Deutschland diskutiert über Zuzug von Bulgaren und Rumänen. Im Kreis Pinneberg sind sie willkommen

Kreis Pinneberg. Es sei nicht richtig, wie die Diskussion um Zuwanderer aus EU-Ländern geführt wird, meint Mariela Arsana. Zu einseitig, zu negativ. Von Armutstouristen und Sozialtourismus ist die Rede. Die junge Bulgarin und ihr Mann Ruslan verfolgen die Berichterstattung zur neuen Freizügigkeitsregelung aufmerksam. Sie und ihre Landsleute würden in ein schlechtes Licht gerückt. „Ich bin nicht in Deutschland, um von Sozialgeld zu leben“, sagt die 32-Jährige. „Ich möchte arbeiten.“ Sie hat einen Integrationskursus besucht und lernt derzeit intensiv die deutsche Sprache.

Mariela Arsana kam vor sieben Monaten mit ihrer sieben Jahre alten Tochter und dem vierjährigen Sohn aus Warna, einer Hafenstadt am Schwarzen Meer, nach Pinneberg. Ihr Mann Ruslan, 35, arbeitet seit zwei Jahren in Hamburg im Trockenbau. „Er arbeitet viel und lange“, sagt Arsana, die in ihrer Heimat ihr Geld als Künstlerin verdiente. Doch die Auftragslage war schlecht. „Zwei Jahre konnte ich in Bulgarien keine Arbeit finden. Wir möchten unseren Kindern ein gutes Leben ermöglichen.“ Deswegen entschloss sie sich, ihrem Mann zu folgen. „Hier gibt es Arbeit und der Lebensstandard ist gut.“

„Mit dem Wort Sozialtourismus wird gezielt Stimmung gemacht“, sagt Ludger Fischer, Leiter des Diakonievereins Migration in Pinneberg. In der Beratungsstelle an der Bahnhofsstraße werden Integrationskurse angeboten, die Zuwanderern die Ankunft erleichtern sollen, darunter auch Bulgaren und Rumänen.

Die Debatte suggeriere, dass nur arme Menschen nach Deutschland kämen und das Sozialsystem ausnutzen wollten. „Das können wir nicht bestätigen“, sagt Fischer. Viele der Zuwanderer hätten gute Schulabschlüsse oder auch die Hochschulreife. Die meisten suchten Arbeit. Gerade erst hat er einen rumänischen Staatsangehörigen als Fahrer an eine Betonfirma vermittelt. Gute Chancen sieht er für die Zuwanderer auch in der Lagerlogistik und im Handwerk. „Im Vergleich mit anderen Nationen spielen Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien zahlenmäßig aber eine untergeordnete Rolle“, so Fischer.

Die Statistik der Ausländerbehörde für den Kreis Pinneberg bestätigt seine Aussage. So wurden im Jahr 2012 insgesamt 174 Bulgaren und 294 Rumänen im Kreis registriert. Ein Jahr später waren es 234 Bulgaren und 374 Rumänen. Danach ist ein leichter Zuzug zu verzeichnen, der nicht auffällig ist. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lebten 6102 Türken, 2464 Polen, 905 Zuwanderer aus der Russischen Förderation, 743 Griechen und 578 Italiener und genauso viele Spanier im Kreis. Es gibt zum Beispiel mehr Dänen, Franzosen oder Niederländer hier als Bulgaren. „Anhaltspunkte für einen vermehrten Zuzug seit Beginn dieses Jahres gibt es derzeit nicht“, sagt auch Kreissprecher Marc Trampe. Seitdem gilt die Freizügigkeit für Rumänen und Bulgaren.

In der Diskussion um Sozialleistungen für EU-Bürger wird den Zuwanderern aus Osteuropa häufig Sozialmissbrauch unterstellt. Jörg Kregel, Sprecher im Jobcenter Elmshorn, kann dies so nicht bestätigen. „Am Monatsanfang und -ende, den Spitzenzeiten, kommen durchschnittlich 120 bis 140 Kunden ins Jobcenter“, sagt er. Die Zahl sei konstant. „Wir können bisher keine Auffälligkeiten oder einen erhöhten Kundenansturm ausmachen.“ EU-Bürger, die ohne Arbeit nach Deutschland kommen, haben zwar Anrecht auf Kindergeld, bei Bedarf Wohngeld und die Grundversorgung in einer Krankenkasse. Hartz IV wird hingegen in den meisten Fällen verweigert.

Zu Michael Mohr, Migrationsberater der Diakonie Rantzau-Münsterdorf, in Elmshorn, kommen vereinzelt EU-Bürger aus Rumänien und Bulgarien, die hier ihr Glück suchen. „Ihnen kann ich nur bedingt helfen und nur auf das Freizügigkeitsrecht verweisen“, sagt er. Einen jungen Mann aus Polen musste er in der Notunterkunft in Elmshorn unterbringen. „Er hatte versucht, hier Arbeit zu finden, leider ohne Erfolg.“

„Die Willkommenskultur der Unternehmer gilt auch für Rumänen und Bulgaren“, sagt Sebastian Schulze, Geschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein UVNord. Ein Europa ohne Freizügigkeit ist für ihn nicht denkbar. „Der europäische Gedanke ist eng mit der Freizügigkeit verknüpft. Und von der kann Deutschland profitieren“, sagt er. Unternehmer hofften auf mehr qualifizierte Fachkräfte. Diese könnten Lücken auf dem Arbeitsmarkt schließen. Gerade in der Pflege gebe es Bedarf. Schon bei der vorherigen Lockerung der Freizügigkeit sei jedoch der große Run auf Norddeutschland ausgeblieben.

„Die Angst, von Zuwanderern aus Osteuropa überlaufen zu werden, die vor allem in Bayern geschürt wird, trifft bei uns ins Leere“, sagt Schulze. Handlungsbedarf sieht er in der Anerkennung der Abschlüsse. „Da können wir noch nachlegen.“