Nach Betrügereien von Mitarbeitern: Elmshorns Bürgermeister stellt alle Abläufe in der Verwaltung auf den Prüfstand

Elmshorn. Der Tag nach der Großrazzia im Elmshorner Rathaus – für Volker Hatje begann er vor laufenden Kameras: Der Bürgermeister musste sich den Fragen von gleich drei Fernsehteams stellen. Er kündigte nach den massiven Betrugsvorwürfen gegen vier Mitarbeiter des Gebäudemanagements an, alle Abläufe innerhalb der Verwaltung auf den Prüfstand stellen zu wollen. „Wir werden unsere Lehren aus den Vorfällen ziehen.“ Gleichwohl betonte Hatje, dass die Kontrollmechanismen funktioniert haben. „Sonst wäre die Sache ja nicht aufgeflogen.“

Den mittlerweile freigestellten Mitarbeitern, zwei Architektinnen, einer Verwaltungskraft und einem Schulhausmeister, wird vorgeworfen, Baumaterialien in großem Stil beiseite geschafft und privat genutzt zu haben. „Wir haben bisher eine weitreichende Delegation von Verantwortung gelebt. Jetzt müssen wir prüfen, ob wir die Mitarbeiter weiter an der langen Leine lassen“, so der Bürgermeister. Das ganze sei nicht unproblematisch: „Wenn wir an dieser Praxis Änderungen vornehmen, bestrafen und demotivieren wir die redlichen Mitarbeiter. Andererseits habe ich jetzt auch Stimmen von Mitarbeitern gehört, die so viel Verantwortung nicht mehr tragen möchten.“

In Elmshorn gilt, wie in den meisten anderen Verwaltungen auch, das Vier-Augen-Prinzip. Dieses wurde im aktuellen Fall ausgehebelt, weil sich offenbar zwei Mitarbeiterinnen, die gemeinsam für die Stadt viele Baustellen betreuten, abgesprochen hatten. Alle Rechnungen, deren Betrag über 10.000Euro liegen, werden vom Rechnungsprüfungsamt auf Herz und Nieren durchleuchtet.

„Wenn es um Kleinstbeträge geht, mal hier 1000 Euro, mal da 500 Euro, dann greifen diese Mechanismen nicht“, hat Hatje erkannt. Alternativem seien angesichts der Größenordnung der Elmshorner Verwaltung kaum möglich. „Wir werden Dinge überprüfen und überlegen, wo wir rangehen müssen. Zum Schutz unserer Mitarbeiter wollen und müssen wir nachsteuern.“

Der Bürgermeister betont, dass es sich um Einzelfälle handelt. „Das sind einzelne, das ist nicht unser ganzes Haus.“ Schock und Entsetzen unter den Mitarbeitern seien inzwischen von einer Aufbruchstimmung abgelöst worden. Im Gebäudemanagement, das die städtischen Liegenschaften und die Bauprojekte der Stadt betreut, seien die verbliebenen Mitarbeiter bereit, „die Ärmel hochzukrempeln und die Probleme anzupacken“, so Hatje weiter.

Größtes Sorgenkind bleibe der Neubau der Erich Kästner Gemeinschaftsschule (KGSE), der nach der Freistellung der beiden zuständigen städtischen Architektinnen ohne Betreuung dasteht. Hatje: „Die Handwerker sind draußen und arbeiten, da muss jemand draufgucken.“ Es gebe bereits Ideen, wer von den verbliebenen zwei Architekten einspringt. „Wir sind dabei festzustellen, wer welche Qualifikationen hat und wer welche Aufgaben übernehmen kann.“

Zudem habe die Politik zugesichert, einer schnellen Nachbesetzung der freigewordenen Stellen nicht im Wege stehen zu wollen. Übergangsweise könnten auch externe Firmen hilfsweise einscheren. „Die Politik steht voll hinter der Verwaltungsleitung“, so Hatje. „Ein besseres Signal kann es nicht geben.“

Der Betrug von Elmshorn – wäre er auch in anderen Verwaltungen oder öffentlichen Einrichtungen möglich? „Mit krimineller Energie ist alles zu unterlaufen. Daher stelle ich mich jetzt ganz sicher nicht hin und behaupte, derartiges in Rellingen verhindern zu können“, sagt Rellingens Büroleitender Beamte Uwe Goldt. Er setzt auf eine gute Balance zwischen Kontrolle, gesundem Misstrauen und „kurzer Leine“ sowie Gewährung von Entscheidungsspielräumen und Vertrauen, um „aus guten Beschäftigten motivierte“ zu machen. Goldt: „Der aktuelle Fall aus Elmshorn rüttelt auf und regt zum Nachdenken an. Wir werden intern erörtern, was wir verändern sollten.“

„Einhundertprozentige Sicherheit gibt es nicht“, meinen auch Uwe Grünefeldt, Büroleitender Beamte aus Halstenbek, und sein Schenefelder Pendant Melf Kayser. Beide verweisen darauf, dass jede Rechnung sowohl über den Tisch der Bürgermeisterin als auch des Büroleitenden Beamten geht. Es folgt der Weg über die Fachbereichsleitung, den zuständigen Sachbearbeiter und schließlich die Buchhaltung/Rechnungsprüfung. Auf diesem Weg, da sind sich Grünefeldt und Kayser einig, würden viele Ungereimtheiten auffallen.