Angeheizte, aber friedliche Stimmung und Emotionen pur vor 356 Fans beim Kreisklassenspiel Tangstedt gegen Borstel. 4:1 gewannen die Hausherren.

Tangstedt. "Ich habe den Spirit des Amateur-Fußballs gespürt", sagt Frank Ockens, Co-Trainer des SV Rugenbergen (Oberliga). Was bitte ist der Geist der Amateurkicker? Vor sagenhaften 356 zahlenden Zuschauern haben die Kicker des Tangstedter SV den Nachbarn TuS Borstel in der untersten Liga (Kreisklasse, Staffel 8) 4:1 (1:1) besiegt und damit ihre Aufstiegschancen gewahrt. Da wurden Fahnen geschwenkt, ununterbrochen Sprechchöre gesungen, ein bisschen Feuerwerk entfacht und enthusiastisch der 23. Geburtstag von TSV-Keeper Tobias Löhr - etwas übergewichtig, aber superstark - gefeiert.

Einige waren dabei, dunkle Sonnenbrille, Kapuzenpulli, aggressive Blicke, denen möchte man nicht im Mondschein begegnen. "Die beißen nicht, die wollen nur Spaß haben", versichert der überragende Tangstedter Kapitän Patrick Harder. Ein mulmiges Gefühl bleibt, auch wegen eines pressefeindlichen Plakats. Die TSV-Fans machen den Heimatzeitungen zum Vorwurf, die Vorfälle in der Woche vor dem Spiel zur sehr aufgebauscht zu haben. Irgendjemand hatte die Borsteler Sporthalle mit Aufklebern - "Fuck TuS Borstel, Scheiß TuS Borstel" - flankiert. Bitte, man ist kein Sozialpsychologe. Es blieb alles wunderbar fair auf dem Sportplatz am Hasloher Weg. Schiedsrichter Thomas Piotraschke (FCE Elmshorn), der ausnahmsweise mit zwei Linienrichtern - in der Kreisklasse unüblich - angerückt war, zückte lediglich zwei Gelbe Karten.

Ein Bauer vernimmt auf dem Trecker ziemlichen Radau auf dem Sportplatz

Zunächst einmal stand den Kassierern Gerhard Fejnar, Nanak Singh, Sebastian Krohn und Stefan Ahrens der Schweiß auf der Stirn. Der Andrang am Eingang wollte ja kein Ende nehmen. 200 Meter Luftlinie entfernt in der Eichenstraße verrichtete Horst Lehnert aus Bergedorf (67) Gartenarbeit: "Mein Sohn zieht hier gerade ein. Entschuldigung, dass ich beim Rasenmähen die Ruhezeiten nicht eingehalten habe, aber um 16 Uhr wird es hier dunkel." Von weiterer Lärmbelästigung konnte keine Rede sein. Still schlummerte das Dorf vor sich hin. Nur ein Bauer auf seinem Trecker beschwerte sich, als ihm ein weiblicher TSV-Fan über den Weg lief: "Da war ja ziemlicher Radau bei euch auf dem Sportplatz." Und vor allem war der Jubel dann doch nicht zu überhören. Patrick Harder nahm den Ball nach einem weiten Schlag des Teamgefährten Hendrik Sellhorn in Besitz und schob ihn am Borsteler Keeper Jan Jatzkowski vorbei ins Tor - 2:1 (86.). Die "harten" Fans spielten verrückt und knöpften die Gürtel ihrer Jeans auf: "Scheiß auf Hosenzwang", so stand es auf einem Transparent geschrieben. Patrick Oppermann erzielte das 3:1 (88.), dann verwandelte Fabian Willikonsky einen von Niklas Hatje an Harder verursachten Strafstoß zum 4:1 (90.). "Es war ein wunderschöner Tag für den Fußball in Tangstedt", schwärmte Patrick Harder, der sich in Anlehnung am früherem HSV-Stürmer Takahara schon mal "Takaharder" nannte und das 0:1 des agilen Jan "Feier" Dreyer (33.) in der 42. Minute ausgeglichen hatte. Die Borsteler Offiziellen stimmten zu, indem sie Schiedsrichter Thomas Piotraschke für die Spielleitung ausdrücklich dankten.

Zwei Polizeibeamte verabschieden sich entspannt schon zur Halbzeit

Was bleibt, ist aber ein mulmiges Gefühl, wie immer, wenn alkoholisierte Personen in Massen einen Sportplatz oder einen Raum betreten. Bleibts so freudig erregt oder gibts auf dem Sportplatz irgendwann auch mal Haue? "Dies hier ist ein freundliches Familienfest", urteilten zwei Beamte der Rellinger Polizeiwache, die sich zur Halbzeit entspannt verabschiedeten und wieder Streife fuhren. So soll es bleiben, bitte. Silvester, Pyrotechnik in der Luft, Freude am Leben, Anteilnahme an diesem ehrlich-herrlichen Amateurgekicke, ein bisschen sich selbst auf die Schippe nehmen, können ja gar nicht oft genug im Jahr sein.