Autobahn ist laut einem Verkehrsgutachten stark überlastet. Freigabe der Standstreifen wäre frühestens 2021 möglich

Kreis Pinneberg. Die vielen Tausend Pendler, die jeden Tag mit dem Auto über die Autobahn23 zur Arbeit nach Hamburg fahren und dabei oft im Stau steckenbleiben, müssen sich noch ein paar Jahre gedulden. Kurzfristig wird sich an der Verkehrssituation vor allem morgens nach Hamburg nichts ändern, sagte Torsten Conradt vom Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) am Dienstag bei der Vorstellung eines Verkehrsgutachtens.

Dieses hatte der LBV 2010 in Auftrag gegeben, um die Verkehrsbelastung zwischen Pinneberg-Nord und dem Autobahndreieck Nordwest zu analysieren und verschiedene Varianten der Beeinflussung zu untersuchen. Fazit: Die einzige Maßnahme, die eine merkliche Entlastung brächte, kann frühestens in sechs Jahren umgesetzt werden. Das wäre die Freigabe der Standstreifen für den fließenden Verkehr, wie dies bei hoher Belastung seit Jahren auf der A7 zwischen Schnelsen-Nord und Bordesholm praktiziert wird.

Schon heute hat die A23 frühmorgens zwischen Pinneberg-Nord und Eidelstedt ihre Kapazitätsgrenze überschritten, so das Ingenieurbüro BDC Dorsch. In Höhe der Anschlussstelle Krupunder wurden bereits 2010 jeden Morgen 4200 Fahrzeuge pro Stunde in Richtung Hamburg gemessen. Das sind 200 Fahrzeuge mehr, als die beiden Fahrbahnen eigentlich aufnehmen können. Dies führt dazu, dass der Abstand zwischen Stoßstange und Stoßstange auf nur noch 25 Meter auf den Überholstreifen und auf 30 Meter auf dem Hauptverkehrsstreifen sinkt. Dies zwingt die Autofahrer zu Geschwindigkeiten von 77 bis 94 Kilometer pro Stunde – weit unter der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von Tempo 100.

Dieses alltägliche Verkehrsaufkommen gehe eindeutig zu Lasten der Verkehrssicherheit, heißt es in dem Gutachten. „Dass es dennoch keine Unfallhäufung gibt, ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Berufspendler die Situation kennen und sich täglich darauf einstellen.“ Bei einer plötzlichen Vollbremsung auf der Überholspur wäre es allerdings für den dahinter fahrenden Autofahrer so gut wie unmöglich, noch eine Kollision zu vermeiden. Denn allein der Reaktionsweg von 25 Metern bei Tempo80 würde den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug auf Null reduzieren.

Und der Verkehr nimmt weiter zu. Bis 2025 werde er um durchschnittlich 17,4 Prozent steigen, prognostizieren die Gutachter. In Höhe Krupunder, wo derzeit 78.000 Fahrzeuge am Tag entlangfahren, werden sich demnach frühmorgens bis zu 5630 Fahrzeuge pro Stunde in Richtung Hamburg drängeln. Das sind 94 Autos pro Minute. In der Gegenrichtung steige die Verkehrsbelastung bis 2025 am Nachmittag auf 4000 Fahrzeuge Höhe Halstenbek und 3600 Fahrzeuge in Pinneberg-Nord.

Als mögliche Lösungen haben die Verkehrsplaner verschiedene Varianten untersucht. Für eine ist es bereits zu spät: Ein erzwungenes Limit auf Tempo60, das elektronische Hinweisschilder vorgäben, entlaste den Verkehr nicht mehr. Die Leistungsfähigkeit in Richtung Hamburg wäre immer noch überschritten. Selbst in Richtung Heide würde damit die Aufnahmefähigkeit der A23 nur minimal unterschritten.

Zielführender sind laut den Experten Zuflussregelungsanlagen. Damit sind Ampeln gemeint, die direkt an den Anschlussstellen den auffahrenden Fahrzeugverkehr durch kurze, sekundenlange Rot-Grün-Phasen unterbrechen. So können höchstens drei Fahrzeuge je Grünphase auffahren, erläutert Heiko Tessenow vom LBV. Zuflussregelungsanlagen würden je nach Verkehrsaufkommen auf den jeweiligen Abschnitten der A23 geschaltet. In Schleswig-Holstein gibt es eine solche Anlage nur vor dem Kanaltunnel in Rendsburg. Voraussetzung ist eine vollständige Ampelsignalisierung im gesamten Kreuzungsbereich, die es zurzeit in Pinneberg-Nord und -Süd nicht gibt. An den Baukosten müssten sich die Kommunen beteiligen, betonte Conradt.

Eine Freigabe der Seitenstreifen wie auf der A7 müsste jetzt vom Land für den Bundesverkehrswegeplan beantragt werden. Dann sei ein Planfeststellungsverfahren einzuleiten, weil Brücken und Beschleunigungsstreifen umgebaut und zusätzliche Nothaltebuchten geschaffen werden müssten. Diese Kosten – Conradt sprach von einigen Millionen Euro – müsse der Bund übernehmen. Früheste Realisierung: 2021.

Jörn Kruse, CDU, Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Kreistages, hofft jetzt auf Unterstützung der Landes- und Bundespolitiker, um diese Pläne umzusetzen. „Die A23 ist die Lebensader für den Kreis Pinneberg. Jeder Stau führt zu einem volkswirtschaftlichen Schaden.“