Pinnebergerinnen laden für den heutigen Donnerstag zur kostenlosen Mahlzeit ein. Zutaten wären im Müll gelandet

Pinneberg. Die Tafel ist reich gedeckt. Auf dem Tisch stehen Nudel- und Kartoffelsalat, eine Wirsingpfanne, Rosenkohlsuppe, ein Apfel- und ein Gewürzkuchen. Viel zu gut für die Tonne. Alena Kelbert hat die Zutaten für den Schmaus vor dem Müll gerettet. Der Handel hätte die Lebensmittel entsorgt – etwa, weil die Verpackung beschädigt oder das Mindesthaltbarkeitsdatum fast abgelaufen ist. „Viele verwechseln das mit dem Verzehrdatum und glauben, sie könnten es nicht mehr essen“, sagt die 24-Jährige. Dabei seien selbst Joghurts noch zwei Wochen nach Ablauf genießbar. Einige Spenden kamen auch von Privatpersonen. Alles könne bedenkenlos gegessen werden.

Jährlich enden etwa elf Millionen Tonnen Lebensmittel auf deutschen Müllhalden. Das ergab eine Studie der Universität Stuttgart im Auftrag des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung. Vieles davon wäre noch brauchbar. Das meiste wird in Privathaushalten weggeschmissen. „Hier landet jedes achte Lebensmittel, das wir einkaufen, in der Tonne“, sagt Kelbert. Die Pinnebergerin leistet Widerstand gegen diese Verschwendung. Mit der Kochaktion „Suppenküche 2.0“ will die Studentin Lebensmittel retten, kochen, essen und mit anderen teilen.

Bei Diakonin Susan Jose stieß sie mit der Idee auf Begeisterung. Im Gemeindezentrum der Kirche am Fahlt, Fahltskamp 79, in Pinneberg laden die beiden am heutigen Donnerstag von 18.30 Uhr an zum geselligen Essen. Auch wenn die Mahlzeit kostenlos ist, habe die Aktion erst einmal nichts mit Bedürftigkeit zu tun. „Kommen darf jeder“, sagt Jose. „Wir hoffen auf zahlreiches Erscheinen.“ Platz sei für 100 Gäste. „Wir hoffen, dass Menschen aus allen sozialen Schichten ins Gespräch kommen. Nebenbei fördern wir vielleicht die Wertschätzung für das, was wir täglich essen.“

Die 40 Jahre alte Schwäbin, die vor acht Jahren nach Pinneberg zog, pflegt selbst einen nachhaltigen Lebensstil. Sie telefoniert mit einem Fairphone, dem ersten Handy, das aktuelle Technik bietet und nach Fair-Trade-Grundsätzen produziert wird, also ohne Verwendung von Rohstoffen aus Krisenregionen. Auf der Webseite Fairphone-Shop wird das Gerät für rund 300 Euro angeboten. „Sobald mehrere Tausend Vorbestellungen eingegangen sind, wird mit der Produktion begonnen“, sagt Jose. Ansonsten kauft sie Bio-Produkte, Regionales, Faires oder bringt ihre aussortierten Schuhe in einen Secondhand-Shop von Oxfam, einer internationalen Entwicklungsorganisation, die weltweit Armut bekämpft. Mit denen hat auch Kelbert schon gute Erfahrungen gemacht.

„Ich habe über Oxfam einmal eine Ziege an meine Mutter verschenkt“, sagt Kelbert. „Die hatte schon Angst, das Tier wird zu ihr nach Hause geliefert.“ Es ging aber an einen armen Menschen in der Dritten Welt. Die Pinnebergerin trägt Secondhand-Kleidung und verzichtet lieber ganz auf Kaffee, wenn sie sich den fair gehandelten einmal nicht leisten kann. Dass im Winter Erdbeeren im Supermarkt angeboten werden, empfindet sie als Katastrophe. Sie fragt auch dort nach Sojamilch, wo sie weiß, das es sie nicht gibt. „Nachfrage bestimmt den Handel.“

Welche Auswüchse die Lebensmittelverschwendung annimmt, erfuhr Kelbert während eines Nebenjobs in einem Backshop. „Dort mussten wir nach Feierabend Bleche voller Kuchen und Brote wegwerfen und aufpassen, dass sich Obdachlose nicht davon bedienen“, sagt Kelbert. Wirtschaftlich sei das nachvollziehbar, aber moralisch fragwürdig. Aus den Containern von Supermärkten würde sie allerdings nichts ungefragt fischen. Das sei Diebstahl und komme nicht in Frage.

Kelbert hat sich von Raphael Fellmer inspirieren lassen. Der Familienvater und Buchautor („Glücklich ohne Geld“) lebt seit drei Jahren im Konsumstreik. Er kämpft gegen die Lebensmittelverschwendung und rief im April 2012 das Projekt zur Lebensmittelrettung ins Leben. Mittlerweile hat er sich mit den Machern von Foodsharing zusammengetan, einer Aktion, mit der schon fast eine Million Kilo Speisen gerettet wurden. Die Lebensmittel-Retter sind längst eine Bewegung.

Beim Kochen stellen Jose und Kelbert ihre Kreativität unter Beweis. Schließlich können sie die Zutaten nicht bestellen, sondern müssen mit dem zurechtkommen, was die Supermärkte aussortieren oder Menschen spenden. Für Kelbert kein Problem. Die Veganerin verwandelt Avocados in veganen Schokopudding. Wer diesmal nicht dazu kommt, ihn zu probieren, hat am Donnerstag, 26. Februar, noch einmal die Chance. „Wenn die Suppenküche 2.0 gut angenommen wird, machen wir das regelmäßig“, sagt Kelbert. Die Idee bestehe darin, die Masse zu mobilisieren, um etwas zu verändern.