Cornelia Möhring, Bundestagsabgeordnete der Linken, über ihre Wahlkreisentscheidung, was Wähler erwarten können und Chancen für ein Linksbündnis

Kreis Pinneberg. Mit Cornelia Möhring hat der Kreis Pinneberg jetzt vier Abgeordnete im Bundestag. Die Stellvertreterin von Fraktionschef Gregor Gysi zog als Spitzenkandidatin über die Landesliste ein. Ihr Wahlkreisbüro ist am Bauerweg in Elmshorn.

Hamburger Abendblatt:

In Berlin verhandeln SPD und Grüne mit der CDU über die Bildung der künftigen Bundesregierung. Sprechen die beiden nicht mit der falschen Partei?

Cornelia Möhring:

Das kommt auf die Sichtweise an. Aus deren Logik sprechen sie mit der richtigen Partei, wenn es ihnen nicht um einen Politikwechsel geht. Denn von ihrem Wahlprogramm werden sie mit der CDU/CSU nur wenig durchsetzen können und eher den Status quo verfestigen. Ich hatte meinen Kollegen von SPD und Grünen schon im Wahlkampf vorgeworfen, dass sie keinen Politikwechsel anstreben, weil sie entweder die große Koalition oder Schwarz-Grün vorbereiteten. Für Rot-Grün fehlte von vornherein eine Mehrheit. Gegen Schwarz-Grün spricht die fehlende Mehrheit im Bundesrat, sonst würden es die Grünen sicher gerne machen. Ihre wichtigsten Forderungen könnten SPD und Grüne aber nur mit uns umsetzen.

Warum ist Rot-Rot-Grün anscheinend auf Bundesebene noch nicht möglich? Aktuell hätte so ein Bündnis eine Acht-Stimmen-Mehrheit, die es auch schon 2005 gegeben hätte.

Möhring:

Da muss man unterscheiden. Es gibt zwar eine parlamentarische Mehrheit für Rot-Rot-Grün. Aber es gibt keine Mehrheit in der Gesellschaft für ein solches Links-Bündnis. Wenn man die Wähler fragt, sprechen sich nur 21 Prozent für Rot-Rot-Grün aus. Dazu sind die Parteien noch zu verkrustet. Wenn wir eine gesellschaftliche Mehrheit für Rot-Rot-Grün wollen, müssen sich auch die Gewerkschaften bewegen.

Inwiefern?

Möhring:

Die Gewerkschaften haben sich im Wahlkampf ausschließlich für SPD und Rot-Grün eingesetzt. Sie müssten sich für ein Linksbündnis aussprechen, damit es umgesetzt werden könnte. Dass die Gesellschaft noch nicht reif dafür ist, zeigt sich auch an der fehlenden Wechselstimmung. Die Regierung Merkel sitzt fest im Sattel.

Die Linke sei unzuverlässig und sicherheitspolitisch nicht vorzeigbar, heißt es von Seiten der SPD und Grünen. Ist da was dran?

Möhring:

Wenn unzuverlässig bedeutet, mit uns gibt es keine Kriegseinsätze, einen Stopp der Waffenexporte, Frieden und keinen Krieg, dann sind wir unzuverlässig. Wenn SPD und Grüne sich verweigern, Kriegseinsätze zu beenden und Waffenexporte zu stoppen, sind sie ausgesprochen unzuverlässig in Sicherheitsfragen.

Zu welchen Zugeständnissen wäre Die Linke denn bereit, um eine rot-grüne Bundesregierung zu tolerieren oder mit ihr gemeinsame Sache zu machen?

Möhring:

Das muss man an den Themen festmachen. Wenn wir tatsächlich zu einer Steuergerechtigkeit kommen wollen, dann muss konsequent umverteilt werden. Wenn wir prekäre Beschäftigung bekämpfen wollen, müssen wir den Mindestlohn durchsetzen. Um dieses Land friedenspolitisch auszurichten, sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen. Für die soziale Gerechtigkeit muss das Kontrollsystem von Hartz IV abgeschafft werden.

Hier wären also keinerlei Abstriche möglich?

Möhring:

Hartz IV, so wie es jetzt besteht, ist mit uns nicht zu machen.

Solange also Hartz-IV existiert, wird es keine rot-rot-grüne Koalition geben?

