Heist. 57-Jähriger ist an Krebs erkrankt und hört deshalb Ende März auf. Was er den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung rät.

14 Jahre lang hat er die Geschicke zunächst der Amtsverwaltung Moorrege und seit 2017 des Amtes Geest und Marsch Südholstein geleitet. Jetzt geht Amtsdirektor Rainer Jürgensen mit 57 Jahren zum Ende des Monats März vorzeitig in den Ruhestand.

Der scheidende Verwaltungschef der mit rund 25.000 Einwohnern in zehn Dörfern größten Amtsverwaltung im Kreis Pinneberg, rät den politisch Verantwortlichen zu weiteren Verwaltungsreformen, Fusionen und Kooperationen. Anders sei der akute Fachkräftemangel in den Behörden nicht mehr zu beheben, warnt er.

Krebserkrankung: Amtsdirektor Rainer Jürgensen geht vorzeitig in Ruhestand

Die Arbeit an der Verwaltungsspitze habe ihm immer Spaß gemacht, erklärt der gebürtige Flensburger Jürgensen. „Das ist echt ein toller Job.“ Gerne wäre er weiter an der Spitze der Amtsverwaltung Geest und Marsch geblieben, die ja gerade erst vor einem Jahr mit ihren 120 Mitarbeitenden in die nagelneuen Räume von Moorrege nach Heist an die Wedeler Chaussee umgezogen ist.

Doch seine schwere Krebserkrankung habe ihn dazu veranlasst, seine berufliche Karriere vorzeitig zu beenden, um endlich mehr Freizeit für sich und seine Familie zu haben, erklärt Jürgensen.

Jürgensen ist seit 2017 Verwaltungsleiter des Amtes Geest und Marsch Südholstein

Viele Jahre hat der Amtsdirektor auf allen möglichen Hochzeiten getanzt: Er ist Kreisvorsitzender und landesweiter Vizepräsident des Gemeindetages, dem mehr als 1000 Gemeinden in Schleswig-Holstein angehören. Jürgensen sitzt dem Ausschuss für Europa des Deutschen Gemeindetages vor. Er gehört dem Fachbeirat der Fachhochschule Altenholz an, der Ausbildungsschmiede fast aller Verwaltungskräfte, die hierzulande Karriere machen wollen.

Der 57-Jährige, der mit seiner Familie in Moorrege wohnt, ist auch stellvertretender Vorsitzender des kommunalen Arbeitgeberverbandes und Mitglied im Kontrollrat der Metropolregion Hamburg.

Jürgensen reget Verwaltungsfusion mit den Elbmarschgemeinden an

Der Mann kennt sich also gut aus, gerade was die Verwaltungen kleinerer Gemeinden angeht. Nach seiner zwölfjährigen Bundeswehrzeit bei der Marine und den Stationen der Verwaltungen in Kellinghusen, Mölln und dem Amt Breitenfelde im Kreis Herzogtum Lauenburg kam er im Sommer 2009 als Leitender Verwaltungsbeamter zum Amt Moorrege, dem sich gerade die Gemeinde Appen angeschlossen hatte. Vor acht Jahren ist er hier Verwaltungsdirektor geworden.

Als die Gemeinden Haseldorf, Hetlingen und Haselau des Amtes Haseldorf nach zehn Jahren unzufrieden mit der Stadt Uetersen waren, die sie nach der Verwaltungsreform seit 2007 mitverwalteten, regte Jürgensen die Verwaltungsfusion mit den Elbmarschgemeinden an. Eine Amtsverwaltung würde die Interessen der kleineren Gemeinden viel besser vertreten als es eine Stadtverwaltung tun könnte, ist und war sein Credo.

Eine Amtsverwaltung ist „nicht mit Geld aufzuwiegen“

„Die Amtsverwaltung ist die klassische Verwaltung für die Dörfer“, ist Jürgensen überzeugt. „Wir ticken anders und denken in dörflichen Kategorien. Wir sind die Profis in der Betreuung der kommunalen Gremien.“

Zudem könnten die ehrenamtlichen Bürgermeister und Gemeindevertreter im Amtsausschuss mit seinen 28 Mitgliedern direkt Einfluss auf die Arbeit der Amtsverwaltung nehmen. Bei einer Stadtverwaltung sei das nicht der Fall. „Da haben die Gemeindevertreter null Einfluss auf die politischen Entscheidungen.“ Somit sei eine Amtsverwaltung „nicht mit Geld aufzuwiegen“, ist Jürgensen überzeugt.

