Die Geschwister Jaqueline und Chantal Schröder aus Quickborn sammeln im Kickboxen Titel und Pokale überall auf der Welt.

Quickborn. Kickboxen! Das Wort allein weckt Bilder von blutigen Nasen, von Faust- und Fußstößen Richtung Kopf und Körper und von Kampfgeschrei. Die Schröders aus Quickborn aber sind eine ruhige, eher stille Familie. Die Stimme von Mutter Tanja, die aus dem Hintergrund kommt, klingt gelassen und sanft. Vater André, Personenschützer von Beruf, ist zurzeit irgendwo auf See vor dem Sultanat Oman um die Besatzung eines deutschen Frachters vor Piraten-Angriffen zu schützen.

Die beiden Töchter haben am Esstisch Platz genommen. Jacqueline, mit 16 Jahren die ältere, räkelt sich ein bisschen auf dem Stuhl. Chantal aber, in der Familie noch immer "unsere Kleine" genannt, hockt mit geradem Rücken da, die Hände brav auf dem Tisch. Ihr langes blondes Haar, das schmale Gesicht - so zierlich wirkt das Kind, als müsse man es beschützen. Beim Krippenspiel in der Schule käme ihr wahrscheinlich die Rolle eines Engels zu, beim Sommertheater vielleicht die Elfe. Dabei gilt die Zwölfjährige längst als das gefährlichste Mädchen in der Kickbox-Szene. Und das nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt.

In der internationalen Wettkampfszene fallen Siege allmählich schwerer

"Fünfmal bin ich Weltmeisterin geworden", erzählt Chantal mit leiser Stimme und fügt schnell ein "bisher" dazu. Wie viele Europameistertitel hat sie dazu gesammelt und wie viele deutsche Meisterschaften? Da huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. "Das weiß ich nicht genau, die habe ich nie gezählt."

Chantal war neun Jahre alt, als sie ihre beiden ersten WM-Trophäen aus dem fernen Sydney mit nach Quickborn brachte. Im Kung Fu hatte die Kleine die Kata, also die Vorführung der Kampftechniken ohne Gegnerin, gewonnen und im Kickboxen den Kampf. Jacqueline, die Große, wurde in Australien in ihrer Alters- und Gewichtsklasse ebenfalls Doppel-Weltmeisterin. Inzwischen aber, mit 16 Jahren, ist es für sie in der internationalen Wettkampfszene viel schwieriger geworden, große Turniere zu gewinnen.

"Häufig muss ich bei den Damen kämpfen", sagt Jacqueline, "Ich muss mich also mit wesentlich Älteren herumschlagen." Ob sie nicht erfolgreicher wäre, wenn sie noch härter trainieren würde? "Doch, auf jeden Fall", kommt die Antwort der kleinen Schwester, die sich dafür einen Stuppser von der Großen einfängt. Mindestens viermal in der Woche trainieren die Schröder-Mädchen in der Kung-Fu-Schule in Uetersen bei Markos Tadidis und Kickboxen in Wandsbek. Dabei kämpfen sie auch gegeneinander, im Training jedenfalls. Ob sie auch bei einem großen Turnier gegeneinander antreten würden? "Nein, das würde ich nie machen", lehnt die Große spontan ab. "Ich schon", sagt die Kleine. Dabei sieht man ein Funkeln in ihren Augen, das erahnen lässt, welch mutige und ehrgeizige Kämpferin in diesem zierlichen Persönchen steckt.

Meist ist es die Mutter, die ihre Töchter zum Training fährt und dann auch selbst ihre Faust- und Fußtechniken verbessert. Begonnen hat alles mit Vater André, und sowohl Jacqueline wie auch Chantal waren erst vier Jahre alt, als sie ihre Freude am sportlichen Kampf entdeckten. Die Erfolge der Mädchen wiederum hat aus der ganzen Familie Weltreisende in Sachen Kampfsport gemacht. In Sydney waren sie alle vier, aus Cadiz (Südspanien) haben die Kinder WM-Titel mit nach Hause gebracht, in Athen und Amsterdam große Turniere gewonnen und in Rotterdam, Innsbruck und Bratislava, wo Chantal vor wenigen Wochen ihren vorerst letzten WM-Titel erkämpfte. Und in Deutschland? Allein in diesem Jahr haben die schlagkräftigen Schwestern aus München, Karlsruhe, Nürnberg und Kassel Siegerpokale mit nach Hause geschleppt, aus Frankenthal, Sinsheim, Eberswalde, Lauterbach, Neuwied, Osnabrück und Braunschweig.

"Allein diese gemeinsamen Autofahrten schweißen die Familie zusammen", sagt Tanja Schröder. Und das ist für die Mutter das Wichtigste an dem Sport. "Dass die beiden in so jungen Jahren in der Welt herumkommen, sich gegen internationale Konkurrenz behaupten und durchsetzen müssen, hat beide selbstständig und selbstbewusst gemacht." Jacqueline beispielsweise wurde gleich viermal zur Klassensprecherin gewählt. Warum? "Wenn es ein Problem gibt, zum Beispiel wenn jemand Kaugummi irgendwo ranklebt, dann fangen die anderen an zu palavern und reden lange auf denjenigen ein." - "Und Du?" - "Ich sage nur, hör' auf damit, ich will das nicht." "Dann hören die auf damit?" - "Worauf du dich verlassen kannst." - "Auch die Jungen?" - "Na klar, auch die Jungen."

Wenn sie dieses Jahr ihren Hauptschulabschluss gemacht hat, will Jacqueline Erzieherin werden. "Chantal wiederum war in der Grundschule sehr schüchtern", sagt die Mutter, "Sie hat fast nicht gesprochen und hat alles schriftlich gemacht." Und heute? Die Zwölfjährige gilt in der Kickbox-Szene als Kämpferin, die sich am besten konzentrieren kann, am schnellsten die Schwächen der Gegnerinnen durchschaut und sie für sich nutzt. "Ich will gewinnen", sagt sie schlicht. "Immer?" - "Klar, immer." "Auch außerhalb Deines Sports?" - "Auch in der Schule, überall eigentlich."

Bevor wir ihr und der großen Schwester noch viele schöne Reisen und tolle Siege wünschen, werfen wir noch einen Blick in den ausgebauten Speicherraum. Irre, fantastisch. Überall glänzen Pokale, silbern und golden funkelnd, riesige, monströse "Pötte", bescheidenere Kelche. Weit über 200 der Siegestrophäen haben Chantal und Jacqueline, die schlagkräftigen Schröder-Sisters, schon angesammelt. Am Wochenende sind sie mit der Mutter wieder unterwegs - der Vater ist noch im Einsatz gegen Piraten. Die beiden zählen beim internationalen Scorpions-Cup in München zu den kleinen Stars.