Gudrun Bichowski stemmt Vollzeitjob in der Altenpflege und ihr Ehrenamt in Schenefeld

Schenefeld. „Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie.“ Alle Augen sind auf Gudrun Bichowski gerichtet, wenn sie mit diesen Worten die Schenefelder Ratsversammlung eröffnet. Als Bürgervorsteherin hat sie die Leitung des höchsten Gremiums der Stadt inne. Bei den in der Vergangenheit sehr turbulenten Sitzungen in Schenefeld war es keine leichte Aufgabe, die Ruhe zu bewahren und die hitzigen Diskussionen in richtige Bahnen zu lenken. Seit kurzen schauen ihr dabei nicht nur sämtliche Kommunalpolitiker und interessierte Zuschauer auf die Finger, sondern auch ihre Vorgänger. Deren Portraits hängen jetzt im Ratssaal und haben Bichowski „im Blick".

Dabei steht die Schenefelderin gar nicht gern im Mittelpunkt. Vielleicht ist sie genau aus diesem Grund auch so beliebt. Die Sozialdemokratin genießt einen guten Ruf, auch bei den anderen Parteien. 2008 übernahm sie den höchsten ehrenamtlichen Job der Stadt, der in Schenefeld Bürgervorsteher heißt und nicht mit der Bürgermeisterin als Chefin der Stadtverwaltung zu verwechseln ist. In größeren Orten wie beispielsweise Wedel wird Bichowskis Job mit dem Titel Stadtpräsident bezeichnet, und auf Amtsebene heißt er Amtsvorsteher. Allen ist gemein, dass sie dem höchsten politischen Gremium ihrer Kommune vorstehen und als neutrale Instanz gelten. Letzteres scheint Bichowski in ihrer ersten Amtszeit gut gelungen zu sein. Immerhin wählten sie 2013 alle sechs im Rat vertreten Fraktionen einstimmig als Bürgervorsteherin wieder.

Dabei hatte die heute 61-Jährige mit der Aufgabe anfangs gehadert. Als die Sozialdemokraten bei der Kommunalwahl vor sechs Jahren der CDU in Schenefeld die Mehrheit abrangen, erkämpften sie sich damit auch das Vorschlagsrecht für die Bürgervorsteherin. Schnell hatten sich die Genossen Bichowski ausgeguckt. Die zögerte. „Ich habe mir so ein hohes Amt gar nicht zugetraut“, erinnert sie sich. Doch am Ende einer schlaflosen Nacht, die sie sich ausgebeten hatte, sagte sie sich: „Warum eigentlich nicht? Mach’ das einfach.“ Bereut hat sie diese Entscheidung nicht, wie sie sagt.

Dabei stemmt die Schenefelderin ihr Amt als Bürgervorsteherin zusätzlich zu ihrem Vollzeitjob in der Altenpflege. Bichowski arbeitet als Einsatzleitung für die Diakonie in Flottbek. Von 7 bis 16 Uhr geht ihre Schicht. Danach ist Zeit für ihre Pflichten als Bürgervorsteherin. Die sind zahlreich. Urkunden unterzeichnen, Veranstaltungen besuchen, Ratsherrn vereidigen, die jährliche Einwohnerversammlung zu relevanten Themen der Stadt organisieren, Partnerstädte besuchen und die Freundschaft pflegen. Außerdem Einladungen etwa zum Volkstrauertag, aber auch das Schreiben zum Bürgerentscheid Friedhof verschicken und eine Sprechstunde anbieten, um Sorgen und Nöte der Schenefelder aufzunehmen und gegebenenfalls weiterzuleiten.

Aber ihre Hauptarbeit besteht darin, die Stadt zu repräsentieren. Als Vertreterin ihrer Wahlheimat besucht sie Schenefelder, die einen hohen runden Geburtstag feiern. Sie überbringt Grüße zum 80. oder 90. Geburtstag. Zudem gratuliert sie Ehepaaren zum Beispiel zur Goldenen Hochzeit. Diese Termine machen ihr am meisten Spaß. Dann erfährt sie, wie die Stadt früher aussah, wie sich die heutigen Bewohner nach dem Krieg durchgeschlagen, was sie erlebt haben. „Das interessiert mich sehr. Dabei nehme ich auch immer sehr positive Eindrücke mit“, so Bichowski.

Diese Momente entschädigen sie für den Aufwand und nicht die Entschädigungszahlung, die sich nach der Größe des jeweiligen Ortes richtet und die von Bichowski vor allem in Kleidung investiert wird. „Als Vertreter der Stadt sollte man ordentlich gekleidet zu den Terminen erscheinen. Das gehört sich einfach so“, sagt die 61-Jährige, die in dem kleinen Ort Niederkleveez am Plöner See groß geworden ist. Nach Schenefeld verschlug es sie Ende der 70er-Jahre. Bichowski, die im Altonaer Krankenhaus arbeitete, suchte nach günstigem Wohnraum im Grünen. „Ich bin auf dem Land groß geworden und sehnte mich nach weiten grünen Flächen“, so die Bürgervorsteherin. Der Garten ihrer Wohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in Schenefeld-Dorf, das sie mit ihrem Mann Kurt bewohnt, ist genau das: ein kleines grünes Paradies. Der Flieder blüht und verbreitet seinen Duft. Ein Mini-Teich bettet sich in die gepflegten Beete. Bei der Gartenarbeit kann Bichowski entspannen.

Es ist der nötige Ausgleich für ihren Beruf und ihr Ehreamt, das ihr zuweilen auch viel abverlangt. „Manchmal drückt das Amt“, sagt sie. Damit meint sie vor allem die schwierigen politischen Zeiten, in denen sie auch mal Drohanrufe erhielt oder wie kürzlich auch sehr persönlich angegriffen wurde. „Ich versuche, es nicht an mich herankommen zu lassen“, sagt sie. Viele wüssten nicht, dass sie diesen Job ehrenamtlich mache. Manche würden sie auch mit der Bürgermeisterin verwechseln. „Von 100 Schenefeldern weiß nicht einmal die Hälfte, was eine Bürgervorsteherin ist“, schätzt die Schenefelderin, deren Sohn selbst lange politisch aktiv war und die Mutter zur SPD holte. Warum sie sich politisch so einbringt? „Es macht Spaß, und bei uns Zuhause ist zur Wahl gehen das oberste Gebot.“