Wie viel Neubauprojekte verträgt die Innenstadt? Anwohner wehren sich gegen Verdichtungspläne im Norden. Um satte elf Prozent haben die Mieten im Vergleich zum Vorjahr laut einer Studie angezogen.

Wedel. Wer in Wedel wohnen will, muss kräftig in sein Portemonnaie langen. Wie das aktuelle Mietgutachten der schleswig-holsteinischen Landesregierung zeigt, gehört die Stadt an der Elbe mit einer Durchschnittsmiete von 8,33 Euro nach Norderstedt zu den teuersten Ecken im nördlichsten Bundesland. Um satte elf Prozent haben die Mieten im Vergleich zum Vorjahr laut der Studie angezogen. Um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden und die Preisexplosion in den Griff zu bekommen, boomt das Baugeschäft in Wedel. Was die einen freut, nervt die anderen.

Lars Wichmann und Axel Herden gehören zu denjenigen, die mit wachsender Skepsis die Entwicklung der Stadt beobachten. Zu schnell, zu hoch und viel zu dicht wird aus ihrer Sicht die Bebauung vorangetrieben. "Das zerstört den Charakter der Stadt und die Lebensqualität", kritisiert Wichmann. "Es wird ohne Ende neuer Wohnraum geschaffen. Wer soll denn da am Ende einziehen?", fragt sich Herden.

Die beiden Wedeler, die auch Mitglieder in der Freiwilligen Feuerwehr sind, wohnen in einer Siedlung in der Altstadt. Bis zur Steinberghalle sind es nur ein paar Meter, bis zum Roland fünf Minuten zu Fuß. Es ist ein begehrtes Plätzchen, und zwar sowohl bei Neubewohnern als auch Bauherren. Deshalb tut sich gerade in ihrer Nachbarschaft viel. In den vergangenen zwei Jahren entstanden hier im Nordwesten der Stadt zahlreiche Wohnblöcke. Alte Einfamilienhäuser und Höfe wichen Mehrfamilienhäusern. So entstanden zum Beispiel 28 neue Eigentumswohnungen an der Wiedestraße, neun Wohnungen sind es gerade an der Pinneberger Straße. "Sie kommen aus dem Urlaub wieder und sind überrascht, was schon wieder gebaut wird", sagt Herden.

Dass viel neuer Wohnraum derzeit in Wedel geschaffen wird, untermauern auch die Zahlen der Stadtverwaltung. Laut Statistik wurden 2011 noch 80 neue Wohneinheiten durch neue Mehrfamilienhäuser und 78 Wohneinheiten dank Einfamilienhäusern geschaffen. 2012 schoss die Zahl der neu gebauten Wohneinheiten auf 340 in Mehrfamilienhäusern und 85 in Einfamilienhäuern hoch. Und auch im laufenden Jahr sind bereits 139 neue Wohneinheiten dank Mehrfamilienhausbau geschaffen worden. Und es ist noch sehr viel mehr geplant.

Unter anderem auch vor der Haustür von Wichmann und Herden. Knapp 100 neue Wohneinheiten plant Bauherr Rehder aus Wedel auf einem Areal neben der Sporthalle an der Wiedestraße, allerdings schon seit 2006. Nach einigen Hürden erteilte die Ratsversammlung Anfang des Jahres dem Projekt grünes Licht und brachte die nötige B-Plan-Änderung auf den Weg. Auf dem 17.000 Quadratmeter großen Grundstück, das Rehder bereits von dem dort noch ansässigen Baumschulunternehmen erworben hat, sollen acht zwei- bis dreigeschossige Mehrfamilienhäuser mit Staffel und Tiefgaragen entstehen.

"Das werden riesige Blocks, die hier nicht hinpassen und gar nicht gebraucht werden", sagt Wichmann. Und da von den ehemals geplanten Einfamilienhäusern keines mehr übrig ist, befürchten die Anwohner, dass auch in der Höhe noch nicht Schluss ist, es am Ende noch mehr Geschosse werden. Sie wehren sich gegen die Baupläne, haben ihre Kritik auch als Einwendungen gegen den B-Plan eingebracht. Bislang ohne Erfolg.

Bauunternehmer Joachim Rehder kann die Sorgen der Anwohner mit Blick auf die zahlreichen Neubauprojekte in der Umgebung teilweise nachvollziehen. "Ich will dort keine Klötze hinbauen. Das soll einen innerstädtischen Charakter haben", stellt Rehder klar. Er verweist auch auf die großzügige Grünzunge, die von der Stadt gewünscht wurde und der Entwässerung dienen soll. 7000 Quadratmeter sind dafür vorgesehen.

Auch durch die Bauweise würden die Gebäude nicht erschlagend wirken. Warum Mehr- statt Einfamilienhäuer entstehen, wie von den Anwohnern Wichmann und Herden gewünscht? Rehder verweist auf das vom Institut Gewos erstellte Stadtentwicklungs- und Wohnungsmarktkonzept für Wedel, laut dem 1300 Wohnungen bis 2025 in Wedel fehlen. Danach wird explizit auf eine Verdichtung im Nordwesten gesetzt.