Für Nisse Lüneburg ist es schwer, den Trubel nach dem Derbysieg mit Calle Cool zu verarbeiten. Die rauschende Feier dauerte bis nachts um zwei.

Wedel. Es wurde eine Siegesfeier, die bis tief in die Nacht dauerte. Spontan hatte Nisse Lüneburg, der Sieger im 83. Deutschen Springderby in Klein Flottbek, nach seinem Glanzritt mit Calle Cool in sein Haus in Wedel eingeladen. Die ganz große Party soll dann irgendwann in diesem Sommer steigen. Sie kamen dennoch alle: Eltern und Geschwister, Freunde, Bekannte und Mitarbeiter des Magdalenenhofes, auf dem der 23-jährige Springreiter seit dem 1. September 2008 als Bereiter tätig ist. Erst um zwei Uhr verabschiedeten sich die letzten Gäste.

"So richtig verkraftet habe ich den ganzen Trubel am Derby-Sonntag noch nicht", gestand Nisse Lüneburg, als er am nächsten Morgen um sieben Uhr am Frühstückstisch saß. "Sonst bin ich um diese Zeit schon bei meinen Pferden im Stall." Der Montag war für ihn und sein Holsteiner Springwunder ausnahmsweise ein Ruhetag. "Ich spüre immer noch das Glücksgefühl, als die 20 000 Zuschauer jubelten."

Calle Cool, immerhin schon 15 Jahre alt, zeigte auf dem schwierigen Naturparcours wieder einmal sein Können. Er hat, ausgelöst durch eine Operation an den Atemwegen, eine lange Winterpause hinter sich. Nur ein Turnier hatte er 2012 bestritten. Am Freitagabend entschied sich Nisse dann aber doch für den "Oldie" und gegen die Stute Piana Joenna, die in der ersten Derby-Qualifikation so überzeugt hatte.

"Ich war zuversichtlich, als wir über die Startlinie galoppierten", sagte Nisse Lüneburg. "Calle Cool hat mich nicht im Stich gelassen." Im vergangenen Jahr waren sie Siebte, dieses Ergebnis wollte der Reiter verbessern. Carsten-Otto Nagel (Wedel) war 2008 mit Calle Cool Zweiter.

Jan Lüneburg und Ehefrau Karin waren die ersten Gäste, die sich bei der ausgelassenen Feier verabschiedeten. Der Pferdezüchter aus Hetlingen hatte nämlich eine Vorahnung: "Heute Nacht wird auf unserem Hof ein Fohlen zur Welt kommen, und dann muss ich zur Stelle sein."

Der Allgemeinmediziner mit Praxis in Pinneberg behielt Recht. Morgens um drei Uhr ging es los: Die Stute "She is crazy", von der ihr Züchter sagt, sie sei eine "verrückte Nudel", brachte ihr Fohlen zur Welt. Jan Lüneburg sprang aus dem Bett und eilte in den Stall. Ein gesundes Stutfohlen lag in der Box.

Vater Jan verbringt die Nacht mit dem neugeborenen Fohlen "She is crazy"

Zwei Stunden verbrachte er bei der Mutterstute und ihrem Fohlen. "An Schlaf konnte ich nicht mehr denken, ich habe mir frischen Kaffee gekocht, aus dem Fenster geschaut und noch einmal über die tollen Auftritte meiner Söhne in Klein Flottbek nachgedacht. Ich bin erschöpft, aber glücklich. Karin und ich sind noch wie erschlagen. Wir denken nicht so sehr an Sieg oder Niederlage. Hauptsache, Pferd und Reiter kommen heil aus dem Parcours." Das schaffte auch Rasmus, der mit Theresia bei ihrem ersten Derby-Auftritt Elfter wurde.

Nisse ist eines von fünf Kindern des Züchter-Ehepaares Jan und Karin Lüneburg in Hetlingen. Seit mehr als 30 Jahren bewirtschaften sie den Hof Idenburg in Hetlingen. Heute haben hier 40 Vierbeiner ihr Zuhause. "Zucht und Sport sind für uns untrennbar miteinander verbunden", heißt die Devise von Jan, der seit vier Jahren auch Vorsitzender des Verbandes der Züchter des Holsteiner Pferdes ist und Karin Lüneburg, einer ausgebildeten Pferdewirtschaftsmeisterin. Oft begleiten sie ihre Söhne zu den Turnieren. Auch in Flottbek waren sie aufmerksame Beobachter.

Vier ihrer fünf Kinder haben schon als Kind ihre Liebe zum Pferd entdeckt: außer Nisse und Rasmus noch Jule, 25, die in Köln Sportmanagement und Kommunikation studiert und Turniererfolge aufweist; Rike, 27, die angehende Ärztin, die derzeit ihre Doktorarbeit schreibt und auch noch reitet, und Rasmus, 29, der den Betrieb auf dem elterlichen Hof leitet. Nur Finn, 16, hält nichts von Pferden.

Nisse Lüneburg will Calle Cool noch ein oder zwei Jahre im Spitzensport einsetzen - wenn er fit und gesund bleibt. Heute will ihm sein Vater von der nächtlichen Fohlengeburt erzählen. Die gestern geborene Stute hat eine noble Abstammung. Ihr Vater ist Casall. Mit dem Hengst war der Weltranglistenerste Rolf-Göran Bengtsson aus Breitenburg oft siegreich.

"Vielleicht gewinnt ja Nisse oder Rasmus mit dem Fohlen irgendwann das Deutsche Derby", sagt Jan Lüneburg.