Kreis Pinneberg. Noch vor der offiziellen Entscheidung sickert durch, dass die Kreisstadt ihre Kontrahentin Elmshorn ausgestochen hat. Die Details.

Die Entscheidung ist gefallen. Die Kreisstadt Pinneberg, die seit 155 Jahren ein Krankenhaus unterhält, bleibt Klinikstandort. Am Ossenpadd im Norden der Kreisstadt soll das geplante Zentralklinikum mit bis zu 871 Betten gebaut werden, wovon 767 Planbetten und 104 tagesklinische Plätze sein werden.

Rund 500 Millionen Euro werden in den Neubau investiert, der bis zum Jahr 2032 die beiden jetzigen Kliniken in Pinneberg und Elmshorn ersetzen wird. Gut 300 Millionen Euro davon soll das Land übernehmen.

500-Millionen-Euro-Projekt: Pinneberg bekommt neue Zentralklinik

Die erweiterte Geschäftsführung der Regio Kliniken hat sich nach Informationen des Hamburger Abendblatts für das genannte, etwa 18 Hektar große Gelände am Westring nahe der Autobahnauffahrt Pinneberg-Nord entschieden.

160 Seiten lang sind mehrere Gutachten und Stellungnahmen, die sich alle eindeutig für diesen Standort aussprechen im Vergleich zum Rehmenfeld in Pinneberg und dem Elmshorner Vorschlag nahe der jetzigen Klinik an der Agnes-Karll-Allee.

Klinik in Pinneberg soll Patienten aus Hamburg zurückgewinnen

Für den Standort im Pinneberger Norden sprächen insbesondere die bessere Erreichbarkeit der Patienten durch den Rettungsdienst und der größere Einzugsbereich der Bevölkerung, weil im Süden des Kreises mehr Menschen leben als im Norden. Auch die Nähe zu Hamburg hat offenbar zu dieser Entscheidung beigetragen.

Wobei dabei sicherlich auch an die medizinischen Fach- und Pflegekräfte sowie die Ärzte gedacht wird, die wohl eher von einem Wohnort in Hamburg nach Pinneberg als nach Elmshorn zur Arbeit fahren würden, weil dies dichter dran ist.

Großklinikum: Mittwochabend wird der Hauptausschuss informiert

Die Überlegung der Geschäftsführung scheint dabei wohl zu sein, mit einem modernen, großen Klinikum in Pinneberg eher Patienten zurückgewinnen zu können, die jetzt bereits überwiegend nach Hamburg abgewandert sind, als dies mit Elmshorn der Fall wäre.

Die Elmshorner Bevölkerung würde im schweren Krankheitsfall eher nach Pinneberg ins Krankenhaus fahren als es umgekehrt die Pinneberger täten, ist wohl das entscheidende Argument für diese Entscheidung, die dem Hauptausschuss des Kreistages auf seiner heutigen Sitzung im Elmshorner Kreishaus mitgeteilt und erläutert wird.

Elmshorns Bürgermeister: „Wir hatten eine andere Strategie“

Für Elmshorns Bürgermeister Volker Hatje ist das ein „Totschlagargument“. Unter dem Gesichtspunkt der größeren Zahl an Menschen und möglichen Patienten „hatte Elmshorn von vornherein keine Chance“, sagt er enttäuscht. „Wir hatten eine andere Strategie.“

Die Elmshorner Klinik wäre genau in der Mitte der großen Kliniken zwischen Hamburg und Itzehoe errichtet worden. Ob die Elmshorner am Ende wirklich lieber in die Klinik nach Pinneberg als ein paar Kilometer weiter nach Altona oder ins Albertinen-Krankenhaus in Schnelsen fahren werden, müsse sich erst zeigen, so Hatje. Diese Strategie sei schon bei der Schließung der Geburtsklinik in Elmshorn nicht aufgegangen. Viele werdende Mütter orientierten sich heute nach Itzehoe oder Altona.

Pinnebergs Bürgermeisterin will sich noch nicht äußern

Seine Amtskollegin, Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg, möchte sich zurzeit noch nicht zum Erfolg ihrer Stadt äußern. Erst nachdem die Entscheidung am Mittwoch im Hauptausschuss offiziell bekannt gegeben wird, wolle sie dies tun.

Der Einfluss der Kreispolitiker auf diese Entscheidung ist gering. Zum einen hat der Kreis nur noch rund 25 Prozent der Gesellschaftsanteile an den Regio Kliniken. Fast 75 Prozent hält der Sana-Konzern. Zum anderen ist die Empfehlung der Gutachter eindeutig. Bei der Bewertung der etwa 160 Kriterien schneidet das Pinneberger Ossenpadd-Gelände mit 867 Punkten erheblich besser ab als das Rehmenfeld in Pinneberg mit 721 Punkten und Elmshorn mit nur 661 Punkten.

