Kreis Pinneberg. In Hamburg sorgt die neue Schreibweise für hitzige Debatten. Doch wie gehen Städte und Orte im Kreis Pinneberg eigentlich damit um?

Der Krieg der Sternchen – er ist noch nicht vorbei. Die Gendersprache inklusive des Gendersterns erhitzt nach wie vor die Gemüter. Uneinigkeit herrscht vielerorts über die korrekte Ansprache: Liebe Bürger*innen? Oder lieber: Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger? Oder einfach: Liebe Bürger?

Die Frage, wer wie angesprochen wird, ist komplizierter geworden. Während in Hamburg eine Volksinitiative das Gendern in Schulen und Behörden verbieten will und dafür aktuell 10.000 Unterschriften sammelt, ist eine ähnliche Initiative im Kreis Pinneberg im Jahr 2021 bereits politisch abgelehnt worden.

Gendern: Krieg der Sternchen – welche Orte im Kreis Pinneberg wie gendern

Unterdessen hat der Genderstern Einzug ins öffentliche Leben und die kommunalen Verwaltungen gehalten, eine Pflicht oder eine Verordnung, wie gern behauptet, gibt es aber nirgends.

Eine geschlechtersensible Sprache wird meistens „erlaubt“ oder „empfohlen“ – mehr nicht. Dennoch scheiden sich am Genderstern die Geister. Grund genug, im Kreis Pinneberg nachzufragen. Wie halten es Städte und Gemeinden mit dem Genderstern?

Kreisverwaltung Pinneberg setzt auch auf den Genderstern

In der Kreisverwaltung wird nach außen – etwa in Behördenschreiben, Formularen oder Mitteilungen – genderneutral oder mit dem sogenannten Genderstern kommuniziert, sagt Pinneberg Kreissprecherin Katja Wohlers. „In der Kommunikation nach außen nutzen wir – wann immer es geht – seit September 2019 neutrale Formulierungen oder den Genderstern.“

Pinnebergs Landrätin Elfi Heesch möchte vor allem, dass alle Menschen verstehen, was die Kreisverwaltung sagt. Deshalb hat sie einen Arbeitskreis Sprache ins Leben gerufen.
Pinnebergs Landrätin Elfi Heesch möchte vor allem, dass alle Menschen verstehen, was die Kreisverwaltung sagt. Deshalb hat sie einen Arbeitskreis Sprache ins Leben gerufen. © HA | Karoline Wolf

In Ausnahmefällen werde auch auf die binäre Form, also etwa die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder die Studentinnen und Studenten, zurückgegriffen. Die verkürzte Form davon ist das sogenannte Binnen-I, beispielsweise bei der/die MitarbeiterIn.

„Es gibt dazu allerdings keine Dienstvereinbarung“, sagt Wohlers weiter. „Den Beschäftigten der Kreisverwaltung ist es also durchaus möglich, zielgerichtet für den jeweiligen Empfänger*innenkreis zu kommunizieren.“

Innerhalb der Kreisverwaltung werden ebenfalls die neutralen Formulierungen und der Genderstern benutzt – zum Beispiel in Newslettern oder im Intranet. „Die interne Kommunikation unter Kolleg*innen, beispielsweise innerhalb eines Teams oder eines Arbeitskreises, bleibt respektvoll, freundlich und spricht alle Menschen im Empfänger*innenkreis an“, so Wohlers. Andere Vorgaben gebe es nicht.

Gendern: Kreisverwaltung legt Wert auf inklusive Sprache

Grundsätzlich lege die Pinneberger Kreisverwaltung im Kreishaus Elmshorn Wert auf eine möglichst inklusive Sprache. Dies gelte für Menschen aller Geschlechter, für sprach- und höreingeschränkte Menschen und für Menschen, die Deutsch als Zweitsprache sprechen. „Kurz: für alle Menschen, die im Kreis Pinneberg leben“, sagt Wohlers.

Deshalb habe Landrätin Elfi Heesch auch den verwaltungsinternen Arbeitskreis Sprache ins Leben gerufen. Ziel sei, die Kommunikation der Kreisverwaltung so zu gestalten, dass alle Menschen die Informationen, etwa auf der Website oder in Einladungen und Formularen verstehen.