Möhring:

Die Sanktionen gegen Langzeitarbeitslose müssen beendet werden. Das ist ein No-Go für uns. Wir brauchen eine sanktionsfreie Mindestsicherung ähnlich wie es früher die Sozial- oder Arbeitslosenhilfe war. Diese Debatte müssen wir intensiver führen.

Bei der Bundestagswahl am 22. September traten Sie als Spitzenkandidatin für Schleswig-Holstein erstmals als Direktkandidatin für die Linke im Kreis Pinneberg an, obwohl Sie in dem Ort Gottesgabe bei Lütjenburg im Kreis Plön leben. Warum?

Möhring:

Ich bin seit zwei Jahren im Kreisverband Pinneberg organisiert. Große Hoffnung, das Direktmandat zu gewinnen, habe ich mir ohnehin nicht gemacht. Ich habe mich für den Kreis Pinneberg entschieden, weil hier bis auf die FDP alle Parteien Bundestagsabgeordnete stellen. Damit hat der Kreis Pinneberg einen höheren Stellenwert im Land als andere Wahlkreise. Zudem hat er auch wegen seiner Nähe zur Metropolregion Hamburg eine andere politische Bedeutung. Die Linke kann bundespolitisch mehr Präsenz zeigen, wenn sie bestimmte Themen aus diesem Wahlkreis in den Bundestag trägt. Außerdem wollte Die Linke im Kreis die beste Kandidatin haben.

Was können Ihre Wähler im Kreis Pinneberg von Ihnen in dieser Wahlperiode erwarten?

Möhring:

Meine Wähler können erwarten, dass ich konsequent unsere Forderungen in Berlin vertrete und ihre Belange in den Bundestag trage und dort auch nachfragen werde. Ich werde versuchen, ihre Themen in die Öffentlichkeit zu bringen und ihre Interessen zu vertreten. Ich werde immer ein offenes Ohr für ihre Belange, Sorgen und Ängste haben und sie dabei hier und in Berlin unterstützen.

Gibt es konkrete Projekte, die Sie anpacken werden?

Möhring:

Ja, zum Beispiel die Perspektive 50plus, die sich für ältere Arbeitslose einsetzt. Im Land gibt es vier Projekte. Im Kreis Pinneberg ist es Pi-Quadrat, deren Bundesförderung 2015 ausläuft. Ich werde mich dafür einsetzen, dass es weiterläuft. Und ich werde auch keine Berührungsängste haben, dabei meine Kollegen von CDU, SPD und Grünen mit ins Boot zu holen. Außerdem ist es dringend notwendig, dass die Förderung von Frauenhäusern bundeseinheitlich geregelt wird. Wir haben eine Bundesverordnung über die Größe von Hundehütten, aber keine für die Finanzierung von Frauenhäusern. Dafür sind die Bundesländer und Kommunen zuständig, was dazu führt, dass viele bedrohte Frauen in andere Bundesländer ausweichen müssen. Das kann man nicht den Ländern und Kommunen überlassen.

Wie oft werden Sie sich im bevölkerungsreichsten Landkreis zeigen? Sind Veranstaltungen oder Bürgersprechstunden geplant?

Möhring:

Ich habe mein Wahlkreis-Büro in Elmshorn im Bauerweg 41. Dieses Links-Zentrum ist regelmäßig besetzt und für jedermann offen. Wer ein Anliegen hat, kann dort gerne vorbeikommen. Es ist mittwochs von 15 bis 18 Uhr sowie donnerstags und freitags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Ich lade auch viermal im Jahr jeweils 50 Bürger aus dem Kreis Pinneberg nach Berlin ein. Diese Menschen können dann den Bundestag hautnah erleben.

Ihre Fraktion hat Sie wieder zu einer ihrer stellvertretenden Vorsitzenden und frauenpolitischen Sprecherin gewählt. Bedeutet das mehr Einfluss für Sie in Berlin?

Möhring:

Ich war vorher auch schon stellvertretende Fraktionsvorsitzende für die Linke im Bundestag. Da hatte ich aber mehr Verantwortung nach innen, war für Finanzen und Personal zuständig. Jetzt habe ich deutlich mehr politischen Einfluss. Wir haben auch ein Frauenplenum, das ein Vetorecht besitzt. Wenn das der Meinung ist, dass eine bestimmte Position nicht haltbar ist, muss sie zurückgenommen werden.