Ausgebuchte VHS-Kurse, wachsende Verbände: Die Hobby-Imkerei boomt. Sogar Firmen machen Platz für Stöcke

Wedel/Halstenbek . Behutsam öffnet Andreas Thanhäuser den Bienenstock. Während die unerfahrenen Zuschauer den Rückzug antreten, weiß Thanhäuser genau, was er da tut. Seit 37 Jahren ist der Quickborner Imker – wie bereits sein Großvater. Der zeigte dem jungen Thanhäuser die ersten Schritte, brachte ihm den Umgang mit den Bienen bei. Fast vier Jahrzehnte später ist er ein erfahrener Imker, hat 20 Bienenvölker, von denen er an diesem frühen Morgen zwei bei seinem Arbeitgeber ansiedelt. Dafür muss er dem Pharmaunternehmen AstraZeneca eigens aufs Dach steigen. Denn dort sollen die beiden Bienenstöcke ihr neues Zuhause finden.

40.000 bis 50.000 Bienen leben in einem Bienenstock. Dass zwei von diesen nun auf dem Dach des Pharmariesen am Tinsdaler Weg in Wedel leben dürfen, liegt an der Konzernphilosophie. Das Unternehmen hat die Richtlinie ausgegeben, bewusst an allen Standorten auf Nachhaltigkeit zu achten, besonders unter ökologischen Gesichtspunkten. Um „grüner“ zu werden, fragte die Geschäftsleitung auch bei den eigenen Mitarbeitern nach und wurde in der Abteilung für Finanzen fündig. Thanhäuser ist bei AstraZeneca für das Vertragswesen mit Krankenkassen zuständig und konnte sich gut vorstellen, auf dem 70.000 Quadratmeter großen Firmenareal einige seiner Bienen anzusiedeln. Platz und Natur gibt es für die wichtigen Blütenbestäuber dank der angrenzenden Wiesen und Schrebergärten zuhauf.

Auch Thanhäuser profitiert von dem grünen Arrangement. Er hat es zu seinen Bienen nicht weit. Denn mindestens einmal pro Woche muss er nach ihnen sehen. Schuld daran ist eine aus Asien eingeschleppte Milbenerkrankung, die der europäischen Biene so stark zusetzt, dass manche Experten schon die Ausrottung befürchteten. Die Imker bekämpfen die Milbe unter anderem mit Ameisensäure. So bekommen sie den ausgemachten Virenüberträger ganz gut in den Griff. „Allerdings sind die Bienen jetzt auf den Menschen angewiesen. „Ohne unsere Hilfe würde ein Schwarm innerhalb von zwei Jahren sterben“, erklärt Thanhäuser.

Gut, dass angesichts dessen immer mehr Menschen für die Imkerei schwärmen. Die Verbände vermelden einen Mitgliederzuwachs, auch Volkshochschulen müssen wegen des regen Interesses bei Imker-Kursen auf Wartelisten zurückgreifen. „In allen Landesverbänden verzeichnen wir seit 2008 eine Zunahme. Aber besonders die Stadtimkerei boomt“, sagt Petra Friedrich, Pressesprecherin des Deutschen Imkerbundes. In Hamburg wuchs die Mitgliederzahl 2013 um 8,3 Prozent auf 586 Mitglieder, in Berlin betrug der Anstieg sogar zwölf Prozent. In Schleswig-Holstein nahm die Zahl mit einem Plus von 2,8Prozent auf 2724 Mitglieder etwas verhaltener zu. Dafür liegt hier der Durchschnitt der Bienenvölker pro Imker mit 7,7 deutlich höher als in der Hansestadt mit 5,9 Völkern.

Im Kreis Pinneberg gibt es allein fünf Imkervereine mit etwa 40 Imkern. Tendenz steigend. Neu ist der im vergangenen Jahr gegründete Verein der Holsteiner Imker, der aus einem VHS-Kursus hervorging. „Ich habe einen Anfängerkursus gegeben. Das war so eine eingeschworene Gemeinschaft, dass wir uns nicht einem etablierten Verein anschließen wollten“, sagt die Vorsitzende Christa Kluxen, seit sechs Jahren Imkerin mit Bienenvölkern in Halstenbek und Schenefeld. Aus den 15 VHS-Teilnehmern ist ein Imkerverein mit 30Mitgliedern erwachsen. Kluxen erklärt sich das rege Interesse mit dem Umdenken vieler Menschen zu einer natürlicheren Lebensweise: „Natur ist einfach in, und wenn man etwas für sie tun will, dann bietet sich die Imkerei an. Ohne Bienen keine Bestäubung.“

Doch nicht jeder ist laut Kluxen zum Imker bestimmt. Die Halstenbekerin, die an der örtlichen Volkshochschule den Nachwuchs ausbildet, weiß, wie sie Teilnehmern helfen kann, deren Eignung zu prüfen. „Jeder der VHS-Teilnehmer muss mit den Bienen arbeiten. Von 29 haben dabei im vergangenen Jahr zwei aufgegeben, weil ihnen das doch zu viel Arbeit und zu viele Bienen waren“, so Kluxen.

Thanhäuser dagegen können es gar nicht genug Bienen sein. Er kann sich kein schöneres Hobby vorstellen als die Imkerei. „Ich liebe diese Tiere und bewundere, wie sie sich jedes Jahr aufs Neue organisieren. Mich beruhigt die Arbeit mit ihnen. Das ist ein guter Ausgleich zum Job“, sagt der 52-Jährige, der beides jetzt besser miteinander verbinden kann.

Eine Einführung in die Imkerei gibt Christa Kluxen am Sonnabend, 21. Juni. Der dreistündige Anfänger-Workshop beginnt um 10 Uhr. Treffpunkt: Obstwiese der Japanischen Schule in Halstenbek, Dockenhudener Chaussee 79. Anmeldung ist über die VHS Halstenbek unter Telefon 04101/58770 möglich. Kosten: 15 Euro pro Teilnehmer.