Das Marais Consort gehört zu den Stars des Pinneberger Barockfestivals und zu den führenden deutschen Ensembles für Alte Musik

Pinneberg. Hans-Georg Kramer macht keine halben Sachen. Wenn der Gambist in seiner Wedeler Jugendstilvilla Tee serviert, dann lässt er die handverlesenen Blätter seiner Darjeeling-Lieblingspflückung nicht eine Sekunde zu lang ziehen, dann hat das Wasser die ideale Temperatur und dann gibt’s das köstliche Ergebnis pur, ohne Milch, Sahne, Honig, Zitrone oder ähnliche Zusätze in flachen Keramikschälchen. Nichts lenkt vom Duft und Geschmack des frischen Heißgetränks ab.

Mit mindestens so viel Hingabe und Kompromisslosigkeit widmet er sich seinem Hauptberuf, der Alten Musik. Das mag einer der wesentlichen Gründe dafür sein, dass Kramer sich mit dem von ihm Ende der 70er-Jahre gegründeten und geleiteten Marais Consort einen exzellenten Ruf als eines der deutschlandweit führenden Ensembles für die Kompositionen von der Renaissance bis zur Frühklassik erarbeitet hat. Die Fachwelt feiert die fein differenzierte Transparenz und die subtile Intelligenz, mit der das Sextett aus Gambisten, Cembalo und Sopran sich und seinem Publikum die Klangwelten der alten Meister erschließt. Mit etwa 30 Konzerten pro Jahr zwischen Schweden und der Schweiz ist das Marais Consort gut im Geschäft.

Jetzt steht eines der seltenen Heimspiele an. Mit dem Programm „Musikalische Freundschaften“ eröffnet das Ensemble am Sonnabend, 26. Oktober, das alljährliche Festival Barocker Herbst in der Pinneberger Drostei. Diese Reihe hat Kramer vor Jahren selbst mit aus der Taufe gehoben und ist mit dem Consort regelmäßig dort zu Gast. Selten aber harmonierten Ensemble und Festival thematisch so perfekt wie in diesem Jahr.

Unter dem Motto „L’inspiration francaise“ beleuchtet die Mischung aus Konzerten, Tanz, Vorträgen und Ausstellung das deutsch-französische Musikleben im Barock. Und wer wäre besser für den Auftakt geeignet als ein Gamben-Ensemble, das sich nach Marin Marais, dem Stargambisten am Hof des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. benannt hat?

„Ich suche die pure Essenz der Musik. Unser Ziel ist es, in unseren Konzerten und Aufnahmen die kompositorische Idee, soweit das geht, zu realisieren“, sagt Kramer. Die Werke mit Elementen aus Pop, Jazz oder Folk anzureichern, wie viele namhafte Kollegen das tun, lehne er ab: „Das verwässert die Wirkung, das nimmt der Musik die Stärke.“ Stattdessen plädiert er für forschende Sorgfalt im Umgang mit den überlieferten Quellen. „Wir müssen die Dinge ernst nehmen, die die Komponisten selbst über ihre Musik gesagt oder geschrieben haben.“

Neugier und Offenheit seien die Grundlage, um die Musik so zu interpretieren, wie sie ursprünglich gemeint war. „Wir müssen lesen, in Museen und Archive gehen, immer wieder an der Musik arbeiten, Standpunkte infrage und Zusammenhänge herstellen“, sagt Kramer. Entsprechend intensiv diskutiert das Ensemble auch bei den Proben. Kramer weiß, wie anstrengend seine Genauigkeit für die Kollegen sein kann: „Gelegentlich verfluchen meine Mitspieler mich.“ Halbwissen und mangelnde Wahrnehmung nerven ihn. Und wer eine Stelle anders spielen möchte, muss das inhaltlich begründen können.

Da klingt es logisch, dass ihn weder Auszeichnungen noch der Massenschmack interessieren. „Ich wollte nie allen gefallen. An Wettbewerben haben wir uns nie beteiligt. Da gewinnt nur selten der Beste, sondern in der Regel der Durchschnittsgeschmack.“

Für die Gambe entschied er sich als Jugendlicher. „Ich habe parallel Cello gespielt und liebe bis heute Streichquartette, besonders das Amadeus Quartett.“ Dessen Ausdrucksfähigkeit sei Vorbild für ihn. Die Sinnlichkeit des Klangbildes der alten Instrumente habe schließlich den Ausschlag für die Gambe gegeben. „In diese Klänge habe ich mich verliebt, das hat mich emotional berührt und nicht wieder losgelassen.“