Kreis Pinneberg

Die Rettung eines verloren geglaubten Wedeler Prachtstücks

| Lesedauer: 7 Minuten
Hans Schultz gehört die Baufirma HS Bau. Er hat das alte Gebäude kernsaniert, in dem seine Tochter Alina nun wohnt.

Hans Schultz gehört die Baufirma HS Bau. Er hat das alte Gebäude kernsaniert, in dem seine Tochter Alina nun wohnt.

Foto: Laura Kosanke

Das stadtprägende Gebäude an der Pinneberger Straße drohte zu verfallen. Jetzt erstrahlt es neu – und alt.

Wedel.  Eine Außenfassade in dreckigem Altrosa, nasse Holzbalken und ein feuchter Kellerraum – das Gebäude an der Pinneberger Straße mit der Hausnummer 2 ist über Jahre verfallen. An den maroden Zustand erinnert heute nur noch die schiefe Frontseite – ein Andenken daran, dass ein Teil der Ruine vor Jahren abgerutscht ist und einen langen Riss in der Wand hinterlassen hat.

Das Haus aus dem Jahr 1896 erstrahlt nach dreijähriger Kernsanierung in Pastellblau und Weiß. Es bietet Platz für vier Mietparteien. Für Wedel ist damit ein verloren geglaubtes Haus gerettet.

Kernsanierung: Einzugstermin wurde dreimal verschoben

Alina Schultz (24) war an den Arbeiten beteiligt und wohnt seit kurzem mit ihrem Freund in einer der beiden Loftwohnungen. Sie ist die Tochter des Hauseigentümers und Bauherrn Hans Schultz (56). In dem Familienunternehmen arbeitet sie als Kundenbetreuerin.

„Das ist eine traumhafte Wohnung. Wir fühlen uns hier wohl“, sagt sie. Lange hat sie auf den Tag des Umzugs hingefiebert. Bauarbeiten haben den Einzugstermin dreimal verzögert. „Es kamen immer wieder Dinge dazu, das war nervenaufreibend, aber nun sieht die Wohnung genau so aus, wie wir sie uns vorgestellt haben“, sagt die Bewohnerin. Ihr zufolge trifft das Haus nicht nur ihren Geschmack, sondern auch den der Nachbarn und Stadtbewohner. „Viele schauen durch die Fenster rein – vor allem Alt-Wedeler. Die Leute kennen das Haus und freuen sich, wie schön es aussieht.“

Dieser Zuspruch war nicht immer gegeben. Alina Schultz sagt, manche Wedeler haben angenommen, die Familie würde das Haus absichtlich verkommen lassen, um ein neues zu bauen. Sie argumentierten, es sei schon 2015 an Familie Schultz verkauft worden, die Bauarbeiten starteten 2017. Außerdem wurde als Scheinbeweis ein Foto von einem Wasserschaden in sozialen Medien gepostet. Dabei sei während der Bauarbeiten nur eine Leitung geplatzt. Weil der Keller vollgelaufen war und die Feuchtigkeit in den Wänden steckte, wurde er mit einer Betonsohle zugeschüttet.

Dachstuhl und drei der vier Außenwände blieben

Vater Hans Schultz ist gelernter Maurer. Ihm war wichtig, das Haus in seinen Grundzügen zu erhalten. Er kennt das Gebäude aus Kindertagen, weiß, dass es als Schmiede und Feinmechanikwerkstatt diente. Er kennt auch die Alteigentümer, ist selbst gebürtiger Wedeler. Häuser wie dieses faszinieren ihn. Er sagt: „Solche Gebäude sind mit mehr Liebe zum Detail und aufwändiger gebaut worden. Sie sehen schöner aus als Häuser mit einer einfachen Putzfassade.“ Auch deshalb ließ er den Dachstuhl und drei der vier Außenwände stehen – auf diese Weise blieb die Fassade zur Straßenseite „wie ein Bilderrahmen“ stehen. Von innen zog er neue Wände hoch. Für die Statik sei das nötig gewesen. „In das alte Gebäude haben wir ein neues gemauert“, sagt er.

