Elbvertiefung

Wedel hat jetzt einen eigenen Alten Schweden

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Joana Ekrutt
Elbe: Der Findling von Wedel

Elbe: Der Findling von Wedel

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60 Tonnen schwerer Findling ist bei den Arbeiten zur Elbvertiefung entdeckt worden. Er liegt seit mindestens 130.000 Jahren im Norden.

Wedel. Ein riesiger Schwimmkran ragt am Schulauer Strand in den wolkenverhangenen Februarhimmel. Das schwere Metall ächzt und quietscht im peitschenden Wind. Rund 60 Tonnen trägt die gigantische Schaufel, die sich langsam dem Strand nähert. Rundherum hat sich eine fotografierende Menschentraube gebildet. Sie alle wollen dem besonderen Moment beiwohnen, in dem die Stadt ihr vielleicht neues Wahrzeichen erhält. Denn: Bei Arbeiten zur Fahrrinnenanpassung ist in der Elbe vor Wedel ein großer Findling entdeckt worden.

Rumpelnd lässt die Schaufel ihr historisches Gut schließlich in den Sand plumpsen. Aufrecht bleibt der gewaltige Stein, der einen Durchmesser von ungefähr vier Metern hat, an der Uferkante stehen.

Weg krieg den Stein keiner mehr

Vor Weihnachten sei der Findling der Stadt von dem für die Arbeiten zuständigen Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Hamburg als Naturdenkmal angeboten worden, sagt Sven Kamin, Sprecher der Stadt Wedel. „Es gab zunächst eine Abstimmungsrunde mit den politischen Gremien.“ Die Entscheidung, den Felsbrocken am Strand aufzustellen, dürfte nämlich eine langfristige sein. „Der Bauhof kriegt den jedenfalls nicht wieder weg“, scherzt Kamin. Warum auch? „Es könnte das kleine neue Wahrzeichen von Wedel werden.“

Für Holger Junker, den neuen Leiter des Wedeler Stadtmuseums, ist die Ablage des Findlings ebenfalls ein besonderer Moment. „Ich vermute, dass er aus der vorletzten Eiszeit stammt und Gletscher aus Skandinavien ihn hertransportiert haben.“ Eine Begründung hat der Museumsleiter ebenfalls parat: „In der letzten Eiszeit ist das Eis nicht so weit vorgedrungen.“ Auf der Höhe von Ahrensburg sei Schluss gewesen.

Stein kommt wohl aus der Saale-Riß-Kaltzeit

Aus welchem skandinavischen Land sich Wedels neuer Findling einst auf die Reise gemacht hat, müsse jedoch erst noch untersucht werden. Auch die Gesteinsart sei noch nicht abschließend bestimmt. „Ich tippe auf Granit“, sagt Archäologe Junker. Ob das stimmt, müsse jedoch ein Geologe untersuchen. Dieser könne auch das Alter des Steins bestimmen.

Bei der vorletzten Eiszeit handelt es sich um die sogenannte Saale-Riß-Kaltzeit. „Also kam der Stein vor mindestens 130.000 Jahren zu uns nach Norddeutschland“, sagt Junker. Die Namen der einzelnen Kaltzeiten rühren dabei von den heutigen Flüssen her, bis zu denen sich das Eis jeweils ausgebreitet hatte.

Furchen, Risse und unterschiedliche Färbungen kennzeichnen die Oberfläche des Findlings. „Diese Abplatzungen sind dadurch entstanden, dass im Gletscher Sand und anderes Gestein stetig vorwärts geschoben wurden“, weiß Junker. Vergleichbar etwa mit einem Hobel, der über die Landschaft strich. „Für den Gletscher war das ein Kieselstein.“ Der Fund mache einmal mehr deutlich, wie stark die eiszeitlichen Gletscher in die norddeutsche Landschaftsentstehung eingegriffen haben. So seien auch die Harburger Berge im Zuge der vorletzten Eiszeit entstanden.

Echter Alter Schwede wurde 1999 gefunden

Gefunden wurde der Stein aus der Eiszeit bei ganz normalen Baggerarbeiten im Zuge der Elbvertiefung. Anfangs sei das Gewicht sogar auf 150 Tonnen geschätzt worden, sagt Stadtsprecher Kamin. Der Fund in Wedel lässt Parallelen zum Alten Schweden, dem 1999 ebenfalls bei Baggerarbeiten für die Vertiefung der Fahrrinne im Flussbett der Elbe gefundenen Felsbrocken, erkennen. Dieser steht seither als Naturdenkmal am Övelgönner Elbstrand in Hamburg.

Die Entdeckung war seinerzeit eine geologische Sensation, denn beim Alten Schweden, wie er Jahre später getauft wurde, handelt es sich um Deutschlands ältesten Großfindling. Das überregional bedeutende Geotop, das 2001 unter Schutz gestellt wurde, ist 4,5 Meter hoch und hat ein Gewicht von 217 Tonnen – rund dreieinhalbmal so viel wie der kleine Bruder in Wedel. Anfang 2019 geriet der Alte Schwede in die weil Unbekannte den Gesteinsbrocken goldfarben angemalt hatten. Da der Findling auch vorher schon mit Graffiti besprüht worden sei, entschied sich die Hafenbehörde dazu, ihn mit einer Spezialversiegelung zu überziehen.

In Wedel müssen zunächst andere Dinge geklärt werden. Zum Beispiel, ob der Findling aufrecht stehen bleiben kann oder aus Sicherheitsgründen gekippt werden muss. Zudem sei eine Namensbenennung im Gespräch, sagt Stadtsprecher Kamin. Auch museumspädagogische Angebote seien denkbar. „Der Findling verbindet Wedel mit seiner prähistorischen Geschichte“, sagt Museumsleiter Junker. Zunächst zähle jedoch etwas viel Pragmatischeres, weiß Kamin: „Wir haben jetzt erst mal einen Stein und freuen uns, dass er da ist.“

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