Autobahn-Bauarbeiten: Erste Firmen müssen Aufträge ablehnen. Handelskammer und Kreis arbeiten an Lösungen

Kreis Pinneberg. Seit Monaten wird vor einem Verkehrskollaps rund um Hamburg gewarnt. Unternehmerverbände, die WEP und auch Kreis- und Landespolitiker fordern schnelle Lösungen, um einem drohenden Verkehrsinfarkt zu entgehen. Weil die Lage schon jetzt immer prekärer wird, können die ersten Unternehmen von Handwerkern bis Speditionen inzwischen Aufträge nicht mehr annehmen.

Die Ursache der angespannten Verkehrslage sind die Baustellen, die vor allem entlang der A 7 eingerichtet werden. Marode Brücken müssen erneuert werden, die Elbtunnelrampen sind weitgehend abgefahren, der Ausbau der A 7 auf vier Spuren je Fahrtrichtung in Hamburg und jeweils drei Spuren in Schleswig-Holstein sowie der Bau eines Deckels bei Hamburg-Stellingen, dies alles sorgt für Staupotenzial. Doch an den Baustellen führe kein Weg vorbei, erklärte Schleswig-Holsteins Verkehrsstaatssekretär Frank Nägele, SPD, Anfang April in Kiel.

Das hilft den auf Transportwege angewiesenen Unternehmern wenig, zumal auch die A 23 als Zubringer zur A7 schon jetzt regelmäßig verstopft ist. Claudia Mohr, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Westholstein, kennt die Klagen von Dutzenden Handwerkern und Bauunternehmern im Kreis Pinneberg. „Es wird extrem früh losgefahren, um noch irgendwie durch den Verkehr zu kommen“, sagt sie.

Doch vor dem großen Pendlerstau noch nach Hamburg und Niedersachsen reinzukommen, werde immer schwieriger, weil andere dasselbe probierten. „Vor dem Deckelbau in Stellingen graust uns“, sagt Mohr. Sie befürchtet, dass sich die Lage dann nochmals drastisch verschlimmern wird, da Stellingen ohnehin bereits ein Nadelöhr sei. Täglich staut sich vor der Abfahrt der Verkehr auf mehreren Kilometern.

„Einige Aufträge werden wegen der Verkehrslage bereits abgelehnt“, berichtet sie. Denn das Arbeitsziel sei für die Betriebe einfach nicht mehr in einer vertretbaren Zeit erreichbar. Jeder Wagen, der im Stau stecke, sei totes Kapital und koste Geld. Bevor also der Auftrag wegen der schlechten Verkehrssituation zum Minusgeschäft wird, wird er lieber abgelehnt und der Konkurrenz überlassen.

Das kann auch Norbert Lanz bestätigen. Der Quickborner hat einen Holzbaubetrieb und muss daher regelmäßig zu Baustellen fahren. „Es sind ja nicht nur die Autobahnen, die dicht sind, auch drumherum sind etliche Baustellen vorhanden“, sagt er. Ausweichstrecken gebe es daher kaum.

Für eine Fahrt von Quickborn nach Hamburg müssten inzwischen im Schnitt mindestens 30 Minuten mehr eingeplant werden. Oftmals reiche aber auch das nicht. Das bedeutet für ihn, dass seine Mitarbeiter für die Wartezeit im Stau bezahlt werden und die effektive Arbeitszeit sinkt. „Wenn wir deswegen Überstunden machen, können wir diese dem Kunden schlecht in Rechnung stellen“, sagt er. Das sieht Claudia Mohr genauso. Preiszuschläge seien zwar theoretisch möglich und auch sinnvoll, das Verständnis dafür gebe es bei vielen Kunden aber nicht.

Noch früher als bisher loszufahren und so dem Stau womöglich zu entgehen, ist wenig sinnvoll. Lanz: „Das leidige Thema für uns ist, dass wir vor 7 Uhr in Hamburg keinen Lärm machen dürfen.“ Er könne zwar Mitarbeiter so früh losschicken, dass sie bereits um sechs auf der Baustelle wären, aber dann müssten sie dort tatenlos herumsitzen.

Paul Raab, Leiter der IHK-Zweigstelle Elmshorn, kennt die Sorgen der Unternehmer. Eine Alternative zu den Autobahn-Baustellen sieht er jedoch nicht. Schleswig-Holstein werde von den zusätzlichen Spuren auf der A7 profitieren. „Die Unternehmen wollen daher konstruktiv mit den Einschränkungen umgehen“, sagt Raab. Die IHK halte daher auch engen Kontakt zu Logistikern und anderen betroffenen Firmen.

„Im Wesentlichen gehen Vorschläge aus der Logistikbranche dahin, den Verkehr zeitlich und räumlich besser zu verteilen“, sagt der IHK-Leiter. Bereits jetzt seien in den Stoßzeiten auf der A23 erhebliche Fahrzeitverlängerungen zu verzeichnen. Im Sommer müsse daher vor allem der Ferienverkehr nachdrücklich auf die Ausweichroute über die A1 und A21 hingewiesen werden, um für eine Entspannung der Lage zu sorgen. „Die Industrie- und Handelskammer wird zusammen mit dem Kreis Pinneberg das Baustellenmanagement im Sinne der Unternehmen begleiten“, kündigt Raab an.

Norbert Lanz hat bereits einige praktische Vorschläge in der Tasche, wie für Entspannung gesorgt werden könnte. Zum einen müsste Hamburg die Ampeln, die direkt an den Ausfahrtrampen stehen, entfernen. Dann würde es ausreichende Auslaufstrecken für den Verkehr geben. Sonst werde es ständig einen Rückstau bis auf die Autobahnen geben. Ein weiterer Vorschlag: Bund und Länder sollten die linke Fahrspur zur Transitspur umwandeln, so wie dies in anderen Ländern bereits praktiziert wird. Dies würde verhindern, dass Pendler bis zuletzt ganz links fahren, um sich dann direkt vor der Ausfahrt nach rechts reinzudrängen und alles zu blockieren. Der Durchgangsverkehr hätte dann endlich wieder freie Fahrt.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Peter Lehnert aus Bilsen fordert von der Kieler Landesregierung, endlich zu handeln. Schleswig-Holstein brauche Taten, damit es nicht „zum größten Parkplatz Deutschlands“ werde, sagt er. Erforderlich seien ein tragfähiges Baustellenmanagement, zusätzliche Park-and-Ride-Plätze und die Elektrifizierung sowie eine Taktverdichtung bei der AKN-Bahn. Die Staugefahr beim bevorstehenden Ausbau der A7 könnte halbiert werden, wenn fünf Prozent der Pendler öffentliche Verkehrsmittel nutzten.

Lehnert favorisiert insofern einen durchgehenden zweispurigen Ausbau der AKN-Strecke von Kaltenkirchen bis Hamburg-Eidelstedt. Der Christdemokrat regt in diesem Zusammenhang an, bereits ab 2018 statt 2020 die AKN auf der Strecke Eidelstedt-Kaltenkirchen elektrisch fahren zu lassen.