Victor International ist Weltmarktführer für Federbälle und Badminton-Schläger. Das Geschäft in 50 Ländern wird von Elmshorn aus verwaltet

Elmshorn. Das graue Gebäude im Gewerbegebiet am Rande von Elmshorn ist unscheinbar, ein klassisches Beispiel an norddeutschem Understatement. Kaum zu glauben, dass von hier aus ein Weltmarktführer seine Geschäfte tätigt. Der Sportartikel-Hersteller Victor International ist weltweit im Indoor-Bereich für Badminton, Squash und Tennis aktiv, verfügt über die weltgrößte Fabrik für Naturfederbälle. Das Geschäft in 50 Ländern wird von Elmshorn aus verwaltet. Weltweit sorgen Agenten oder Großhändler dafür, dass die Ware aus 100 dezentralen Lagern zum Kunden kommt.

Victor International ist der Spezialist für Badminton. Jeden Monat stellen 1200 Mitarbeiter im chinesischen Werk in Nanjing vier Millionen Naturfederbälle her. Sie verarbeiten 16 spezielle Gänsefedern aus der Unterseite der Schwingen, die besonders feste Kiele und robuste Härchen haben. Die exakt zurechtgestutzten Kiele der Federn müssen per Hand Millimeter genau in den Kork gesteckt werden. Damit sie nicht trudeln, kommt es auf den richtigen Winkel an. Die am Ende nur circa fünf Gramm schweren Federbälle werden per Hand und per Maschine getestet, um die Fehlerquote auf das geringste Maß zu reduzieren. Sie müssen was aushalten können. Schließlich schlagen Spitzensportler sie mit mehr als 300 Kilometer pro Stunde übers Netz – ICE-Geschwindigkeit.

„Unsere Fabrik ist ISO 9001 zertifiziert und könnte eins zu eins in Bochum stehen“, sagt Inhaber Jan Beutler. Kinderarbeit sei tabu, es gebe geregelte Arbeitszeiten, ergonomische Arbeitsplätze und vieles mehr. Der 54-Jährige führt die Geschäfte gemeinsam mit Rolf Aurin, einem ehemaligen Nationalspieler. Die beiden pflegen gute Kontakte zu Vereinen und Schulsporthändlern, sind fest in der Badminton-Szene verankert.

Dank ihrer Spezialisierung können sich die Mittelständler auch gegen Sportkonzerne wie Adidas, Nike oder Head behaupten. Auch, weil Badminton in Amerika und Afrika längst nicht so beliebt ist wie in Asien und Teilen Europas. Größter Konkurrent ist Yonex aus Japan. „Wir sind auf dem gleichen Level, aber Yonex verweilt schon länger im Premiumbereich“, sagt Beutler. Über das Sponsoring von großen Meisterschaften in Asien versuchen sich beide Unternehmen Marktanteile zu sichern. Victor International unterstützt weltweit über 100 Spitzensportler und sponsort unter anderem in Südkorea Meisterschaften und Profispieler wie Olympiasieger Lee Yong-Dae – Koreas Schweinsteiger, nicht nur, was Bekanntheitsgrad und Beliebtheit angeht. Auch bei der Gehaltsstufe dürften sich die beiden Topprofis kaum nachstehen. Denn Badminton hat in Asien einen Stellenwert wie Fußball in Deutschland. „Schalten sie dort den Fernseher ein, wird garantiert gerade Badminton gezeigt, und Victor spielt dort der höchsten Liga“, sagt Beutler. Er konnte sich selbst davon überzeugen. Zehn Jahre lebte er mit seiner Familie in China, Hongkong und Dubai.

Als er die Firma 1997 nach dem Tod des Eigentümers erwarb, rief ihn sein Bankberater an und fragte ihn, warum er sich denn auf diesen Deal eingelassen habe, wo er doch sonst immer ein gutes Gespür fürs Geschäft bewiesen hätte. Der Diplom-Kaufmann, der keine Ahnung vom Badminton hatte, ließ sich nicht abschrecken und trat einem Verein bei, um den Sport kennenzulernen. „In den ersten vier Jahren liefen die Geschäfte schleppend“, sagt der Geschäftsmann. Doch er habe sich empathisch herangetastet. „Wir waren zunächst nur in drei Ländern vertreten.“ Er und Aurin bauten mühevoll Kontakte auf, setzten dabei auf professionelles Management und hanseatische Tugenden wie Stil, Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und Bescheidenheit. Fünf Jahre später waren sie in 20 Ländern präsent.

In der Zentrale in Elmshorn mit 30 jungen und sportlichen Mitarbeitern laufen alle Fäden zusammen – von der marktorientierten Bedarfsanalyse am Anfang über Design und Marketing bis zum Lager und Versand am Schluss. „Kein anderer Indoor-Anbieter ist so spezialisiert, umfangreich aufgestellt, mit einer eigenen Fabrik und eigenen Ingenieuren im Rücken“, sagt Beutler. Die Firma wachse seit zehn Jahren zweistellig, bringe jährlich mehrere Innovationen und Patente heraus. „Victor International ist inklusive Asien in 100 Ländern vertreten“, sagt Beutler. Haribo bringe es lediglich auf 30.

„Unsere Badmintonschläger sind leichter als ein Becher Joghurt“, sagt der Hamburger. Neben Schlägern und Bällen hat Victor International Schuhe, Sportkleidung und Taschen im Sortiment und kann jährlich einen weltweiten Umsatz von rund 100 Millionen US-Dollar – Tendenz steigend, so die Prognose des Firmenchefs. „In Asien wächst der Lebensstandard und damit der Stellenwert von Freizeit und Sport.“ Um auch stärker in Deutschland zu wachsen, wartet Beutler allerdings noch auf einen Boris Becker des Badminton.