Das Burg-Kino in Uetersen zeigt die Bayreuther Festspielpremiere im Kinosaal. Fans des Komponisten sind begeistert: “Der Wagner, der war schon genial.“

Uetersen. Da ist es wieder, das berühmte Kribbeln. Das Orchester braust auf, die Trompeten schmettern den Orkan in die Luft, die Geigen lassen die Wellen immer größer werden und aufschäumen. Gänsehautstimmung. Wagner. Bayreuth. Ein Erlebnis ist das. Und Conny Gagliardi mittendrin.

Die Elmshornerin lächelt, freut sich wie ein kleines Kind. Drei Stunden lang genießt sie die Wagner-Oper "Der fliegende Holländer" im Uetersener Burg-Kino. Das hat am Donnerstagabend live aus Bayreuth den Auftakt der Festspiele übertragen - inklusive einem Blick hinter die Kulissen des weltbekannten Opern-Ereignisses. Etwa 70 Wagner-Freunde kamen in das Kino, um bei dem Spektakel dabei zu sein, und dies trotz heißen Sommerwetters mit 30 Grad Celsius. Das stimmt die Kinobetreiber zufrieden. Sie sprachen am Abend von einer sehr guten Resonanz, die zeige, dass das Konzept, Opern im Kino zu zeigen, durchaus Zukunft habe.

Das findet auch Conny Gagliardi. Mit 18 Gleichgesinnten, die mit ihr im Wagner-Kursus der Elmshorner Volkshochschule der Musik des umstrittenen Komponisten frönen, traf sie sich im Burgkino. "Ich bin seit mehr als 20 Jahren in dem Kursus", erzählt die Elmshornerin. Geleitet wird der nicht ganz gewöhnliche Kursus von Siegfried Melcher. Er habe bei vielen ein Wagner-Fieber ausgelöst, sagt Gagliardi.

"Wir reden in dem Kursus über Wagner und sein Werk, hören seine Musik, sehen Videos, halt alles, was mit Wagner zu tun hat", sagt sie. Und mit den Schattenseiten des Komponisten beschäftigen sich die Wagner-Fans auch. "Das war ein abgrundtiefer Mensch. Dieser glühende Antisemitismus, den er lebte, der ist zu verabscheuen. Aber bei dem, was er musikalisch gemacht hat, was soll man sagen? Der Wagner, der war schon genial", urteilt sie. Seine Genialität zeige sich darin, welche Töne er wie nutze, um Emotionen und Handlungen aufzubauen.

Und das wird auch im Kino zum Thema. Der Blick hinter die Kulissen der Bayreuther Festspiele, für die Besucher wird er zum einstündigen Aha-Erlebnis. Wenn Moderator Axel Brüggemann in Bayreuth mit dem Dirigenten Christian Thielemann darüber spricht, wie der Dirigent das Stück versteht, dann gibt es spannende Einblicke in die Gedanken, die Interpretationsversuche des Dirigenten.

"Der fliegende Holländer", das ist die Geschichte eines Kapitäns, der beim gescheiterten Versuch, das Kap der Guten Hoffnung im Sturm zu umsegeln, dem Satan schwört, dass er nie aufgeben werde, dieses zu umsegeln. Der Teufel nimmt ihn beim Wort. Zur Unsterblichkeit verdammt, muss er mit einem Geisterschiff die Meere besegeln. Nur wenn er eine Frau findet, die ihn treu liebt, kann er erlöst werden. Da der Teufel überzeugt ist, dass ihn keine Frau derart lieben wird, darf er alle sieben Jahre an Land gehen und eine Frau suchen. Der Holländer lernt dabei Senta kennen, die ihm ihre Zuneigung offenbart, zugleich aber von Erik umworben wird. Der Holländer glaubt, dass Senta wankelmütig wird und legt daher mit seinem Schiff wieder ab. Senta besiegelt ihre Treue mit dem Tod: Von einer Felsenklippe wirft sie sich ins Meer. Gleichzeitig versinkt das gespenstische Schiff. Auch der Holländer ist nun erlöst. Wie eine Vision schweben beide Gestalten zum Himmel.

Dieses Ende ist schon oft unterschiedlich interpretiert worden. Und amüsant wird es für das Publikum, wenn der Moderator und der Dirigent völlig unterschiedlicher Ansicht über den Ausgang des "Fliegenden Holländers" sind. Brüggemann urteilt, dass es bei Wagner Erlösung nur durch den Tod gebe. Thielemann findet das "Quatsch" und das Ende viel lustiger, positiver und auch voller frivoler Andeutungen. Es sind unerwartete Aussagen von einem, der es vielleicht besser weiß als der Moderator, der doch ebenfalls als Wagner-Kenner gilt.

Die Wagner-Fans im Kino lachen herzhaft über die Fachsimpelei zweier Besserwisser. Und sie werden, nachdem sie die Inszenierung von Jan Philipp Gloger gesehen haben, wohl ihre eigenen Schlüsse ziehen.

"Wagner kann man auf viele Weise interpretieren", sagt Gagliardi. Das habe sie inzwischen gelernt. Denn fast alle Wagner-Spielstätten habe sie gesehen, unzählige Aufführungen erlebt. "Ich kenne jedes Stück von ihm", sagt sie nicht ohne Stolz. Und immer wirke die Musik anders, je nachdem, wie das Stück inszeniert werde. "Das macht auch die Faszination aus. Es ist großartige Musik eines umstrittenen Komponisten, die einem immer von Neuem zu denken gibt", sagt sie. Und das jahrzehntelang.