Der Fall Krauß spaltet Kommunalpolitik. Eklat im Hauptausschuss: CDU-Fraktion verlässt Sitzung und droht mit Boykott

Schenefeld. Anfangs ging’s einfach nur um das richtige Theater für die Forumsbühne. Doch während immer noch unklar ist, wie und wann es denn kulturell gesehen in Schenefeld weitergeht, ist das Theater auf der politischen Bühne umso größer. Am Donnerstag erreichte der Streit seinen vorläufigen neuen Tiefpunkt. Die wegen einer Anzeigenflut gegen Kommunalpolitiker einberufene Sondersitzung des Hauptausschusses mündete in einem Eklat.

Nach einer knapp einstündigen Diskussion hinter verschlossenen Türen verließ die CDU geschlossen das Rathaus, angeführt vom wütenden Fraktionschef Hans-Jürgen Rüpcke. Zuvor hatte er nach Informationen des Abendblattes seinen Politikerkollegen mit der Kommunalaufsicht und einem Boykott aller Hauptausschusssitzungen gedroht.

„Das war eine schwarze Stunde in der Politik Schenefelds“, sagte Mathias Schmitz von den Grünen noch am Abend. Manfred Pfitzner, Vorsitzender der BfB, kann ihm am Tag danach nur beipflichten. „Das ist kein demokratischer Stil. Die CDU muss lernen, mit Niederlagen zu leben.“ Aus Sicht der Christdemokraten und der OfS ging es am Donnerstag aber um viel mehr als eine Abstimmungsniederlage.

Für sie geht es um Meinungsfreiheit und die Frage, wie man damit umgeht, dass der Chef einer städtischen Einrichtung sich gegen Behauptungen von Ratsmitgliedern mit Unterlassungserklärungen wehrt.

Kurt Krauß, der seit 20 Jahren das Jugend- und Kommunikationszentrum Schenefeld (JUKS) leitet, ist bei der vergangenen öffentlichen Ratssitzung zwischen die politischen Fronten geraten. Er war bei der Debatte, die eigentlich ums Forum und ein mögliches vorliegendes Bespielungskonzept vom JUKS gehen sollte, sehr persönlichen Angriffen ausgesetzt. Für Krauß war das zu viel. Er wehrt sich wegen Verleumdung mit Hilfe eines Anwaltes, verschickte gleich an drei Ratsmitglieder der CDU sowie einen Vertreter der OfS und eine Christdemokratin, die als Privatperson einen Brief verlesen hatte, Unterlassungserklärungen. Zudem kündigte der Anwalt in dem Schreiben an, die Staatsanwaltschaft einzuschalten und Aufsichtsbeschwerden gegen die Politiker einzureichen.

Den Fall Krauß wollten die Christdemokraten am Donnerstag aufarbeiten. Doch dazu kam es überhaupt nicht. Weil Krauß schriftlich auf seine Rechte verzichtete und damit den Weg für eine öffentliche Diskussion freimachte, ging es gleich zu Beginn der Sitzung hoch her. Denn die Grünen beantragten, den Tagesordnungspunkt öffentlich zu behandeln. Etwa 50 Zuhörer, darunter auch Krauß selbst, waren ins Rathaus gekommen. Sie warteten vor leeren Sitzungsreihen fast eine Stunde lang, während hinter verschlossenen Türen im Nebenraum um das weitere Vorgehen gerungen wurde.

SPD und BfB schlossen sich den Grünen an. Für CDU und OfS ein Unding. Sie argumentierten, dass nicht nur die Persönlichkeitsrechte von Krauß schützenswert seien, sondern auch die der betroffenen Politiker. Zudem machten sie deutlich, dass aufgrund des laufenden Verfahrens und angesichts drohender weiterer Anwaltsschreiben eine ehrliche öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema gar nicht möglich wäre. Das überzeugte die Mehrheit aber nicht, sie sahen kein berechtigtes Interesse der juristisch angegangenen Ratsmitglieder. Auch von der Stadtverwaltung gab es in diesem Punkt keine Unterstützung der rechtliche Auffassung von CDU/OfS. Bürgermeisterin Christiane Küchenhof, SPD, die von der CDU für ihre Haltung harsch kritisiert wird, konnte dazu keine Stellung beziehen. Sie ist seit Freitag im Urlaub.

Für die CDU ist die ganze Abstimmung ein Affront. „Das hat uns schockiert“, sagt Fraktionschef Rüpcke, der kurzzeitig an dem Abend überlegte hinzuschmeißen. Und damit steht er nicht allein da. Auch Andreas Wilken, der als OfS-Mitglied den Hauptausschuss leitet, ist über die derzeitige Streitkultur in Schenefeld entsetzt. „Ich kann das Verhalten der CDU verstehen. Die Entscheidung war unsozial und undemokratisch. So etwas habe ich lange nicht mehr erlebt. Unter diesen Voraussetzungen stellt man sich die Frage, ob man sich das weiter antun will.“ Auch Fraktionschef Jörg Evers stellte sich die Frage nach dem turbulenten Abend. „Wir sind irgendwie in einen Strudel geraten, aus dem wir nicht mehr herauskommen. Die Fronten sind dermaßen verhärtet. Das wird ganz schwierig, wieder zu einer vernünftigen Zusammenarbeit zurückzukehren.“

CDU fordert JUKS-Chef Krauß auf, seinen Posten freiwillig zu räumen

Wie es weitergehen soll? Ratlosigkeit auf allen Seiten. Die CDU will zumindest die Drohung in Sachen Kommunalaufsicht nicht mehr wahrmachen will. Am Freitag rudert Rüpcke in diesem Punkt zurück. Aber er schließt weitere Schritte wie einen Boykott von Ausschusssitzungen nicht aus. Das wollen die Christdemokraten aber am Montag bei einer Versammlung klären. Klar ist, dass die CDU die Sache Krauß nicht auf sich beruhen lassen will. „Das Vorgehen des Herrn Krauß stellt einen Angriff auf das Fundament der Kommunalpolitik dar, wenn Ratsmitglieder ihre Meinung nicht mehr in der Öffentlichkeit frei äußern können“, heißt es in einer CDU-Erklärung von Freitag. Er habe der Stadt und den Betroffenen vorsätzlich geschadet. Sie fordert deshalb: „Er sollte dafür die Verantwortung tragen und seine Stelle freiwillig aufgeben.“