Der Bauherr wollte noch mehr verändern: Die mittlere Wand hätte er gerne ein Stück nach hinten geschoben. Das Haus sollte dadurch energetischer werden. Doch die Baubehörde lehnte den Antrag ab, wollte die vordere Außenwand an ihrem alten Platz wissen. Das Resultat: „Wir haben jetzt einen höheren Energieverbrauch, weil wir nicht gut isolieren konnten“, sagt Schultz. Auch deshalb hat er neue Fenster eingebaut. Die alten wechselte Schultz mit neuen Sprossenfenstern aus. Diese ähneln dem Stil der ganz alten Holzfenster, sagt er.

Das Haus strahlt von außen im alten Kleid. Von innen sieht das anders aus: In den Wohnungsdecken stecken sogenannte „Downlights“. Das sind kleine Strahler, die senkrecht auf die neuen Holzdielen leuchten. Die Lofts dienen als Maisonette-Wohnungen. Oben befindet sich je ein Schlafzimmer, unten eine große Ess- und Wohnfläche, die von hohen weißen Wänden gesäumt sind. Die Wohnungen im Erdgeschoss haben auch hohe Decken und sind außerdem barrierefrei. Oben geht das nicht, weil es keinen Aufzug gibt. Stattdessen führt eine metallische Treppe in den ersten Stock. Für all diese Arbeiten hat Familie Schultz einen siebenstelligen Betrag bezahlt. Die genaue Summe bleibt geheim.

Den Grünen geht der Schutz nicht weit genug

Weil die Wedeler auf ihre stadtbildprägenden Altbauten stolz sind, setzt sich Olaf Wuttke für die alte Bausubstanz ein. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen sagt: „Ich finde es wichtig für das Gesicht der Stadt, die historischen Reste zu erhalten. Wedel hat davon nicht viele.“ Darum hat er sich auch für das Haus an der Pinneberger Straße 2 stark gemacht: Als er 2017 von den Bauplänen erfuhr, fragte er die zuständige Denkmalbehörde, ob das Haus geschützt werden muss. Doch über die Jahrzehnte sei es baulich schon verändert worden. Insofern, so Wuttke, war ein Antrag auf Denkmalschutz nur noch wenig vielversprechend.

Doch für den Bereich an der Pinneberger Straße, in dem auch das Haus steht, existiert seit 1987 eine Erhaltungssatzung. Sie soll Gebäude mit städtebaulicher Bedeutung schützen, dazu zählt die „kleinteilige Baustruktur mit ein- bis zweigeschossiger Bebauung im ortstypisch ländlichen Heimatstil … beziehungsweise die um die Jahrhundertwende vorherrschenden Stilrichtungen“. Bauanträge dürfen nur in diesem Rahmen genehmigt werden, so auch der von Familie Schulz. Sie durfte das Gebäude unter Auflagen erneuern: Giebel und Vorderseite sollten bleiben – innen wurde kernsaniert.

Mit dem Ergebnis ist Politiker Wuttke nicht unzufrieden. Er räumt ein, dass der Bauherr „einen Anblick erhalten hat, den die Menschen seit langer Zeit gewohnt sind.“ Zugleich bemängelt er aber, dass vom alten Haus zu wenig erhalten wurde. „Da steht nur noch die Fassade. Der Rest wurde ausgehöhlt“, sagt der Grünen-Chef. Die Fassade wurde auch verändert, denn bereits modernisierte Fenster sind noch moderneren gewichen. Sie ähneln dem Sprossenstil der ursprünglichen Modelle. Die Fensterkreuze seien dem Politiker aber zu schmal, entsprechen nach seinen Vorstellungen dem alten Stil nur entfernt.

Wäre Wuttke auch Chef der Wedeler Baubehörde, würde er sich strikter am Ursprungszustand orientieren und Baudetails erhalten. Es ärgere ihn, dass die Beamten „die Erhaltungssatzung sehr stiefmütterlich behandeln oder freizügig interpretieren.“ Frei nach dem Motto: „Wenn etwas ähnliches kommt, kann der alte Schotter weg“, sagt Wuttke. In der Rolandstraße 11 etwa habe der Erhalt besser geklappt.

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