Wedeler Stadtauswahl ist angetan vom Gastspiel des FC St. Pauli und dessen 19:1. Unwetter treibt viele der 2400 Fans aus dem Stadion

Wedel. Zehn Minuten vor dem Anpfiff war Susanne Mühlich kurz in ihren Gartenstuhl auf der Empore neben dem Sprecherhäuschen gesunken. Die sonst doch so quirlige Dame wirkte erschöpft und angespannt. Anja Kurowski setzte sich dazu und massierte der Schwester den Handrücken. Gleichzeitig strömten die Zuschauer in Scharen ins Elbestadion.

Es war der Moment, in dem von der Vereinschefin des SC Cosmos alles abfiel. Da hatte sie die Gewissheit: Das Gastspiel der Fußball-Profis des FC St. Pauli (2. Liga), die der Stadtauswahl beim 19:1 (9:1) die Leviten las, wird vom Wedeler Publikum angenommen. Am Ende waren es 2400 Fans, die Eintritt entrichteten. "Die genaue Abrechnung liegt noch nicht vor. Auf keinen Fall wird es ein Minus sein", freute sich Susanne Mühlich, die ebenso wie Jürgen Brenker, Vorsitzender des TSV, und Wolfgang Merten, Anführer des FC Roland, zig Stunden Arbeit in die Vorbereitung des Ereignisses investiert hatte, bei einer ersten Bestandsaufnahme am Tag danach.

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Auch die Profis vom Millerntor fühlten sich in Wedel wohl. Viele hatten die Einladung zu einem kleinen Imbiss dankend angenommen und verweilten für ein oder zwei Stunden im TSV-Klubheim. Dann mussten sie auch schon an den Vergleich mit dem FC Aberdeen (Schottland) denken, den sie am Sonnabend 1:1 gestalteten. Die Wedeler Kicker blieben länger. In Sprechchören feierten sie Felix Mühlich, der seit vergangener Saison dem Aufgebot der TSV-Herren angehört. Mutter Susanne platzte fast vor Stolz, als der 19 Jahre Sohnemann in der 31. Minute einen Gegenspieler ins Leere laufen ließ und dann Torwart Robin Himmelmann mit seinem Schuss per Außenrist keine Chance ließ. Das Publikum applaudierte dem 1:7 frenetischer als allen 19 Treffern der übermächtigen Gäste zusammen.

Perfekt war der Abend aber nicht, doch daran trug niemand eine Schuld. Gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit setzte sintflutartiger Regen, verbunden mit heftigen Sturmböen, ein. Viele total durchnässte Zuschauer flüchteten aus dem Stadion Richtung Bekstraße, die Spieler in die Kabine. Vom Eingangstor an der Höbüschentwiete gab es die Hiobsbotschaft, dass Zuschauer ins Astwerk eines umgeknickten Baums gerieten. Ernsthaft verletzt wurde aber niemand.

Nach viertelstündiger Unterbrechung pfiff Schiedsrichter Sebastian Born (SV Bergstedt) die Partie wieder an. Großzügig sprach André Schubert hinterher von "Top-Bedingungen und einem tollen Rasen" in Wedel. Dass Erfolg nicht unsexy macht, merkte St. Paulis Coach, als er das Klubheim wieder verließ. Zahlreiche weibliche Fans aller Altersgruppen gaben keine Ruhe, bis ein Foto mit dem tief gebräunten Schubert auf der Memory Card der Digital-Kamera gespeichert war.

Jana Schiedek verließ den Sportplatz an der Seite von TSV-Gönner Rolf Lau. "19 Tore wünschte ich mir auch einmal in einem Zweitligaspiel am Millerntor", scherzte Hamburgs ebenso lockere wie aparte Justiz-Senatorin (SPD), die mit Laus Tochter Sarah eng befreundet ist und sich als leidenschaftliche Anhängerin des FC St. Pauli offenbarte. Entgegen der Ankündigung nicht gesichtet im VIP-Zelt der Sponsoren Stadtwerke und Stadtsparkasse wurde Hamburgs Fußball-Legende Uwe Seeler, der es wohl vorzog, sich mit 75 nicht den drückenden Temperaturen - beim Anpfiff um 19.05 Uhr nicht weniger als 31 Grad - auszusetzen.

Die jüngere Wedeler Spielergeneration geriet in Schwitzen, so, wie die austrainierten Profis loslegten. Am Ende spielte das Ergebnis keine Rolle, zumal die aus den drei Wedeler Vereinen paritätisch zusammengesetzte Auswahl vorher nicht einmal zusammen trainierte und von blindem Verständnis naturgemäß keine Rede sein konnte. Dirk Diekert (SC Cosmos), der ebenso wie Lambros Theologidis ein Selbsttor fabrizierte - aber ein wesentlich schöneres als der TSVer - lachte mit der Abendsonne, die dann doch wieder hinter den Wolken hervor lugte, um die Wette: "Dieses Spiel war für uns Kicker einfach nur ein riesiger Spaß." Beim gemeinsamen Abendessen erklärten Susanne Mühlich, Jürgen Brenker und Wolfgang Merten die Zeit, in der jeder der Wedeler Vereine sein eigenes Süppchen kochte, endgültig für beendet.

Statistik: Wedeler Stadt-Auswahl - FC St. Pauli 1:19

Stadt-Auswahl: Börnecke, Claußen, Lukas Westphal, Diekert, Mohr, Gertschat, Lopez, Buttler, Mühlich, Linus Klasen, Möller (eingewechselt: Hinze, Theologidis, Stute, Meins, Hannes Westphal, Subbe, Zink).

FC St. Pauli: Himmelmann, Zambrano, Daube, Ginczek, Gogia, Saglik, Schachten, Schindler, Andrijanic, Büchler, Ojala (eingewechselt: Pliquett, Funk, Thorandt, Thy, Bartels, Kalla).

Tore: 0:1 Büchler (4.), 0:2 Saglik (7.), 0:3 Ojala (10.), 0:4, 0:5 Ginczek (16., 24.), 0:6, 0:7 Daube (26., 29.), 1:7 Mühlich (31.), 1:8 Zambrano (39.), 1:9 Saglik (45.), 1:10 (Funk (55.), 1:11 Diekert (61./Eigentor), 1:12 Thy (67.), 1:13 Ginczek (68.), 1:14 Theologidis (72./Eigentor), 1:15 Ginczek (74.), 1:16 Andrijanic (76.), 1:17 Thy (77.), 1:18 Andrijanic (80.), 1:19 Bartels (85.).

Schiedsrichter: Born (SV Bergstedt). Zuschauer: 2400. Gelbe Karten: Fehlanzeige (drei Fouls im ganzen Spiel).