Zwischen dem Robustrinderverein und dem Kreis Pinneberg eskaliert Streit: Wie darf die Natur genutzt werden?

Klein Nordende . Dieter Wichmann versteht die Welt nicht mehr. Eigentlich könnte es doch so friedlich und so schön sein hier im Liether Moor. 25 schottische Hochlandrinder grasen auf Flächen, die der Verein für extensive Robusttierhaltung im Liether Moor für zwölf Jahre gepachtet hat. "Robuste Weidetiere gestalten auf großen

Flächen ganzjährig in geringer Dichte die Landschaft, ähnlich wie es wilde Huftiere in früheren Zeiten in der Naturlandschaft taten", heißt es auf der Homepage des Vereins. "Durch Verbiss und Tritt entstehen abwechslungsreiche Mosaike aus Weiderasen, Hochstaudenfluren, offenen Böden, Gebüschen und Wäldern, die vielen Tieren und Pflanzen Lebensraum bieten."

Dieter Wichmann, Erster Vorsitzender des Robustrindervereins, sitzt an diesem Nachmittag auf einer Bank vor einem Bauwagen, ein paar Schritte von einem Froschteich entfernt. 15 Meter weiter steht, kaum sichtbar, ein Dixie-Klo zwischen den Bäumen. Im Bauwagen lagern auch Spielgeräte für Sechstklässler der Erich Kästner Gemeinschaftsschule in Elmshorn. Sie kommen mit dem Sozialpädagogen Helmut Hamke ins Liether Moor, kontrollieren das Wasser in den Pumpen, mähen den Rasen und lernen die Natur kennen. Auch Grundschüler aus Klein Nordende kommen regelmäßig in die "Kuhschule".

Jetzt hat Dieter Wichmann, 70, ein Schreiben erhalten, das er als "sehr unerfreulich" bezeichnet. Absender ist der Fachdienst Planen und Bauen des Kreises Pinneberg. "Mir ist von der hiesigen Naturschutzbehörde angezeigt worden, dass sich auf dem Grundstück bauliche Anlagen befinden, welche dort nicht zulässig sind", schreibt der Fachdienst. Die Verfasserin des Schreibens (liegt dem Hamburger Abendblatt vor) listet die "baulichen Anlagen" auf: ein Bauwagen, 4 mal 2,3 mal 3 Meter; ein Toilettenhaus, 1 mal 1 mal 2,3 Meter, sowie Sitzmöglichkeiten. Diese "baulichen Anlagen", so der Fachdienst, habe Dieter Wichmann, zu beseitigen. Andernfalls erwarte ihn eine "gebührenpflichtige Beseitigungsanordnung".

"Wir führen Kinder an die Natur heran, und das wird jetzt kaputt gemacht", sagt Dieter Wichmann. Neulich waren 40 Mädchen und Jungen in der "Kuhschule" - die Hälfte davon musste mal auf Toilette. "Natürlich erwarten die Eltern, dass hier vor Ort ein geschützter Raum ist, wo ihre Kinder unbeobachtet austreten können."

Der Sozialpädagoge Helmut Hamke, 61, und der Bürgermeister von Klein Nordende, Hans-Barthold Schinckel, 63, können den Frust von Dieter Wichmann verstehen: "Wir sind dafür, dass hier alles so bleibt wie es ist", sagen die beiden an diesem Nachmittag vor dem Bauwagen der "Kuhschule".

Der Kreis Pinneberg wiederum kann Dieter Wichmann und seinen Robustrinderverein nicht verstehen. "Das Liether Moor gehört zum Tafelsilber des Naturschutzes im Kreis Pinneberg", sagt Kreissprecher Marc Trampe. Das Areal südöstlich von Elmshorn ist ein Landschafsschutzgebiet. "Es soll - da wo möglich - zu moornahen Biotopen entwickelt werden", sagt der Kreissprecher. "Als Zwischenlösung auf diesem Entwicklungsziel, aber auch für Teilbereiche, weil eine Moorentwicklung aufgrund ungünstiger Rahmenbedingungen unrealistisch ist, bietet sich eine naturverträgliche extensive Weidetierhaltung an."

In der letzten Zeit habe der Kreis aber feststellen müssen, "dass eine gemeinsame Zielverfolgung von Liether Moorverein, dem Robustrinderverein und der Unteren Naturschutzbehörde immer mehr in den Hintergrund rückte und vom Robustrinderverein immer mehr eigene, unabgestimmte Ziele verfolgt wurden", sagt Kreissprecher Trampe. "Diese konzentrierten sich auf die Optimierung der Weidehaltung, isolierte Aktivitäten im Bereich der Naherholung und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Installation von baulichen Anlagen. Genau diese Zielverfolgung beinhaltet jedoch beträchtliches Konfliktpotenzial zu den bestehenden Naturschutzvorgaben."

Dieter Wichmann indes will keinen Zoff im Liether Moor. Er wünscht sich Unterstützung von Freunden des

Robustrindervereins an diesem Sonntag. Dann läuft von 11 bis 17 Uhr rund um die "Kuhschule" (Liether Moor 1) ein "Tag der offenen Weiden". "Wir erhoffen uns viel Solidarität", sagt Dieter Wichmann. "Wenn ich die Kuhschule abbauen muss, schmeiße ich hin."