Als Chef der Kreisverwaltung gibt Oliver Stolz strategische Ziele vor und vertritt den Kreis gegenüber dem Land

Von seinem Büro aus im fünften Stock des Kreishauses in Elmshorn hat er einen guten Überblick. Das gilt auch für das Amt, das Oliver Stolz, 47, jetzt seit vier Jahren innehat. Stolz ist einer der elf Landräte in Schleswig-Holstein und leitet die Kreisverwaltung Pinneberg mit rund 700 Mitarbeitern in Elmshorn und ihren Außenstellen in Pinneberg und Moorrege, wo die Kfz-Zulassungsstelle und der Bauhof des Kreises untergebracht sind.

Stolz ist aber nicht nur Behördenchef. Er vertritt den Kreis Pinneberg in seinen eigenen Tochtergesellschaften und Beteiligungen. Dazu gehören die Wirtschaftsförderungsgesellschaft WEP, das Busunternehmen KViP und die Gesellschaft für Abfallbehandlung GAB, wo der Landrat automatisch jeweils Vorsitzender der Gesellschafterversammlung ist. Auch beim größten Arbeitgeber im Kreis Pinneberg, den Regio-Kliniken, vertritt er die Interessen des Kreises, der dort aber nur noch Minderheitsgesellschafter ist. Bei der Sparkasse Südholstein, die einmal aus der Kreissparkasse Pinneberg hervorging, ist Landrat Stolz als Vorsitzender des Verwaltungsrates erster Kontrolleur des Sparkassenvorstandes.

So gesehen ist das Amt des Landrats im Kreis Pinneberg auch eine Art Konzernchef-Position. Vor allem die Eigenkapital-Krise bei der Sparkasse, die zur Schließung von sieben weiteren Filialen im Kreis Pinneberg führte, habe ihn zuletzt zeitlich stark beansprucht, sagt Stolz.

Bevor Stolz 2010 Landrat wurde, war er Bürgermeister der Gemeinde Rellingen. Auch der hauptamtliche Bürgermeister leitet die Verwaltung seiner Stadt. Doch es gebe wesentliche Unterschiede zwischen diesen Ämtern, hat Stolz erkannt. „Als Landrat muss ich die Verwaltung anders führen, kann nur noch strategische Ziele vorgeben.“ Während er in Rellingen bei Planungen und Bauvorhaben immer persönlich involviert war, muss er diese Aufgaben jetzt seinen Fachleuten in den drei Fachbereichen mit den 20 Fachdienstleitern überlassen.

„Das operative Geschäft machen meine Mitarbeiter“, sagt Stolz. Er kann nur die Richtung vorgeben, sich einmal wöchentlich von den Fachbereichsleitern über die aktuellen Entwicklungen unterrichten lassen. Und natürlich muss er den Kreis nach außen gegenüber der Landesregierung oder dem Landkreistag vertreten und dabei auch mal Kritik üben, wenn wie jetzt beim geplanten Finanzausgleichsgesetz die Landeszuschüsse geringer werden sollen.

Intern hat Stolz zum Beispiel das Gesundheitsmanagement in der Kreisverwaltung eingeführt. Eine Umfrage unter allen Mitarbeitern, wie sie ihr Wohlbefinden bei der Arbeit einschätzen, ist daraus entstanden; die Wünsche werden nun nach und nach umgesetzt. Die Kooperation mit einer Krankenkasse soll zusätzlich helfen, dass der Krankenstand in seinem Haus auf ein Minimum zurückgeht. Damit will Stolz die Kreisverwaltung auch in Zukunft bei jungen Leuten attraktiv machen und so dem durch den demografischen Wandel verursachten Fachkräftemangel begegnen. Dies versteht der Landrat unter strategischen Zielen, die für ihn Chefsache sind.

In der Bevölkerung ist ein Landrat dagegen weit weniger verankert als ein Bürgermeister, weiß Stolz aus eigener Erfahrung. Trotz eines wöchentlichen Arbeitspensums von 60 Stunden taucht er in der Regel nicht bei den Sportvereinen oder Hauptversammlungen auf. Er gratuliert nicht zum 90. Geburtstag oder zur Goldenen Hochzeit. Ehrungen, die es auch auf Kreisebene gibt, oder Einbürgerungsfeiern übernimmt meist der Kreispräsident. Der Landrat agiert mehr im Hintergrund. Insofern hält es Stolz auch für gerechtfertigt, dass die Landesregierung vor einigen Jahren die Direktwahl der Landräte wieder abgeschafft hat. So wählen die Bürger, völlig unabhängig von den politischen Verhältnissen in ihrem Gemeinderat, zwar alle sechs Jahre ihren Bürgermeister. Der Landrat dagegen muss sich allein dem Kreistag erklären und Rechenschaft ablegen, der ihn wiederwählen oder absetzen kann. So ist das Amt des Landrats im Vergleich zum Bürgermeister wieder politischer und politikabhängiger geworden. Ende 2015 steht die nächste Landratswahl im Kreis Pinneberg an. Stolz will sich wieder zur Wahl stellen.

Außerdem ist der Landrat viel mehr ausführendes Organ, was gesetzgeberische Vorgaben angeht, als es ein Bürgermeister auf Ortsebene ist. Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, Naturschutzbelange, Denkmalpflege, Gesundheitsvorsorge, Bauaufsicht – der Kreis muss als nachgeordnete Behörde des Landes dafür sorgen, dass die gesetzlichen Auflagen erfüllt werden, die Bundes- und Landtag beschlossen haben. Da ist so gut wie kein Spielraum für den Kreis. Fast 90 Prozent des 300-Millionen-Etats werden für solche Pflichtaufgaben aufgewendet.

Umso mehr ist der Landrat gefragt, wenn es darum geht, den Schuldenberg von zurzeit rund 85 Millionen Euro abzubauen. Die Möglichkeiten sind zwar begrenzt, weil freiwillige Ausgaben nur einen Bruchteil des Etats ausmachen. Aber Aufgabenteilungen und gezielte Prävention können den Handlungsspielraum vergrößern. Darum hat der Kreis mit Quickborn eine gemeinsame Gesellschaft gegründet, die elektronische Datenverarbeitung für mehrere Behörden erledigt und der sich inzwischen auch das Amt Rantzau und die Stadt Altenholz angeschlossen haben. Weitere Kommunen werden folgen. „Dieser Trend wird sich fortsetzen“, ist Stolz überzeugt. Der Kostendruck werde die kommunalen Verwaltungen zu weiteren Kooperationen zwingen. Bestimmte Aufgaben könnten auf die Ortsebene verlagert werden. Mit Rendsburg-Eckernförde hat der Kreis Pinneberg ein gemeinsames Stiftungs-Management. Eine gezielte Sozialplanung soll helfen, die exorbitant steigenden Ausgaben für die Jugend- und Eingliederungshilfe wieder in den Griff zu bekommen. Gehaltsabrechnungen übernimmt seit einiger Zeit die Versorgungsanstalt des Bundes und Länder für den Kreis Pinneberg.

Trotz all dieser Aufgaben, die den Landrat zum einflussreichsten Verwaltungsmann auf Kreisebene machen, begreift sich Stolz nicht als den ersten Bürger des Landkreises. „Das ist alles schon sehr auf die Kreisverwaltung begrenzt. Man muss sich seiner Bedeutung bewusst sein.“