Wedel hat Leitfaden zum Gendern entwickelt

In Wedel wird den Mitarbeitern im Rathaus Wedel beim Thema Gendern ein Schriftwerk zur Orientierung an die Hand gegeben. Bürgermeister Gernot Kaser sagt: „Die Stadt Wedel verfügt seit September 2020 über einen aktualisierten Leitfaden, der maßgeblich zusammen mit der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt, Magdalena Drexel, entwickelt wurde.“

Gernot Kaser ist seit Mai 2022 Bürgermeister in Wedel. Das Thema gendergerechte Sprache ist bereits länger Thema im Rathaus. 
Gernot Kaser ist seit Mai 2022 Bürgermeister in Wedel. Das Thema gendergerechte Sprache ist bereits länger Thema im Rathaus.  © Frederik Büll

Der „Leitfaden 2020 – Gendergerechte Sprache bei der Stadt Wedel“ sei „jedoch kein starres Regelwerk an Vorgaben. Es geht vor allem darum, dass Mitarbeitende der Stadt Wedel bewusst die Diversität – dazu gehört auch die dritte Geschlechtsoption – von Menschen bei der Erstellung von Texten oder Veröffentlichungen mitdenken und zeigen“, so der Verwaltungsleiter.

Dieser Leitfaden solle helfen, „Stereotype und Klischees zu umgehen. Wie das sprachlich umgesetzt werden kann, dafür zeigt der Leitfaden gleich eine ganze Reihe von Möglichkeiten auf. Zu diesen gehört das Gendersternchen genauso wie geschlechterneutrale Formulierungen wie „Fachkraft“ anstatt „Fachmann“ und andere Möglichkeiten wie die Verwendung von Pluralformen“, zählt Kaser auf.

Wedel: Mitarbeiter sollen geschlechtergerecht formulieren

Es gebe zwar nicht die Verpflichtung, „eine bestimmte Form zu verwenden, dass aber grundsätzlich geschlechtergerecht formuliert wird, ist schon eine Vorgabe“, sagt er. Im Vorwort des Leitfadens heißt es deshalb: „Wir möchten Ihnen einen übersichtlichen Wegweiser an die Hand geben und Sie zu einem kreativen Umgang mit geschlechtergerechter Sprache ermuntern.“

Die Regelung habe sich die Verwaltung der Stadt Wedel „entsprechend einer Dienstanweisung aus dem Jahr 2015 selbst gegeben“. In dieser Dienstanweisung wurde die Verwendung der weiblichen und männlichen Form verpflichtend festgelegt – „auch da waren schon die Möglichkeiten zur geschlechtsneutralen Sprache vorgesehen“, so der Bürgermeister. „Mit der letzten Überarbeitung des Leitfadens ist der Genderstern dazugekommen – als Reaktion auf die gesellschaftlichen Entwicklungen und der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zur ‘dritten Option’ vom Oktober 2017“.

Pinneberg: In der Verwaltung gibt es keine Gender-Richtlinien

Urte Steinberg ist Bürgermeisterin in Pinneberg.
Urte Steinberg ist Bürgermeisterin in Pinneberg. © Anne Dewitz

Die Stadt Pinneberg hat keine eigenen Richtlinien zum Gendern erarbeitet. „Die Verwaltung orientiert sich auf Empfehlung der städtischen Gleichstellungsbeauftragten an der Empfehlung der Landesarbeitsgemeinschaft der hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten in Schleswig-Holstein“, teilt Stadtsprecher Marco Bröcker mit. Eine gesetzliche Regelung für die Verwendung gebe es nicht.

Elmshorn: „Wildwüchse“ sollen verhindert werden

Bürgermeister Volker Hatje aus Elmshorn.
Bürgermeister Volker Hatje aus Elmshorn. © Marie Birmanns

„Wir haben unter der Federführung unserer Gleichstellungsbeauftragten seit einigen Jahren einen Leitfaden für die geschlechterneutrale Sprache entwickelt, die allen Mitarbeitenden zu Verfügung gestellt wurde“, sagt Volker Hatje, Bürgermeister in Elmshorn. „Sie ist nicht verpflichtend, sondern soll Anregungen und Hinweise zu dieser Thematik geben, gleichzeitig aber auch ‘Wildwüchse’ verhindern.“

Ansonsten habe dieses Thema innerhalb der Stadtverwaltung nicht die Bedeutung wie es gerade in den Medien diskutiert werde, bemerkt Hatje süffisant.

