Letzter Mieter von sanierungsbedürftiger Gewerbeimmobilie in Schenefeld klagt über unzumutbare Zustände

Schenefeld. Das Unwetter gab dem sanierungsbedürftigen Dach den Rest. Das Wasser lief die Bürowände herunter und tropfte von den Deckenlampen. In ihrer Verzweiflung versuchten Mitarbeiter von proDerm, die hier eigentlich an wissenschaftlichen Studien arbeiten sollen, mit Mülleimern, Lappen und sogar T-Shirts dem Wasser irgendwie Einhalt zu gebieten. In dem Büro stehen jetzt Entfeuchter. Die frisch gestrichene Decke ist hinüber. Carsten Grund ist sauer.

Der Geschäftsführer von proDerm steht mit dem Problem allein da. Mal wieder. Denn es ist nicht der erste Wassereinbruch, mit dem er zu kämpfen hat. Dabei ist die Firma nur Mieter. Doch der Vermieter tue nichts, sagt Grund. Er holte die Handwerker, die den Dachschaden provisorisch abdichteten, er ließ am Mittwoch drei Container heranschaffen, die provisorisch als Ersatz für die fehlenden Büros samt der acht dringend benötigten Arbeitsplätze dienen. 4000 Euro kostete das Aufstellen der Container, 500 Euro pro Monat die Miete. Hinzu kommen zahlreiche Rechnungen für Handwerker und Reparaturen, die es aufgrund der Bausubstanz gegeben habe und die Grund auf einen fünfstelligen Betrag schätzt. Geld, um das er mit dem Vermieter ringt. Seit Jahren.

„Es ist Wahnsinn, was hier passiert“, sagt Grund. Er berichtet von unhaltbaren Zuständen, fehlenden Ansprechpartnern, zahlreichen baulichen Mängeln, die vom Vermieter nicht behoben werden. Die Miete von mehr als 4500 Euro pro Monat für die 500 Quadratmeter, die proDerm für die Fläche zahlt, wurde mehrfach gekürzt. Genützt hat es nichts. Grund hat einen Anwalt eingeschaltet und überlegt zu klagen. Allerdings fürchtet er, dass der Prozess viel Zeit in Anspruch nimmt. Zeit, in der der Zustand der Immobilie und die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter nicht besser werden. „Wir haben einen gültigen Mietvertrag. Wir müssen doch als Mieter irgendeine Chance haben, uns zu wehren und hier nicht rausgemobbt zu werden“, sagt Grund. Das Unternehmen proDerm ist der letzte Mieter im Gewerbeobjekt am Kiebitzweg. Alle anderen Handwerker und Einzelhändler, die hier ansässig waren, hielten es am Ende nicht mehr aus und gingen – freiwillig oder gezwungenermaßen.

Versorger drehte wegen unbezahlter Rechnungen den Strom ab

Die alte Gewerbeimmobilie in unmittelbarer Nachbarschaft zum Stadtzentrum, für die der Eigentümer Wohnbaupläne hat, geriet vor zwei Jahren erstmals in die Schlagzeilen. Aufgrund unbezahlter Rechnungen drehte Vorsorger E.on den Strom ab. Die Mieter saßen im Dunkeln. Hilfe gab es sowohl vom Eigentümer als auch von der von ihm eingesetzten Hausverwaltung laut den Betroffenen nicht. Eigentümer Max-Dieter Altmann erklärte damals auf Abendblatt-Nachfrage die Probleme mit Abstimmungsschwierigkeiten, seines Wissens nach stand den Mietern immer Strom zur Verfügung. Letztlich sei die Verwaltungsfirma zuständig. Den Strom gab es tatsächlich für die Mieter, die es sich leisten konnten, sich selbst zu helfen. proDerm griff als kurzfristige Notlösung einfach auf Baustrom zurück. Die extra dafür neu verlegte Leitung hängt über der Einfahrt zum Areal und ist an den Verteiler an der Straße angeschlossen – seit zwei Jahren ziert die Notlösung die Ecke mitten in Schenefeld. In unmittelbarer Nähe zu dieser „Notlösung“ finden sich auch die neuen Container, die als Lösung für den Dachschaden gedacht sind.

Kreis Pinneberg liegt eine Voranfrage für den Bau eines Wohnkomplexes vor

Warum es immer noch keinen Strom gibt? Und warum sich die Mieter auch um das Flicken des Daches selbst kümmern müssen? Wie es sein kann, dass Grund ein Schreiben vorliegt, in dem ihm angekündigt wird, dass auch die Brandmeldeanlage für die Immobilie aus wirtschaftlichen Gründen von der Feuerwehr entkoppelt wurde? Am Freitag waren sowohl Eigentümer Altmann als auch die Verwaltungsgesellschaft für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Grund kennt das. Auch er erreicht häufig keinen Ansprechpartner. In der Pinneberger Kreisverwaltung als zuständiger Aufsichtsbehörde weiß man von den Zuständen nichts, eine Genehmigung für eine entkoppelte Bandmeldeanlage liege nicht vor – dafür eine Bauvoranfrage aus 2014 für neue Wohnkomplexe und die Genehmigung auf Abriss der Gebäude. Beides wurde verweigert. Die Kreisverwaltung will dem Thema Brandschutz jetzt nachgehen.

Geschäftsführer Grund ist ratlos. „Es fehlen uns einfach die Alternativen“, erklärt er. Einfach die Zelte abbrechen und gehen? Das geht aus seiner Sicht nicht. Zum einen läuft der Mietvertrag noch vier Jahre. Zum anderen investierte proDerm eine sechstellige Summe in die Immobilie. Denn für die pharmazeutischen Studien braucht es einiges an technischem Equipment, wie Absauganlagen für die Gase, die durch Deodorant-Tests entstehen, Hitzeräume für Schweißtests und Klimaschränke für Gewebeproben. Zudem mussten Fühler eingebaut werden, weil hier flüssiger Stickstoff lagert.

Die Sicherheitsanforderungen sind durch die vielen Medikamente hoch, es braucht spezielle Türen und Safes. Seit 15 Jahren sitzt proDerm mit einem Teil der 100-köpfigen Belegschaft am Kiebitzweg. Den Hauptsitz hat das Forschungsinstitut, das pro Jahr etwa 500 Studien durchführt, im zweiten Stock des Stadtzentrums. Versuche, hier weitere Flächen zu den 2000 Quadratmetern anzumieten, scheiterten an Auflagen und Voraussetzungen wie fehlendem Platz in Versorgungsschächten. „Wir sind in jedem Fall der Leidtragende“, sagt Grund.

Der Geschäftsführer spielt mit dem Gedanken, Schenefeld den Rücken zu kehren. Für eine weltweite Windelstudie wurden kürzlich Zweigstellen in Hamburg-Altona und Wandsbek eröffnet. Das könnte ausgebaut werden. „Wir würden das sehr bedauern“, sagt Christiane Küchenhof. Aber Schenefelds Bürgermeisterin sind die Hände gebunden sind. „Ein Vermieter hat die Verantwortung, sich um seine Mieter zu kümmern und sie nicht auszuhungern“, ärgert sie sich. Sie sieht keine Möglichkeit für die Stadt, Einfluss zu nehmen, bietet proDerm aber Hilfe an, neue Flächen in Schenefeld zu finden.