Kürzlich habe ich die erste Seilbahn der Welt besucht, die nicht touristischen oder wintersportlichen Zwecken, sondern tatsächlich dem öffentlichen Verkehr dient: Medellín in Kolumbien hat bereits seit 2004 Seilbahnlinien, von denen es heute vier verschiedene in der Stadt gibt. Andere Städte und Länder der Region haben sich von dem Erfolg des „Metrocables“ in Medellín inspirieren lassen. In Bogotá, Caracas, Mexiko-Stadt, La Paz und weiteren Städten gondeln die Pendler jetzt durch die Luft.
Als Hamburgerin und Stadtplanerin habe ich ein besonderes Interesse an der Idee, eine Seilbahn zwischen Elmshorn und Hamburg-Nord zu bauen. Die folgenden Lektionen lassen sich von lateinamerikanischen Ländern ableiten.
Die Entlastung des öffentlichen Verkehrs: Als zusätzliches Verkehrsmittel, das mithilfe von Solarzellen sogar erneuerbare Energie nutzen kann, stellt eine Seilbahn eine attraktive Alternativ dar. Wichtig ist, dass die Fahrt nicht mehr kostet als eine S-Bahn- oder Zugfahrt. Pro Kabine können acht bis zehn Personen sitzend mitreisen. Statt im Stau zu stehen oder sich in eine überfüllte S-Bahn zu quetschen, ist es in einer Seilbahn möglich, entspannt nach Hause zu kommen. Zu Stoßzeiten bedeutet dies eine Zeitersparnis. Darüber hinaus handelt es sich um ein sehr angenehmes Fortbewegungsmittel.
Taschendiebe haben es in der Seilbahn ungleich schwerer als im Zug oder in der S-Bahn. Auch technisch gesehen gehören Seilbahnen zu den sichersten Transportmitteln, und Risiken, die in Lateinamerika bestehen – zum Beispiel Erdbeben oder Stromausfälle –, sind in Hamburg zum Glück nicht bekannt.
Hinzu kommt: Eine Seilbahn ist nicht nur eine Investition in den Nahverkehr, sondern auch in den Tourismus. Städte wie Elmshorn oder Pinneberg hätten dank Seilbahnstation eine neue Attraktion, und rund um die Haltestelle könnten neue Geschäfte und gastronomische Einrichtungen entstehen. In Lateinamerika gehört meistens auch ein „Upgrading“ durch Wandgemälde und Street Art entlang der Linie zur Investition.
Zu Stoßzeiten könnte die Seilbahn Entlastung bringen
In Lateinamerika dienen die Seilbahnen dazu, ärmere Randbezirke, die sich meistens in einer bergigen Region befinden, an den öffentlichen Nahverkehr anzubinden. Beispiele wie die Entwicklung des Randbezirkes Comuna 13 in Medellín, die seit 2008 aufgrund der Seilbahnverbindung deutliche Verbesserungen der wirtschaftlichen Situation aufweisen kann, zeigen, dass es auch darum geht, geografische und mentale Grenzen abzubauen und neue ökonomische Möglichkeiten zu schaffen.
Zwar handelt es sich bei Pinneberg und Elmshorn nicht um ärmere Randbezirke, aber die Möglichkeit, auch zur Stoßzeit nach Hamburg zu kommen, würde Pendler entlasten und die Barriere, in Hamburg zu arbeiten, reduzieren. Auch aus einem praktischen Gesichtspunkt bietet sich die Strecke an, denn wenn die Seilbahn entlang der Autobahn verläuft, muss keine neue Schneise geschlagen werden. Wo in Lateinamerika für den Bau von Seilbahnen ganze Familien umgesiedelt wurden, ist im Norden Hamburgs bereits Platz für das Projekt.
Doch das Hauptziel einer Seilbahn für den öffentlichen Verkehr – die Entlastung anderer Verkehrsmittel und die schnellere Reisezeit – wären auf der Strecke Hamburg-Pinneberg identisch. Selbst bei einer gleichen Reisezeit ist es in einer Seilbahngondel möglich, dank WLAN und ausreichend Platz während der Fahrt zu arbeiten oder zu telefonieren. Letztendlich liegt es an den Bürgern, wie sie sich entscheiden. Aus meiner Sicht als Stadtplanerin ist es jedoch höchste Zeit, in Alternativen zur Fahrt mit dem Auto zu investieren. Statt einer Linie wäre es auch möglich, ab Hamburg sternförmig mehrere Seilbahnlinien zu planen, um mehr Kapazität zu bieten. Dann spricht nichts mehr gegen den Transport in der Luft auch in Hamburg!
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