Spieler-Quartett aus Zweitliga-Team des SC Rist lebt in Wedel unter einem Dach. Sonnabend geht es zum Playoff-Start nach Nördlingen.

Wedel. "Hallo, komm rein." Wenn Fabian Lühring, Center im Zweitliga-Basketballeam des SC Rist, Besucher begrüßt, muss er sich zwangsläufig ducken, denn für seine Körpergröße von 2,13 Meter ist der Türrahmen in dem zweistöckigen Gebäude an der Pinneberger Straße in Wedel nicht konstruiert. Der 29 Jahre alte gebürtige Berliner, der zu Saisonbeginn vom niedersächsischen Regionalliga-Klub Bürgerfelder TB zum Wedeler Pro-B-Klub wechselte, ist aber nicht der einzige lange Kerl, der in dem zweistöckigen Gebäude lebt: Auch seine Teamgefährten Fabian Böke, 24 (2,09 Meter), und Anthony Pettaway, 24 (2,03), müssen des Öfteren den Kopf einziehen. Keine Probleme haben in dieser Hinsicht lediglich die beiden übrigen Mitglieder der seit Saisonbeginn bestehenden Wedeler Basketball-WG, Pettaways US-amerikanischer Landsmann Harold August Johnston, 25 (1,90), und dessen Freundin Jocelyn Romero, die von der im Sommer vom SC Rist angemieteten und frisch renovierten Vier-Zimmer-Wohnung aus Englisch-Kurse im Internet betreut.

In der Vier-Zimmer-Wohnung wird fast ausschließlich englisch gesprochen

Englisch ist auch die gängige Sprache in der Wedeler WG. Pettaway und Johnston ist zwar die ein oder andere deutsche Redewendung geläufig, aber für eine flüssige Konversation reichen ihre Kenntnisse nicht. Da passt es gut ins Bild, dass es Fabian Böke nach drei Jahren an der University of Washington im gleichnamigen US-Bundesstaat und einem halben Jahr beim damaligen Pro-B-Südklub Ehingen Urspringschule zurück in die Heimat zog. Statt zu seiner Familie in Pinneberg zu ziehen, mietete er sich aber lieber in Wedel ein ("Hier ist es viel unterhaltsamer."). Böke ist der einzige aus dem Pro-B-Quartett, der voll im Berufsleben steht: Der Bachelor der Kommunikationswissenschaft arbeitet für ein Hamburger Unternehmen als Personalreferent. Über seiner Abschlussarbeit im Fachbereich Bauingenieurwesen brütet Fabian Lühring, soweit es ihm Training und Spielbetrieb in der Pro B erlauben.

Ganz auf Basketball konzentrieren können sich die beiden US-Amerikaner. Harold August Johnston, den alle nur "Augie" nennen, und Anthony Pettaway kennen sich seit fast drei Jahren. In den Spielzeiten 2009/10 und 2010/11 standen sie sich allerdings in der Regionalliga Süd-Ost als Gegner gegenüber: Pettaway räumte für den TSV Dachau unter dem Korb ab, Johnston wirbelte für die SV Rattelsdorf.

Zwei Jahre in Bayern haben offensichtlich das Deutschland-Bild der US-Boys entscheidend geprägt. "Im Süden ist das Wetter besser, und die Menschen sind stolz auf ihre Lebensgewohnheiten, vor allem auf Essen und Trinken". sagt Augie Johnston. Der stets gut gelaunte Kalifornier musste sich aber an neue Dimensionen gewöhnen: "Alles ist viel kleiner als in den USA - Häuser, Straßen, Autos." Verständigungsprobleme hätten weder er noch Pettaway: "Hier spricht ja fast jeder englisch."

Und wie sieht ein Tag in der Wedeler Basketball-WG aus? Während Böke früh zur Arbeit aufbricht, trainieren seine drei Mannschaftskameraden am Vormittag in einem Fitness-Klub in Hamburg-Bahrenfeld. Gemeinsam Mittag gegessen wird in einem Wedeler Restaurant, anschließend steht Training mit Jugendmannschaften des SC Rist auf dem Programm, ehe die Pro-B-Spieler unter Anleitung von Pro-B-Headcoach Özhan Gürel selbst in Schwitzen geraten.

Auch zu Hause ist der Sport Thema Nummer eins. "Wir unterhalten uns über alles, aber meistens geht es schon um Basketball", sagt Johnston. Zur Zeit fiebern die vier wie ihre Mannschaftskameraden und der Trainer der erstmaligen Teilnahmen an den Playoffs zur 2. Bundesliga Pro A entgegen. Morgen früh geht es im Reisebus gen Süden, um 19.30 Uhr stellen sich die Wedeler als Tabellensiebter der Pro B Nord im schwäbischen Landkreis Donau-Ries in Bayern beim Süd-Zweiten Giants Nördlingen vor.

Playoff-Spiele gegen Nördlingen sind mehr als Zugabe zum Klassenerhalt

Als bloße Zugabe zum Klassenerhalt, den sie sich durch das 75:70 über die Herzöge Wolfenbüttel am letzten Hauptrundenspieltag sicherten, sehen aber weder Gürel noch sein Team die Fahrt. "In einer Mannschaftssitzung haben die Jungs gesagt, dass sie dort gewinnen wollen", berichtet der Coach. Damit dies gelingt, dürften sich die Wedeler keineswegs in Einzelaktionen verzetteln. "Wir müssen als Team auftreten und versuchen, die Punkteausbeute auf so viele Spieler wie möglich verteilen - mit Einzelaktionen werden wir nicht weit kommen", sagt Gürel, der in Nördlingen nur auf Peter Huber-Saffer (beruflich Gründe) verzichten muss.

Um die Nerven zu beruhigen, dürften auf der neunstündigen Fahrt nach Nördlingen zur Entspannung auch die Spielkarten gezückt werden. Vielleicht fällt die Wahl dabei auf "Tunk", eine von Anthony Pettaway ersonnene Kreation. "Wir spielen gern, aber nicht um hohe Einsätze", sagt der Erfinder der Poker-Variante. Das wird sich morgen auf dem Hallenparkett in Nördlingen ändern, geht es für die Wedeler doch darum, vielleicht doch für eine Überraschung zu sorgen und zwei Siegen in einer Best-of-three-Serie die zweite Runde zu erreichen. Am Ehrgeiz seiner Spieler zweifelt Gürel in dieser Hinsicht nicht: "Jeder will sich so gut wie möglich präsentieren und hat dazu in Nördlingen die beste Gelegenheit."