Hans-Gerold Seeberger aus Rellingen widmet sich in seiner Werkstadt und seinem Laden mit Hingabe wohlklingenden Streichinstrumenten

Rellingen. Dieser Mann ist eine Rarität: Hans-Gerold Seeberger könnte sich rühmen, der einzige Geigenbauer im Kreis Pinneberg zu sein. Er rühmt sich aber nicht. Lässt sogar seine Meisterprüfung am liebsten unter den Tisch fallen. „Ich bin Geigenbauer. Schluss. Aus.“ Sind unter seinen Hunderten Kunden nicht auch einige Namen bekannter Geigenvirtuosen? Seeberger schmunzelt und sagt nur so viel: „Dazu sage ich nichts. Diskretion ist alles.“ Deshalb gibt es in seinem Domizil aus Werkstatt und Laden an der Rellinger Passage, Hauptstraße 74, auch keine Fotogalerie jener Promis, die dann vielleicht doch zu seinen Kunden gehören könnten.

Na gut. Viel lieber als über sich zu reden und seine meisterliche Handwerkskunst zu würdigen, lässt der 63-Jährige seinen rheinischen Humor aufblitzen. Doch sein Sinn für Hintersinn kann in Norddeutschland manchmal auch zu Missverständnissen führen. So begrüßte Seeberger einen Kunden, den er lange nicht gesehen hatte, scherzhaft mit den Worten: „Na, wie war’s im Knast?“ Der Angesprochene wies die Unterstellung entrüstet zurück und versicherte, noch nie Ärger mit der Justiz gehabt zu haben.

Zwar wurde Hans-Gerold Seeberger im niedersächsischen Soltau geboren, doch wuchs er überwiegend im Rheinland auf. Schon im zarten Alter von zwei Jahren zog er mit seiner Familie nach Düsseldorf um. Der Grund: Sein Vater war Berufsmusiker und bekam eine Anstellung am Opernhaus der Rheinmetropole.

Bei so viel väterlicher Musikalität war klar, dass auch der Junior viel harmonisches Talent in den Genen haben dürfte. Vater Seeberger brachte dem erst sechsjährigen Sprössling den Umgang mit Violine und Bogen bei. Durchaus mit Erfolg, wenn auch der größte Wunsch des Seniors nicht in Erfüllung ging: Hans-Gerold wollte nicht Berufsgeiger werden, sondern entschied sich für den Geigenbau.

Dafür brachte er die besten Voraussetzungen mit, um auf der weltweit renommierten Geigenbauerschule im oberbayerischen Mittenwald angenommen zu werden. Bei der Aufnahmeprüfung bewies Seeberger nicht nur das erforderliche zeichnerische Können. Er überzeugte auch mit seiner umfangreichen Geigenspielpraxis, die weit über die Mindestanforderung von zwei Jahren hinaus ging. Im Mittenwalder Geigenbauer-Mekka werden pro Jahr nur zwölf von etwa 3000 Bewerbern angenommen. Seeberger studierte sieben Semester lang bis zum erforderlichen Abschluss.

Die folgenden Gesellenjahre war der junge Geigenbauer, wie es sich für einen klassischen Handwerksberuf gehört, viel unterwegs.

Nach ein paar Jahren in Hamburger Werkstätten machte sich der heimgekehrte Norddeutsche in Rellingen selbstständig. Seit 1998 betreibt Seeberger sein Ein-Mann-Unternehmen in der Baumschulgemeinde. Die Standortwahl hatte vor allem mit seinem beruflichen Umfeld zu tun: „Rellingen liegt etwa in der Mitte von meinem Kundenkreis, der von Regensburg bis in die skandinavischen Länder reicht.” Zur Kundschaft zählen Schulen und Musikschulen ebenso wie Orchester, Rundfunksender und natürlich private oder hauptberuflich tätige Geigenspieler.

Immer allein bei der Arbeit? Das stört den Geigenbauer nicht. Im Gegenteil: Wenn es darum geht, sich in seine Arbeit an den oft wertvollen Instrumente zu vertiefen, ist der sonst gesellige Seeberger am liebsten mit sich und seinem Können allein: „Ich wollte immer Geigenbauer sein und habe diese Entscheidung nie bereut.” Inzwischen ist Hans-Gerold Seeberger in Rellingen schon längst zu einer Institution geworden und im besten Sinne bekannt wie ein bunter Hund.

Über zu wenig Arbeit kann sich der Geigenbauer nicht beklagen. Neben dem Verkauf von Streich- und Zupfinstrumenten aller Art sowie dem erforderlichen Zubehör stehen Wartung, Pflege und Reparatur der Instrumente im Vordergrund. Nicht nur Geigen, auch Bratschen, Celli, Kontrabässe, Gitarren und Mandolinen sind in Seebergers Händen bestens aufgehoben. Eine regelmäßige Überprüfung der oft wertvollen Instrumente ist schon nötig, um beispielsweise rechtzeitig feinste Spuren von Rissen zu erkennen und zu beseitigen. Die Arbeit an den Instrumenten ist Handwerk im wahrsten Sinne des Wortes – ob es nun darum geht, an einem Geigenkorpus Teile der Decke zu erneuern und mit acht bis zwölf Schichten Grundierung, feinster Farbe und Lack perfekt zu tönen, Wirbel, Hals und Griffbrett zu bearbeiten oder den als Steg bezeichneten Saitenträger zu richten.

Was den Wert alter Geigen angeht, speziell jener der italienischen Meister wie Stradivari und Guarneri, hält Seeberger deren Kaufpreise in Höhe von mehreren Millionen Euro für maßlos übertrieben. „Da werden von Sammlern, die sich gegenseitig übertrumpfen wollen, Summen geboten, die nur dazu dienen, die teuerste Stradivari zu besitzen”, sagt der Geigenbauer.

Geige spielen lernen kann man auch mit preiswerteren Instrumenten, wenngleich Seeberger an manch billiger Fabrikware aus asiatischen Ländern kaum ein gutes Haar lässt.

Immerhin. Auch echte Seeberger-Geigen sind Raritäten. „Im Laufe meines langen Berufslebens habe ich vielleicht sieben bis acht Geigen selbst gebaut”, räumt der Rellinger ein. Die Reparatur und Pflege der Instrumente seiner Kunden habe ihm dafür einfach keine Zeit gelassen. So sei das eben in einem Ein-Mann-Unternehmen.