90 Einheiten sind an der Rissener Straße und am Möllers Park betroffen. Mieter fühlen sich schlecht informiert

Wedel. Die brisante Nachricht findet sich auf einem unscheinbaren Aushang an der Haustür. „Information“ steht drüber. Im zweiten Satz erfahren die Mieter der Wedeler Wohnanlage, dass Legionellen in ihrem Trinkwasser festgestellt worden sind. Und wer sich die nachfolgende Tabelle anguckt, der erkennt, dass eine extrem hohe Kontamination vorliegt. „Auf Grund der extrem hohen Kontamination hat das Gesundheitsamt ein Duschverbot ausgesprochen und zur direkten Gefahrenabwehr eine Gefährdungsanalyse und eine Thermische Desinfektion angeordnet“, heißt es weiter.

Betroffen sind 90 Wohneinheiten an der Rissener Straße mit den Hausnummer 21 bis 25 sowie das Haus Möllers Park 3. Dort sind Werte von 31.200 KbE (Kolonien bildende Einheiten) pro 100 Milliliter Wasser festgestellt worden. Der Grenzwert liegt bei 100 KbE pro 100 Milliliter, er wird also um mehr als das 3000-fache überschritten. Einer der betroffenen Mieter ist Jochen Steinkühler, 67.

„Viele Nachbarn sind verunsichert und haben Angst“, sagt er. In der Wohnanlage aus den 60er-Jahren lebten viele ältere Menschen, die durch ihr geschwächtes Immunsystem besonders für eine Ansteckung empfindlich sind. Steinkühler, der mit seiner Frau seit mehr als 30 Jahren in der Drei-Zimmer-Wohnung im Gebäude Möllers Park 3a lebt, kritisiert die Informationspolitik der Hausverwaltung. „Die Aushänge hingen nicht in allen Hauseingängen, viele Mieter waren nicht informiert.“

Auch der Wedeler selbst erhielt die brisante Nachricht erst mit Verzögerung. „Am 10. Oktober klingelte jemand an der Haustür und sagte, er würde jetzt den neuen Duschkopf installieren wegen des Legionellen-Befalls.“ Er sei über das Wochenende nicht zu Hause gewesen, erinnert sich Steinkühler. „Als ich zurückkam, sagte meine Frau, dass im Eingangsbereich von Hausnummer3 ein Info-Brief hängen würde.“ Der 67-Jährige schaute im Nachbarhaus nach, kopierte sich das Schreiben und leitete es an alle Nachbarn der Hausnummern 3 a und b weiter.

Auch versuchte er, die in dem Schreiben angegebene Mieter-Hotline zu erreichen. „Ich bin bei mehreren Versuchen nicht einmal durchgekommen“, ärgert sich Steinkühler. Weitere Nachrichten erfuhr er nicht im persönlichen Kontakt mit der Hausverwaltung, sondern wieder über Aushänge, die in einem der Hauseingänge auftauchten. „Wir wissen jetzt, dass vom 27. bis 30. Oktober eine Thermische Sanierung in den Häusern stattfindet.“ Dazu wird die zentrale Warmwasseraufbereitung auf 70 Grad aufgeheizt und alle Auslässe für mindestens fünf Minuten mit Heißwasser von mindestens 65 Grad durchgespült. Ob dadurch die Legionellen abgetötet werden, das muss im Anschluss eine erneuten Beprobung der Trinkwasseranlage der Wohnblocks zeigen. Bis dahin bleibt für die Bewohner die Ungewissheit. „Wir haben uns, so gut es geht, mit der Lage arrangiert“, sagt Steinkühler.

Sein Verhalten beschreibt er als „extrem vorsichtig, insbesondere beim Duschen“. Dem neuen Duschkopf, dessen integrierter Filter vor dem Einatmen der Aerosole der Legionellen schützen soll, traut der 67-Jährige nicht über den Weg. Er will jetzt die Miete für den Zeitraum der Kontamination verringern. Gerichte haben geurteilt, dass die Zahlungen in so einem Fall um ein Viertel gekürzt werden können.

Die Prignitz, Ehlers und Drews GbR, die für den Eigentümer die Wohnanlage verwaltet, verweist auf Abendblatt-Anfrage darauf, sich genau an die gesetzlichen Bestimmungen gehalten zu haben. „Der Eigentümer hat die Objektus GmbH mit der Legionellenüberprüfung gemäß den gesetzlichen Bestimmungen beauftragt“, heißt es seitens der Hausverwaltung. Bei zwei vorhergehenden Untersuchungen sei alles in Ordnung gewesen. Die jährliche Überprüfung in 2014 habe „den sehr hohen Wert“ ergeben. Daraufhin habe die Objektus GmbH im Auftrag des Eigentümers die weiteren Schritte eingeleitet, zu denen der Austausch der Duschköpfe, die Thermische Sanierung und die Gefährdungsanalyse gehören.

„Der Dienstleister bietet eine Hotline mit spezialisierten Mitarbeitern an, an die sich betroffene Mieter wenden können“, so die Hausverwaltung. Längere Wartezeiten am Telefon seien nicht immer zu vermeiden. Der Aushang in den Hauseingängen bezeichnet die Hausverwaltung als ausreichend. „Wir haben die Information der Mieter dem Dienstleister überlassen“, heißt es weiter.

Dass der Eigentümer alles richtig gemacht hat, bestätigt auch der zuständige Fachdienstleiter in der Kreisverwaltung, Holger von Thun. „Laut Gesetz war die Kreisverwaltung zu informieren und es waren sofort Maßnahmen zu ergreifen. Das ist alles passiert.“ Laut von Thun gilt seit 2012 eine Neufassung der Trinkwasserverordnung. Waren bis dato nur Betreiber von Schulen, Kindergärten und Altenheimen verpflichtet, die Trinkwasserleitungen der Einrichtung jährlich auf Legionellen überprüfen zu lassen, so gelte dies inzwischen auch für große, gewerblich genutzte Wohnanlagen.

Von Thun: „Wenn alles in Ordnung ist, muss der Eigentümer nichts weiter tun.“ Der Kreis als zuständige Gesundheitsbehörde sei nur für den Fall zu informieren, wenn der Grenzwert von 100 KbE pro 100 Milliliter überschritten wird. Dies komme nicht gerade selten vor: „Wir haben schätzungsweise 8000 solcher Anlagen. Seit 2012 sind 800 Meldungen über einen Legionellenbefall bei uns eingegangen.“ Der in Wedel festgestellte Wert sei sehr hoch, jedoch „alles andere als ein Einzelfall“.