Vor 15 Jahren fing alles an. Heute ist die SV Halstenbek-Rellingen Vorreiter beim Frauenfußball im Kreis Pinneberg.

Kreis Pinneberg. "Diesen Anruf werde ich nie vergessen", sagt Joachim Stahl. Der Jugendwart der SV Halstenbek-Rellingen sitzt in der Vereinsgaststätte am Lütten Hall, es geht um die Vorreiterrolle des Vereins beim Frauenfußball im Kreis Pinneberg. Stahl erinnert sich sehr gut an Monika Denk. "Im Mai 1998 rief dieses 17-jährige Mädchen bei mir an. Sie war sehr energisch", sagt Stahl, 61, und ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Denks deutliche "Ansage" kann er nach wie vor wörtlich zitieren: "Ich wollte Ihnen mal mitteilen, dass nicht nur Jungs gerne Fußball spielen, sondern auch Mädchen." Stahl bot ihr an, mit ein paar Freundinnen zum Jacob-Thode-Platz zu kommen. "Eine Woche später standen dort zwölf Mädchen und wollten Fußball spielen", sagt Stahl.

So fing vor 15 Jahren alles an. Heute ist HR der einzige Verein im Kreis Pinneberg, der von der F-Jugend bis zu den Damen mindestens eine Mannschaft stellt. Ebenfalls ein großes Herz für die Jagd der Damen nach dem runden Leder offenbaren der FC Elmshorn, Blau-Weiß 96 Schenefeld und der Wedeler TSV. Elmshorn fehlt nur eine C-Jugend zu einer kompletten Mädchenfußballabteilung, Blau-Weiß die F-, Wedel die F- und E-Jugend. Der Vorsprung der Männer bleibt jedoch gewaltig.

39 Vereine bieten im Kreis Pinneberg Fußball an. In allen gibt es Herrenteams, 35 Klubs betreiben Nachwuchsarbeit bei den Jungen. Hingegen existieren nur 13 Frauenteams in elf Vereinen. Neun Klubs stellen 30 Mädchenmannschaften, sieben davon kommen von der Spielvereinigung. Insgesamt engagieren sich 14 Pinneberger Klubs im Frauen- und Mädchenfußball. Der Kreis liegt damit im Schnitt des Hamburger-Fußballverbandes (HFV), in dem auch die Pinneberger Teams organisiert sind. Jeder dritte Verein im Verband bietet Mädchenfußball an. Oftmals existiert allerdings keine Durchlässigkeit, da es für bestimmte Altersklassen keine Angebote gibt. So können die Mädchen nur bei einem Vereinswechsel weiter kicken oder müssen eine Pause einlegen.

Stellt sich die Frage, warum bei HR so gut klappt, was in vielen Vereinen immer noch in den Kinderschuhen steckt. Stahl denkt kurz nach und nennt zwei weitere Namen: Claus Streubier und Jörg Lüders. "Streubier war für uns wie ein Sechser im Lotto mit Zusatz- und Superzahl", schwärmt Stahl. Im Sommer 2001, die HR-Damen standen vor ihrem zweiten Bezirksligajahr, übernahm er das Team, und führte es innerhalb von vier Jahren durch zwei Aufstiege in die Verbandsliga - und das, obwohl Streubier an ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) litt, einer Erkrankung des motorischen Nervensystems. Gegen Ende seiner Amtszeit im Sommer 2006, kurz vor seinem Tode, konnte sich Streubier in seinem Rollstuhl kaum noch bewegen. "Er hat ein Vermächtnis hinterlassen", sagt Stahl. "Er hat jede Trainingseinheit und jedes Spiel akribisch geplant. Oft griff er auf Pläne des DFB im Internet zurück. Die Mädels haben alles für ihn gegeben und Claus auch für sie."

Mit seinem Einsatz überzeugte Streubier auch Stahl. Dieser gibt zu, nach dem Anruf von Monika Denk, der alles einläutete, nicht an eine Frauenfußballabteilung bei HR geglaubt zu haben. "Ich sagte meiner Frau damals, das wird sowieso nichts. Heute sehe ich lieber die Frauen und Mädchen gegen den Ball treten", sagt Stahl. Dass Mädchen dies bei HR auch können, daran war er ebenfalls beteiligt. Nach dem tragischen Verlust von Streubier verpflichtete Stahl Jörg Lüders. Ziel: Aufbau einer Mädchenabteilung.

Lüders, 57, wirkt gemütlich. Die E-Jugend-Spielerinnen begrüßt er gerne mit dem Spruch "Hallo, ihr kleinen Menschen", um sich dann schmunzelnd aus vielen Kehlen ein "Hallo, du dicker Mensch" anzuhören. Seit 43 Jahren ist Lüders in der Jugendarbeit tätig, sammelte viele Erfahrungen bei Ottensen 93 und Teutonia 05. Innerhalb von sechs Jahren gelang ihm der Aufbau einer kompletten Mädchenfußballabteilung bei HR. Mittlerweile spielen dort 120 Mädchen Fußball. In den Anfängen fuhr Lüders in die Schulen und warb für sein Projekt. Als die Abteilung wuchs, führte er gemeinsame Trainingstage in der Feldsaison für alle Mannschaften ein (montags und freitags), suchte sich engagierte Trainer, übernahm selbst zwei Teams. "Natürlich profitierten wir mit der Zeit immer mehr von unserem Ruf. Die Mädchen im Umkreis wissen, dass sie hier spielen können", sagt Lüders. Entscheidend sei jedoch etwas anderes: der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen. "Nach meiner Erfahrung wollen Jungs sich eher beweisen. Sie wollen sich messen und siegen. Mädchen spielen eher Fußball, um Freundschaften zu schließen. Viele hören auch mit Anfang 20 wieder auf."

Dies, so Lüders, begriffen viele Vereine nicht. Dabei sollten sie es unbedingt berücksichtigen. Je mehr Leistungsdruck in Training und Spiel herrsche, desto weniger Freude hätten die Mädchen. Oftmals dächten Trainer anders, seien zu siegorientiert. "Mit Gebrüll am Spielfeldrand erreicht man noch weniger als bei den Jungs". Mit ruhiger Hand läuft es offenbar besser. Die B-Jugend von Lüders ist gerade wieder Staffelmeister geworden.

Bestätigen kann diese Linie die Frau, die bei HR den Fußball ins Rollen brachte. Monika Denk, 32, lebte heute in Berlin. "Ich wollte damals einfach nur spielen. In Rellingen gab es aber nichts. Da habe ich das mal in die Hand genommen und als Schulsprecherin an der Realschule Halstenbek dafür geworben. Ich freue mich sehr, was daraus alles entstanden ist", sagt sie. Und für alle Mädchen, die den Fußball lieben, hat sie einen Tipp parat: "Wenn es bei euch in der Gegend keinen Fußballverein gibt, sucht euch einfach ein paar andere Mädchen und besucht einen Verein. Und dann sagt ihr, ihr wollt hier Fußball spielen."