Ein Meilenstein war des Bau des neuen Amtsgebäudes in Heist

Den neuen, etwas sperrigen Namen für das fusionierte Amt Geest und Marsch Südholstein schlug damals der inzwischen verstorbene Moorreger Gemeindevertreter und Kreistagsabgeordnete Helmuth Kruse vor, erinnert sich Jürgensen. Damit seien alle Vorschläge aus einem Ideenwettbewerb der Bürgerschaft gut zusammengefasst worden.

Als den zweiten „Meilenstein“ seiner Amtszeit neben der Ämterfusion wertet der scheidende Amtsdirektor den Bau des neuen Amtsgebäudes in Heist. Denn der Platz im alten Amtsgebäude in Moorrege reichte nach der Ämterfusion nicht mehr aus.

Immer mehr Gemeinden werden sich eine Verwaltung teilen müssen

So errichtete schließlich die Raiffeisenbank Elbmarsch das moderne Gebäude, in dem sie selbst eine Filiale unterhält. Das Amt Geest und Marsch habe die 3700 Quadratmeter Nutzfläche für zurzeit 380.000 Euro Jahresmiete für die nächsten 25 Jahre gemietet, erklärt Jürgensen den Deal. Sollte es nötig sein, könnten sogar zusätzliche Räume angebaut werden.

Doch damit rechne er eher nicht. Jürgensen ist fest davon überzeugt, dass der zunehmende Mangel an Fachkräften und der fehlende Nachwuchs in den öffentlichen Verwaltungen dazu führen werde, dass sich immer mehr Gemeinden eine gemeinsame Verwaltung teilen müssten.

Jürgensen: Fachkräfte mit Geld anlocken, funktioniert nicht ewig

„Die Frage der Zukunft wird lauten: Sollen wir zusammengehen oder sollen wir rigoros Aufgaben streichen?“ Wenn, wie sich abzeichne, bald 20 bis 30 Prozent der Stellen nicht mehr zu besetzen sein werden, bliebe den Gemeinden und Verwaltungen praktisch nichts mehr anderes übrig. Neue Fachkräfte mit immer mehr Geld zu locken oder von anderen Behörden abzuwerben, wie es derzeit geschehe, könne kein dauerhaftes Rezept sein. Der zu verteilende Kuchen werde ja nicht größer.

Ende März wird Jürgensen seinen Schreibtisch im zweiten Stock der Amtsverwaltung räumen. Sein Nachfolger steht mit dem bisherigen Büroleiter der Amtsverwaltung, Frank Wulff, bereits fest. Der sei in alle angeschobenen Projekte bereits gut eingearbeitet, sagt Jürgensen.

Krebserkrankung: Ende März räumt Jürgensen seinen Schreibtisch

Die Bürotüren habe der leidenschaftliche Schalke-Fan vorher schon in Blau anmalen lassen, schmunzelt Jürgensen. „Ich fahre erst einmal mit meiner Frau an die Ostsee“, sagt er und freut sich darauf, endlich mehr Zeit für seinen Enkel Sam zu haben. Ob er dann die ständigen Arbeitsanrufe auf seinem Handy vermissen wird, wie ihm seine Frau schon prophezeit hat, werde sich zeigen.

Amtsvorsteher Hans-Peter Lütje lobt seinen scheidenden Amtsdirektor, mit dem er von Anfang an eng zusammengearbeitet habe. „Rainer Jürgensen hat ein enormes Fachwissen und seine Arbeit sehr gut gemacht. Die Amtsgemeinden haben auch von seinen Super-Kontakten auf Landes- und Bundesebene profitiert.“ Es sei schade, dass er aufhöre. „Aber das ist seine persönliche Entscheidung.“