Schenefeld: Gesunder Menschenverstand ist wichtig

Schenefelds Bürgermeisterin Christiane Küchenhof.
Schenefelds Bürgermeisterin Christiane Küchenhof. © Arne Kolarczyk

Bei der Stadt Schenefeld sollen die Mitarbeiter alle Schreiben so abfassen, dass sie dem Adressaten verständlich sind. Sie müssen kurz, aber vollständig sowie klar und höflich gehalten sein. Es wird versucht, möglichst „neutral“ zu formulieren, zum Beispiel heißt es „wahlberechtigte Person“. Ist eine neutrale Formulierung nicht möglich, dann wird auf eine Formulierung wie etwa Bürgerinnen und Bürger zurückgegriffen.

„Das funktioniert reibungslos“, sagt der Büroleitende Beamte Melf Kayser. Die Mitarbeiter würden über genügend gesunden Menschenverstand verfügen, diese Aufgabe – abhängig vom Adressaten – so umzusetzen. „Wenn wir beispielsweise Schreiben an ausländische Mitbürger abfassen, macht es keinen Sinn, sie mit Gendersternen zu verwirren“, nennt Kayser ein Beispiel für diese Regelung.

Tornesch: Gleichstellungsbeauftragte erarbeitet Vorschläge

Torneschs Bürgermeisterin Sabine Kählert.
Torneschs Bürgermeisterin Sabine Kählert. © Anne Dewitz

Die Stadt Tornesch hat keine Regelungen zur Nutzung von gendergerechter Sprache, heißt es aus dem Rathaus. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt soll aber Vorschläge erarbeiten, die dann politisch abgestimmt würden. Dies sei aktuell noch in der Vorbereitung.

Quickborn gendert mit weiblichen und männlichen Formen

Quickborns Bürgermeister Thomas Beckmann.
Quickborns Bürgermeister Thomas Beckmann. © Burkhard Fuchs

Auch in der Quickborner Verwaltung gibt es keinerlei Vorgaben, wie die dortigen städtischen Bediensteten mit dem Gendern umgehen sollen, erklärt Sonja Eberlei, Vorsitzende des Personalrats.

Meist würden aber die männliche und weibliche Form von Ausdrücken direkt hintereinander verwendet, also Bürgerinnen und Bürger oder Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in offiziellen Verlautbarungen formuliert und geschrieben.

Gendern in Halstenbek: Neutrale Begriffe bevorzugt

Jan Krohn ist neuer Bürgermeister in Halstenbek.
Jan Krohn ist neuer Bürgermeister in Halstenbek. © HA

Der Umgang mit dem Gendern ist im Wesentlichen den Mitarbeitern selbst überlassen. Wie der neue Bürgermeister Jan Krohn auf Anfrage mitteilt, besteht die Mindestanforderung darin, Frauen und Männer gleichermaßen zu benennen, wenn sie gemeint sind.

Dies könne gemäß der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) grammatikalisch korrekt erfolgen durch „Bürgerinnen und Bürger“, „Schülerinnen/Schüler“ oder „Bewerber/-innen“. Bevorzugt werden neutrale Begriffe wie „Schulleitung“, Studierende oder „Erziehungsberechtigte“.

Barmstedt: Niemand soll ausgegrenzt werden

Barmstedts Bürgermeisterin Heike Döpke.
Barmstedts Bürgermeisterin Heike Döpke. © Burkhard Fuchs

In der Stadtverwaltung Barmstedt gibt es seit etwa einem Jahr eine Sprachregelung zum Gendern, erklärt Stadtsprecher Marcel Holz. „Wir versuchen, alle Geschlechter anzusprechen, ohne Sternchen zu benutzen.“

Wenn es passt, sollten auch neutrale Ausdrücke wie Mitarbeitende oder Fachbereichsleitung verwendet werden. „Wir wollen in unseren Amtsschreiben niemanden ausgrenzen“, betont Holz.