauchen spielerisch in die Hand.
Timmy stoppt stoppt – und bekommt einen Hundekeks
Konzentration ist nicht seine Stärke. „Komm, Süßer!“, sagt sein Frauchen. Sie hält die Leine straff. „Stopp!“ Nicht Timmy, sondern die Leine stoppt ihn. „Sitz!“ Er schaut durch die Gegend, braucht Zeit, um sich zu setzen. Dann: „Toll!“, sagt Frauchen. Er bekommt einen Hundekeks, leckt sich über die Nase und schüttelt sich wieder. „Pubertierende Hunde sind nach so einer Trainingsstunde durch“, sagt Grobelny und schickt ihre Kursteilnehmer nach Hause.
Nächste Woche sehen sie sich zum Abschluss noch einmal wieder und lernen, sich ohne Befehle vors Essen zu setzen. Bis dahin müssen die drei Pärchen trainieren. „Am schwierigsten ist es, das Gelernte zu generalisieren und außerhalb des Trainingsraums anzuwenden“, sagt die Trainerin. Dann wird sich zeigen, ob die drei Hunde das Gelernte an der frischen Luft umsetzen können.
Das Anti-Gift-Ködertraining kostet 90 Euro für vier Sitzungen. Termine auf Anfrage. Mehr Infos unter dogs-uniteds.com.
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