Erste Kultur- und Gedenktage: Führung durch das nie genutzte Hilfskrankenhaus aus den Zeiten des Kalten Krieges

Es ist bedrückend. Der Gang ist lang, wie ein Tunnel ohne Ende. Die Decken hängen tief, als würden sie gleich auf den Kopf fallen. Die Luft steht im Raum, und es ist kalt. Kalt wie an Wintertagen. An solch einem Ort zu überleben und geheilt zu werden, das ist undenkbar. Oliver Wleklinski, 49, versucht, das Unvorstellbare begreiflich zu machen und zeigt, wie das Leben im Hilfskrankenhaus, im Strahlenschutzbunker in Wedel ausgesehen hätte. Im Rahmen der ersten Wedeler Kultur- und Gedenktage öffnet Wleklinski, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Hamburger Unterwelten, die schweren Stahltüren des Bunkers und führt durch das Labyrinth unter Wedels Erdboden.

„Knapp zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstand die Idee der Hilfskrankenhäuser“, sagt der Tourleiter. „Zahlreiche alte Bunker wurden in Hamburg wieder umgebaut, um die Zivilbevölkerung vor den Auswirkungen eines weiteren Krieges zu schützen.“ Ergänzende Kapazitäten sollten geschaffen werden. 1970 wurde der erste Teil des Bunkers fertiggestellt, vier Jahre später der zweite. Besonders vor biologischen und chemischen Kampfstoffen sollten die Einwohner geschützt werden. „Die atomare, biologische und chemische Verseuchung wäre das größte Problem in einem Dritten Weltkrieg gewesen.“

Um die Geschichte des Hilfskrankenhauses verstehen zu können, muss ein Blick zurück in die Zeit des Ost-West-Konflikts geworfen werden. „Der Kalte Krieg war nicht immer kalt, doch vor 25 Jahren ist die Mauer gefallen, und das ist auch der Grund, warum wir heute hier unten stehen können“, sagt Oliver Wleklinski. Unter dem Gelände des Johann-Rist-Gymnasiums, tief unter der Erde, wurde ein voll ausgestattetes Krankenhaus errichtet, eine Klinik, die nie in Betrieb genommen wurde.

Doch wie wären die Ärzte und Hilfskräfte im Ernstfall mit den verseuchten Menschen, den Kranken und Verletzten umgegangen? Die ersten Räume des Bunkers sind nicht groß. Heute wirken sie durch die weiß gestrichenen Wände nicht sehr beängstigend, doch damals wäre hier bereits über Leben und Tod entschieden worden. Bevor eine Behandlung überhaupt möglich gewesen wäre, hätten sich im Ernstfall die kontaminierten Menschen nackt ausziehen und ihre Köpfe kahlscheren müssen.

Ein großer Müllschacht diente als Lager verseuchter Kleidung. Die bis zu 50 Zentimeter dicken Stahlbetonwände sollten nach damaliger Planung die Strahlung abhalten. „Hier hätte man versucht, die Leute oberflächlich zu säubern“, sagt Wleklinski. Zusätzlich hätten die Menschen unter die Dusche gemusst. „Mit kaltem Wasser wären die Verseuchten 15 Minuten lang abgeduscht und mit einer Wurzelbürste geschrubbt worden, bis die oberste Hautschicht abgerubbelt gewesen wäre.“ Das klinge extrem brutal, so der ehrenamtliche Mitarbeiter, „aber das wäre auch die einzige Chance für die Menschen gewesen zu überleben.“

Die zentralen Stellen des 5000 Quadratmeter großen Wedeler Hilfskrankenhauses waren die fünf Operationsräume. Bunkerbesucher können sie sich heute noch anschauen. Mit Originalgegenständen aus anderen deutschen Hilfskrankenhäusern ist der Operationssaal möbliert. Die Einrichtung ist spartanisch, genauso wie in den anderen 156 Räumen. 16 Ärzte und 200 Hilfskräfte hätten mit 1694 Patienten zwei Wochen im Bunker überleben können, ohne an die Erdoberfläche gelangen zu müssen.

Nachdem 1979 alle Bunker in Deutschland aufgegeben und nicht mehr gewartet wurden, stand der Bunker leer und verfiel. Vor einem Jahr hat das Wedeler Informationstechnik-Unternehmen Grassau die unterirdische Fläche gepachtet, saniert und renoviert. Auch die Schule nutzt den Bunker bereits als Kellerraum. „Wir vermieten die Zimmer als Party-, Lager- und Band-übungsräume“, sagt Geschäftsführer Rene Grassau. Lebensfreude statt Endzeitstimmung – bleibt zu hoffen, dass der Bunker noch stärker in neuer Funktion genutzt wird.