Regio Kliniken: 86,8 Prozent der Patienten kommen aus dem Kreis Pinneberg

Auffällig ist, dass die Gutachten der Regio Kliniken in ihrer Argumentation einem Gutachten folgen, das die Landesregierung bereits Ende 2020 von einem Berliner Institut auf 100 Seiten hatte ausarbeiten lassen. Demnach kamen 2019 86,8 Prozent der 32.867 stationären Patienten bei den Regio Kliniken aus dem Kreis Pinneberg. Die Hamburger Kliniken wiederum versorgten mit 31.871 Fällen eine fast ebenso große Zahl an Patienten aus dem Kreis Pinneberg, weil 49,2 Prozent der Kreis Pinneberger sich lieber dort stationär behandeln ließen, stellte das Gutachten fest.

Dieses Landesgutachten besagte auch, dass nach der Schließung des Krankenhauses Wedel, die 2020 erfolgt ist, nur noch 28 Prozent der etwa 3500 dortigen Patienten ins Krankenhaus nach Elmshorn oder Pinneberg führen, die allermeisten dagegen wanderten nach Hamburg ab. Diese Tendenz würden die aktuellen Gutachten bestätigen, heißt es.

Großklinikum: In puncto Erreichbarkeit liegt Pinneberg vorn

Bei der Frage der Erreichbarkeit der möglichen Klinikstandorte, die allein 40 Prozent der jetzigen Standortentscheidung ausmacht, sah das Landesgutachten auch bereits Pinneberg vorn. Die heutige Klinik dort sei für die Kreisbevölkerung im Durchschnitt innerhalb von 17,7 Minuten zu erreichen. Nach Elmshorn bräuchten sie demnach mit 19,3 Minuten knapp zwei Minuten länger.

So ergab sich bei der damaligen Analyse für den idealen Standort genau ein Bereich am Westring in Pinneberg. Dort in Höhe der Auffahrt Pinneberg-Nord, ganz in der Nähe des jetzt ausgewählten Areals am Ossenpadd, würde sich die geringste maximale Fahrzeit von 23,1 Minuten für die Patienten aus dem Kreis Pinneberg ergeben, hieß es in der Expertise von 2020.

Auch der Rettungsdienst favorisiert Pinneberg

Auch das neue Gutachten des Rettungsdienstes, das die umfangreichste Expertise für die Standortauswahl der Regio Kliniken sein soll, favorisiert eindeutig die Zentralklinik im Norden Pinnebergs. Dieser Standort würde für die sieben Rettungswachen im Kreis Pinneberg am schnellsten zu erreichen sein, errechneten die Fachleute.

In einem Punkt schlägt Elmshorn die beiden Pinneberger Grundstücke relativ deutlich. Nur 1376 Menschen aus dem Kreis Pinneberg würden bei einer Elmshorner Zentralklinik eine Klinik nicht innerhalb von 30 Minuten erreichen können. Am Ossenpadd in Pinneberg wären es 1687 Patienten, die länger dorthin bräuchten, am Rehmenfeld sogar 5486. Ob das aber die Standortentscheidung für Pinneberg noch erschüttern kann, glaubt niemand.

Elmshorns Politiker sind sehr enttäuscht

Die Elmshorner Politik zeigt sich schwer enttäuscht. „Damit verliert die sechstgrößte Stadt des Landes Schleswig-Holstein nicht nur ihr Krankenhaus, sondern der nördliche Teil des Kreises Pinneberg hat künftig einen deutlich schwierigeren Zugang zu einer leistungsfähigen Gesundheitsversorgung“, klagt SPD-Sprecher Thorsten Mann-Raudies.

Die Regio Kliniken folgen den strategisch-unternehmerischen Prämissen des Sana-Konzerns. „Wieder einmal gehen Profitinteressen vor, das Wohl der Menschen ist zweitrangig. Sozialpolitische Erwägungen fehlen komplett. Das ist bitter.“

Pinneberg bekommt Zentralklinik, Elmshorn will nun ein MVZ

Und Annina Semmelhaack (FDP, Elmshorn) sagt: „Die Abwanderung ist für uns ein herber Schlag.“ Die Liberalen fordern nun, dass die gesundheitliche Versorgung der Elmshorner Bevölkerung neu aufgestellt werden müsse. „Wir werden uns daher für eine sofortige Umsetzung eines neuen, zentralen Medizinischen Versorgungszentrums mit vielen Fachärzten, einer durchgehend geöffneten Anlaufpraxis und ein einem Geburtshaus einsetzen.“