Barmstedter Kino zeigt Filmreihe über psychisch kranke Menschen. Deren Bilder sind in Elmshorn zu sehen

Barmstedt/Elmshorn. Das Leben, Leiden und wieder Gesunden von psychisch kranken Menschen beschreibt eine Filmreihe, die jetzt im Barmstedter Saturn-Kino zu sehen ist. Die Berliner Dokumentarfilmerin Andrea Rothenburg präsentiert dort ihre beiden älteren Werke „Tiefdruckgebiete“ (29. Oktober, 20 Uhr) und „Alfred und Co“ (24. Oktober, 20 Uhr) sowie ihr neuestes Werk „Trink nich’, halt mich, lieb mich“ (22. Oktober, 19.30 Uhr). Die Premiere zum Start der Reihe „Psychiatrie im Film“ wird von einer Podiumsdiskussion begleitet, die nach der Vorführung Zuschauer, Filmemacherin, Darsteller und Therapeuten ins Gespräch bringen soll. „Wir wollen damit allen Betroffenen Mut machen und mit den Vorurteilen gegen psychisch kranke Menschen aufräumen“, sagt Andrea Rothenburg über ihre Intention.

Die Filmemacherin beschäftigt sich seit ihrer Kindheit mit diesem Thema, als sie mit ihrer Familie von Berlin in das kleine Rickling bei Bad Segeberg umzog, wo ihr Vater Ernstjürgen Rothenburg bis 2008 fast 30 Jahre lang die psychiatrische Klinik geleitet hat. Gegen die Vorurteile ihrer Mitschüler, die sie wegen ihrer Biografie oft gehänselt hätten, habe sie lange ankämpfen müssen, sagt die Filmemacherin. „Ich habe viel gelitten, weil ich doch wusste, dass die meisten der 280 Patienten in Rickling nicht bekloppt sind. Das treibt mich immer noch bei meiner Arbeit an.“

Besonders anschaulich wird diese offene Sichtweise auf Suchtkrankheiten, Depressionen und Persönlichkeitsstörungen in dem liebevollen Porträt „Trink nich’, halt mich, lieb mich“ über das Paar Claudia und Andreas Tesch, das sich in der Suchtklinik kennen- und liebengelernt und so Krankheit und Sucht überwunden hat. Wie ihre Liebe, die 2012 auch zur Hochzeit der beiden führte, die jahrzehntelange Alkoholsucht besiegte, beschreibt Andreas Tesch so: „Ich hatte mir gerade acht Flaschen Bier im Supermarkt gekauft, als ich plötzlich Claudia wiedertraf und mich sofort in sie verliebte.“

Nur zwei Flaschen habe er dann noch getrunken und die anderen weggeworfen, erzählt er. 17 Jahre fast tägliches Komasaufen bis zum Umfallen hörten „schlagartig“ auf. Seit zwei Jahren sind er und seine Angetraute Claudia trocken. „Ich bin ein ganz anderer Mensch geworden“, sagt Claudia und schaut dabei ihrem Andreas tief in die Augen. Sie trank auch viele Jahre lang und nahm andere, illegale Drogen. „Ich hatte Depressionen, Angstzustände und hörte Stimmen“, sagt sie und rät Jugendlichen, „bloß keine Drogen zu nehmen“.

Diese rührende Liebesgeschichte und der gemeinsame Ausstieg aus Suchtkrankheit, Depression und Psychose zeigt der Film zum Auftakt der Reihe am kommenden Dienstag, 22. Oktober, im Saturn-Kino, Am Markt 16. An der anschließenden Diskussion nehmen außer den beiden Protagonisten und der Regisseurin auch der jetzige Leiter der Psychiatrie in Rickling, Hans-Joachim Schwarz, sowie Angelika Fischer-Dörffler teil. Fischer-Dörfler leite das Therapiezentrum Ahornhof in Groß Offenseth-Aspern, sagt Reinhard Klietz, Betreiber des Barmsteder Saturn-Kinos.

Der Programm-Kinomacher Klietz beteiligte sich schon 2010 an der Filmreihe „Psychiatrie im Film“ und zeigte das Erstlingswerk „Tiefdruckgebiete“ von Andrea Rothenburg, das jetzt auch wieder zu sehen ist. Darin wird das Schicksal von Petra Thomsen beschrieben, die völlig aus der Bahn geworfen wurde, als sie erfuhr, dass ihre leibliche Mutter sie zur Adoption freigegeben hatte.

„Ich war völlig traumatisiert, wurde böse und zornig und hatte Selbstmordgedanken“, erinnert sich Thomsen an diese schwierige Zeit. Sie litt am Borderline-Syndrom, ritzte sich die Adern auf. „Der Schmerz war wichtig. Ich war tieftraurig, stumpf und depressiv.“

Die Malerei in der Kunsttherapie in Rickling hat sie aus diesem Teufelskreis herausgeholt. „Ich ließ mich nicht kleinkriegen, stand immer wieder auf“, erzählt Petra Thomsen. Dabei lernte sie Andrea Rothenburg kennen und inspirierte sie dazu, einen ersten Film über das Thema kranke Seelen zu drehen. Inzwischen ergänzen sich die beiden Frauen. Thomsen sei ihre Assistentin, sagt Rothenburg. Gemeinsam haben sie auch den dritten Film „Alfred und Co“ gemacht, der mehr oder weniger schwer erkrankte Patienten aus Rickling zeigt, sie zu Wort kommen und malen lässt. Alfred Wilkens hat dabei die meiste Erfahrung von allen. Er lebt seit 35 Jahren in einer psychiatrischen Einrichtung. „Ich komm hier nicht mehr raus“, sagt er selbst in dem anrührenden Film, der am 24. Oktober im Saturn-Kino läuft.

Die Filmreihe, die sie nun bundesweit und bald auch in London präsentieren wolle — „diese Probleme gibt es auf der ganzen Welt“ —, solle nicht nur Betroffenen Mut machen und Vorurteile abbauen, sondern auch aufrütteln, erklärt Andrea Rothenburg. „Unser Gesundheitssystem ist krank. Auf einen Therapieplatz müssen Betroffene oft Monate, wenn nicht Jahre warten.“

Die Filmreihe wird begleitet von einer Ausstellung in der „Auszeit am See“ in Elmshorn, wo vom 22. Oktober bis 29. November die Bilder der Kunsttherapie-Patienten aus dem Film „Alfred und Co“ zu sehen sind.