Termin stand schon. Nun darf der in Uetersen lebende Bauingenieur Mohammad Azizi aus Afghanistan vorerst doch bleiben

Uetersen/Tornesch. Junge, gut ausgebildete Fachkräfte aus dem Ausland sollen nach Deutschland kommen, um die heimische Wirtschaft zu stärken, so der politische Konsens. Doch die Realität sieht oft anders aus. Wie im Fall von Mohammad Reza Azizi. Nach einer monatelangen Hängepartie drohte dem derzeit in Uetersen lebenden jungen Bauingenieur aus Afghanistan die Abschiebung nach Polen. Am Donnerstag verkündete Ole Schröder, CDU, Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, die gute Nachricht: Azizi darf in Deutschland bleiben.

Der 24 Jahre alte Azizi hat einen langen Weg hinter sich. Aus Afghanistan kam er im April 2014 über Polen nach Deutschland. „In der polnischen Botschaft in Herat hatte ich ein Visum beantragt“, sagt er. „Ich war eine Woche in Polen, dann bin ich nach Neumünster gekommen.“ Zurzeit lebt er in einer Asylbewerber-Unterkunft in Uetersen.

Sicherheitsbedrohung in Afghanistan ist nach wie vor sehr groß

Sobald Azizi in Deutschland ankam, stellte er einen Asylantrag. Dieser wurde von den Behörden mit Verweis auf die Dublin III-Verordnung abgelehnt. Diese Verordnung sieht vor, dass Flüchtlinge aus dem nichteuropäischen Ausland in das Land zurückgeschickt werden dürfen, in dem sie erstmals die EU betreten haben. Besonders den südeuropäischen Staaten wie Italien und Griechenland bereitet dies große Probleme, da hier die meisten Flüchtlinge aus den Krisengebieten in Afrika und dem Nahen Osten ankommen. Da Azizi in Polen zuerst europäischen Boden betrat, sollte er am 14. Januar dorthin „zurückgeführt“ werden. Eine kurzfristige Abschiebung: Den Abschiebebescheid bekam Azizi am 30. Dezember 2014.

Dabei ist der junge Mann eine bestens ausgebildete Fachkraft. Azizi studierte an der Universität in Herat Bauingenieurswesen, schloss als Jahrgangsbester ab. Er sammelte bereits Arbeitserfahrung und machte Praktika. Doch 2014 musste er sein Heimatland verlassen. Dafür gab es im Wesentlichen drei Gründe. „Die Sicherheitsbedrohung in Afghanistan ist immer noch sehr groß“, sagt er. Weil er an einem Bauprojekt der US-Armee arbeitete, sei er von den Taliban bedroht worden. Zweimal sei sein Auto auf dem Weg zur Arbeit beschossen worden. Schließlich entführten die Taliban sogar seinen Vater. 26 Tage hielten sie ihn gefangen, 40.000 Dollar musste Azizi für die Freilassung des Vaters an die Terrororganisation zahlen.

„Außerdem gibt es in Afghanistan keinen Masterstudiengang für Ingenieure“, sagt Azizi. Aufgrund der Korruption in seinem Heimatland sei es ihm zudem nicht möglich gewesen, als Lehrer an der Universität tätig zu sein. „Mir blieb keine Wahl. Ich musste Afghanistan verlassen.“

In Deutschland wollte Azizi als Ingenieur arbeiten und dabei helfen, die Beziehungen zwischen Bauunternehmen aus Deutschland und Afghanistan zu verbessern. „Ich habe viele Pläne, will mich auch politisch weiterbilden und vor allem arbeiten“, sagt er. In den acht Monaten seit seiner Ankunft in Uetersen hat er Deutsch gelernt, spricht es mittlerweile fließend.

Regelmäßig war Azizi im Sprachcafé der Volkshochschule in Tornesch. Dort traf er auf Claus Grapengiesser. Der Tornescher Bauingenieur engagiert sich im Café und erkannte in Mohammad Azizi eine der Fachkräfte, nach denen in Deutschland so händeringend gesucht wird. Doch trotz seiner Qualifikationen und obwohl die deutschen Behörden sein Diplom anerkannten, sollte er am 14. Januar abgeschoben werden. „Wenn ich nach Polen muss, gehe ich wieder nach Afghanistan“, sagt Azizi. „In Polen kann ich nichts tun, dort zu sein, wäre Zeitverschwendung.“

Grapengiesser setzte alle Hebel in Bewegung, um Azizi einen weiteren Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Er wandte sich an die lokalen Medien, die örtlichen Bundestagsabgeordneten und schließlich sogar an den Petitionsausschuss des Bundestages in Berlin – mit Erfolg. Am Donnerstag gab der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder, CDU, bekannt, dass Mohammad Azizi nicht nach Polen abgeschoben wird. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe den Fall noch einmal sorgfältig geprüft. Aufgrund der Besonderheiten habe das Amt entschieden, von der Möglichkeit des Selbsteintritts Gebrauch zu machen.

Asylverfahren wird nun in Deutschland durchgeführt

Das bedeutet, dass das Asylverfahren für Azizi nun in Deutschland durchgeführt wird. Er kann vorerst bleiben, sein Asylantrag wird geprüft. Sollte dem Antrag stattgegeben werden, kann er sich eine Arbeit suchen. „Herr Azizi hat bisher große Integrationsbemühungen über das übliche Maß hinaus gezeigt und hat eine in Deutschland in vielen Bereichen dringend gesuchte Berufsausbildung als Ingenieur. Deshalb ist die Entscheidung in diesem Fall gerechtfertigt“, so Schröder. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann hatte sich beim zuständigen Bundesamt für die Nutzung des Selbsteintritts stark gemacht.

„Das ist eine sehr gute Nachricht. Ich freue mich sehr, dass ich nun hierbleiben kann“, sagt Azizi. An diesem Freitag stellt er sich schon mal bei einem Bauunternehmen in Hannover vor – um im Falle eines positiven Asylbescheides vorbereitet zu sein.