Unterwegs mit Tierpflegerin Annelie Otten: Im Wildpark Eekholt beginnt der Herbst – für manche Tiere eine aufregende, für andere eine ruhige Zeit

Großenaspe. Wenn Theo, Klaus-Henry und Claudius etwas zu klären haben, wird es laut. Richtig laut. Ein mächtiges Röhren lässt das Laub im Wald erzittern. „Der Kampf um den Rang des Platzhirsches hat begonnen“, sagt Tierpflegerin Annelie Otten. Und drückt es noch einfacher aus: „Es ist Paarungszeit.“ Die Luft am diesen Morgen ist feucht, der Nebel hängt tief.

Wir haben uns mit der Mitarbeiterin des Wildparks Eekholt verabredet, um sie auf der wichtigsten Tour des Tages zu begleiten. Das ist der morgendliche Rundgang durch die Anlage. Die 30-Jährige leitet den Säugetierbereich, dazu gehören die Raub- und Haustiere sowie die Hirschrudel. Um 7.30 Uhr startet ihr Tag im Wildpark. Auf dem Tagesplan stehen die Fütterung, die Säuberung der Gehege und die Reparatur einiger Zäune. Außerdem muss täglich kontrolliert werden, ob die Tiere gesund sind. „Die erste Runde ist sehr zeitaufwendig“, sagt Annelie Otten.

Der Wildpark Eekholt beherbergt neben Wildschweinen, Füchsen, Dachsen und Ottern auch sechs Hirschrudel. Das Kräftemessen der männlichen Geweihträger ist auch für die Tierpflegerin eine spannende Zeit. Bei der täglichen Fütterung steigt Annelie Otten nicht mehr in die Anlagen der Hirsche. Das Risiko sei zu groß. „Während der Paarungszeit übernehmen die Hormone das Kommando“, sagt die 30-Jährige. „Alles, was nicht weiblicher Hirsch ist, wird erst mal zur Konkurrenz.“ Dieses Jahr werden die Karten im Wildpark Eekholt neu gemischt. Die jüngeren Tiere haben zugelegt und können sich gegen die Älteren behaupten.

Der Boden ist matschig, aber die Hirsche stört das nicht. Sie warten bereits auf ihre erste Mahlzeit. Fünf Schaufeln Wildfutter, bestehend aus Mais, Hafer, Gerste und Weizen, wirft die Tierpflegerin in die langen Holztröge. Kaum sind sie gefüllt, kommen die Tiere nach und nach angerannt. Endlich Frühstück.

Raudi hingegen lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Selbst als Annelie Otten mit den Leckereien vor dem Gehege steht, rührt sich der Steinmarder nicht. „Raudi ist ein Langschläfer“, sagt Annelie Otten. Die Tierpflegerin versucht jeden Morgen, die Schlafmütze aus der Reserve zu locken. Ein Stück Fleisch wird in Raudis Kletterhäuschen versteckt, ein anderes oben auf dem Holzbalken. „Man versucht, das Tier zu beschäftigen. Das ist ganz wichtig, denn in der freien Wildbahn beansprucht die Nahrungssuche viel Zeit“, sagt Annelie Otten.

Raudis Nachbarn Finja und Max, die Baummarder, sind keine Morgenmuffel. Sie erklimmen munter die Gehegestangen. „Baummarder können ihre Hinterpfoten um 180 Grad drehen“, sagt die Tierpflegerin. „Damit kann der Marder kopfüber am Baum wieder herunterklettern.“ Wenn die kalten Tage kommen, werden die Marder aber weniger aktiv, sagt die Tierpflegerin.

Etwas später öffnet Annelie Otten die Pforten des Dachsgeheges. In den Händen hält sie zwei blaue Eimer, gefüllt mit Nüssen und Früchten. Kaum rüttelt die Tierpflegerin an den Eimern, huschen die Geschwister Emma und Paul ihr hinter her. Annelie Otten holt zwei Walnüsse aus der Tasche. Zweimal knackt es laut. Mit einem Biss brechen die zwei grau-weiß gestreiften Dachse die Schale. Zum Winter fressen sich die Dachse eine dicke Fettschicht an. Sie verdoppeln ihr Körpergewicht von zwölf auf bis zu 24 Kilo.

Paula und Emma freuen sich über den Besuch ihrer Pflegerin. Die beiden sechs Jahre alten Dachse sind per Hand aufgezogen worden und deshalb relativ zahm. Dennoch ist nicht jeder willkommen in ihrem Revier. „Wenn man das Privileg hat, gemocht zu werden, dann gehört man zur Paul-Familie, zum Stamm dazu“, sagt Annelie Otten.

Paul umkreist die Beine seiner Pflegerin. Mit seinem Hinterteil setzt sich der Dachs auf ihre Stiefel. „Ich bekomme eine Duftmarke“, sagt Annelie Otten. Damit stempelt er sie zu einem Familienmitglied. Für Annelie Otten sind solche Momente die schönsten in ihrem Beruf. „Als Tierpflegerin wird man nicht reich, jedenfalls nicht materiell. Aber die Dinge, die man jeden Tag mitnimmt, sind toll.“

Für die Tierliebhaberin ist der Job eine Berufung. Nach einem Freiwilligen Ökologischen Jahr, das sie im Wildpark Eekholt absolvierte, studierte sie erst einmal Soziologie und Pädagogik. Doch nach dem Abschluss des Studiums erkannte sie, dass sie lieber mit Wildtieren arbeiten möchte. In Großenaspe machte sie die Ausbildung zur Tierpflegerin, die im Juni endete.

Nach dem ersten Rundgang hat Annelie Otten Zeit für andere Aufgaben. „Laub muss geschnitten, der Strom an den Zäunen gemessen, die Gehege und die Parkanlage gepflegt werden,“ sagt die Tierpflegerin. Um 16 Uhr endet ihr Arbeitstag. Im Wildpark geht das muntere Treiben weiter. Annelie Otten: „In der Brunft-Zeit sind die Hirsche vermehrt in den Abend- und Morgendämmerungen aktiv.“