Gruppe „Leben fairändern“ der Lutherkirche begegnet der Konsum- und Wegwerfgewohnheit mit Spaß am Reparieren

Pinneberg. Der Toaster, der nicht mehr funktioniert, landet rasch auf dem Müll. Der Pullover mit dem kleinen Mottenloch wird achtlos aussortiert. „In Deutschland werfen wir unfassbar viel weg“, sagt Holger Jensen. „Auch Gegenstände, denen fast nichts fehlt und die nach einer einfachen Reparatur wieder ordentlich zu gebrauchen wären.“ Um den Müllberg zu reduzieren, ruft der Rentner gemeinsam mit Mitstreitern der Gruppe „Leben fairändern“ der Lutherkirche das erste Repair-Café in Pinneberg ins Leben.

Jeder kann am Sonnabend, 8. November, funktionsuntüchtige Lampen, Föhne, kaputtes Spielzeug und Fahrräder, zerrissene Kleidung oder zerbrochenes Geschirr ins Gemeindehaus der Lutherkirche am Kirchhofsweg 53a bringen. Dort helfen Elektrotechniker, Näherinnen, PC-Techniker und Fahrradmechaniker zwischen 14 und 17 Uhr ehrenamtlich und kostenlos bei allen möglichen Reparaturen.

Das Konzept stammt aus den Niederlanden. Die Amsterdamer Journalistin Martine Postma und der Groninger Nachhaltigkeitsmanager Peter van Vliet hatten 2009 die Idee zu Treffpunkten, bei denen Nachbarn ihre eigenen defekten Gegenstände unter fachkundiger Anleitung und in freundlicher Atmosphäre reparieren können. Die Idee fiel auf fruchtbaren Boden und breitete sich über die Landesgrenzen hinweg aus. Offensichtlich gibt es immer mehr Menschen, die die Wegwerfmentalität der Industrieländer nicht mittragen wollen. Mittlerweile gibt es deutschlandweit mehr als 150 Repair-Cafés. Seit 2011 unterstützt die Stiftung „Stichting Repair Café“ in vielen Ländern örtliche Gruppen, die ihre eigene Reparaturwerkstatt anbieten wollen – so auch in Pinneberg.

„Leider ist das Reparieren im System oft nicht mehr vorgesehen“, sagt Jensen. „Wegwerfen und Neukauf sind billiger. Mit dem Repair-Café wollen wir das ändern.“ Vielen Herstellern ist nicht daran gelegen, dass Kunden die Geräte selbst reparieren. Manche Gehäuse lassen sich nur mit Spezialschraubenzieher oder Gewalt öffnen. Dabei ließen sich Ersatzteile für kleines Geld beschaffen. Viele Hersteller benutzen absichtlich keine Standardschrauben oder sie lassen sie gleich ganz weg. Deshalb lohnt es sich, schon beim Kauf genau zu gucken: Sind Standardschrauben zu sehen, kann das Gerät geöffnet und repariert werden?

„Wir bestellen zwar keine Ersatzteile im Internet, können aber sagen, welches fehlt“, sagt Pastorin Martje Brandt, die von der Idee, ein Repair-Café zu starten, gleich angetan war. „Das wird der Höhepunkt der Saison.“ Das Ersatzteil kann von zu Hause aus bestellt werden und beim nächsten Treffen mit Hilfe eingesetzt werden. „Der nächste Termin wird vermutlich im Februar sein“, so die Pastorin. Als Konkurrenz zu Reparaturbetrieben sieht sie die Initiative nicht. „Dazu sind wir zu klein. Das hier ist Nachbarschaftshilfe.“

Eine Garantie geben die Ehrenamtlichen nicht. „Aber die Chance, dass die Reparatur gelingt, ist groß“, sagt Jensen, der es sich als Organisator nicht nehmen lassen will, selbst Hand anzulegen. „Die Fachleute im Repair-Café wissen fast immer eine Lösung.“ Eine Reparatur spart Geld und kostbare Grundstoffe und hilft, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. „Aber wir wollen vor allem zeigen, dass Reparieren auch Spaß macht“, sagt der Pinneberger. Das Repair-Café soll Menschen zusammenbringen. Neun Reparateure und neun Helfer haben bereits zugesagt. „Es haben noch mehr Interesse angemeldet“, so Jensen. „Wenn man gemeinsam mit einem bis dahin unbekannten Nachbarn ein Fahrrad, einen CD-Spieler oder eine Hose repariert hat, sieht man diese Person mit anderen Augen, wenn man ihr das nächste Mal auf der Straße begegnet.“

Auch in Elmshorn erfreut sich das Repair-Café im Kranhaus, Berliner Straße 18, Eingang Schloßstraße, großer Beliebtheit. Die Teilnehmer können mittlerweile auf einen Pool aus rund 25 Ehrenamtlichen zurückgreifen, darunter Spezialisten für Computer, Fahrräder, Elektronik und Haushaltsgeräte. Allein beim zweiten Termin konnten rund 40 Gegenstände in drei Stunden wieder flott gemacht werden.

Am Sonnabend, 25. Oktober, findet in Elmshorn von 10 bis 13 Uhr bereits das vierte Repair-Café statt. Die Wartezeit lässt sich mit Snack und Schnack in netter Atmosphäre überbrücken. „Wir sind aber kein kostenloser Reparaturdienstleister. Es geht vordergründig um Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Organisatorin Yvette Karro. Wer zufrieden ist mit dem Service, wird um eine Spende gebeten. „Fünf Euro finde ich angemessen, wenn man bedenkt, dass man das Haushaltsgerät sonst weggeworfen und ein neues gekauft hätte.“ Und die Umwelt hat auch noch etwas davon.