Günther Winkler und Erika Peters waren zuletzt vor zwei Jahren am Haseldorfer Hafen. Nun gab es dort ein Wiedersehen.

Haseldorf/Wedel. Eine Möwe fliegt über das Wasser und kreischt, die Segelboote spiegeln sich im Wasser. Ein Modellboot dreht schnurrend seine Runden im Hafenbecken. Auf den Bootsstegen liegen Männer und Frauen und sonnen sich. Die Zeit scheint stillzustehen.

Wenn Günther Winkler am Haseldorfer Yachthafen steht und auf die Szenerie vor ihm und anschließend auf die Elbe hinaus blickt, dann ist er zufrieden mit sich und der Welt. "Früher war ich hier jede Woche und habe mindestens eine halbe Stunde auf den Hafen geschaut", erzählt Winkler ruhig. Sein Blick ist auf das klare Wasser geheftet, neben ihm steht seine Freundin Erika Peters, eine kleine, sympathische wirkende Frau, die beinahe ständig lächelt. Die Sonne scheint, ein laues Lüftchen weht beiden durch ihr weißes Haar. "Ist das nicht schön?", fragt Erika Peters und schaut zu Günther Winkler, mit dem sie viel Zeit verbringt, seit beide in Rente sind. Beide schweigen, freuen sich, dass sie diesen Blick vom Haseldorfer Hafen auf die Elbe wieder einmal genießen dürfen. Günther Winker ist 90 Jahre alt, Erika Peters 99.

Seit mehreren Jahren leben beide in einer Seniorenresidenz in Wedel, und seit Winkler seinen Führerschein vor zwei Jahren abgegeben hat, hat er seinen Lieblingsplatz, den Haseldorfer Hafen, nicht mehr gesehen. "Solange ich mit meinem Auto gefahren bin, bin ich jede Woche mit Freunden dorthin gefahren. Ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter. Es war immer ein Ort, wo wir das Leben spürten, wo Ruhe herrschte und wo sich unsere Gedanken frei entfalten konnten", sagt Winkler.

Die letzten Jahre ist er mit Erika Peters gemeinsam dorthin gefahren. Es war ihre vertraute Wochenendtour. Erst zum Yachthafen, dann nach Hohenhorst, am Deich entlang bis zum Kreuzdeich, dann über Klevendeich, Haselau und Heist wieder zurück nach Wedel. Die Tour war ein Stück Lebensinhalt für beide - bis Winkler nicht mehr Auto fahren konnte.

"Natürlich vermisse ich das Auto, aber so ist das nun mal. Irgendwann ist es vorbei", sagt er. Den Führerschein hatte er, so sagt er, nach einem Hin und Her mit den Behörden infolge eines Unfalls mit Bagatellschaden freiwillig abgegeben. Seitdem kommen er und seine Freundin Erika nur selten aus Wedel raus. "Ich will mich nicht beschweren. Wedel ist schön, es ist an der Elbe und wir haben eine sehr tolle Lage, direkt im Zentrum", sagt der 90-Jährige. Von seinem Appartement aus könne er die Silhouetten der großen Containerschiffe sehen, die vor Wedel die Elbe stromaufwärts und stromabwärts passieren.

Dennoch vermissen er und Erika Peters den freien Blick auf die Elbe. Und umso mehr freut es ihn daher, dass er durch die Abendblatt-Aktion "I love PI" noch einmal zu seinem Lieblingsplatz fahren kann. Vielleicht ein letztes Mal.

Günther Winkler hat praktisch sein ganzes Leben im Kreis Pinneberg verbracht. Er wollte nie weg, denn der Landkreis war ihm frühzeitig ans Herz gewachsen. 1922 wurde er in Elmshorn geboren. Von 1927 bis 2005 lebte er in Pinneberg. Lediglich während des Wehrdienstes und seines Studiums war er kurzzeitig woanders. Mit seiner damaligen Frau ist er regelmäßig zum Yachthafen gefahren. "Dahinten, am Rande des Hafens, war ein kleiner Pfad. Wenn wir dort langgingen, kamen wir zu einer Bank. Dort saß ich oft mit meiner Frau", sagt Winkler.

Unzählige Male hat er beobachtet, wie Ebbe und Flut das Hafenbecken veränderten, wie Schiffe auf dem Schlick trockenfielen und beim herannahenden Wasser wieder zu schwimmen begannen. Er erinnert sich an die Entenpärchen, die ihre Bahnen auf dem Wasser zogen und ihre Nahrung in den Wattflächen suchten. Und er erinnert sich an die Graugänse und Schwäne, die er dort all die Jahre gesehen hat. Das Laub der Büsche und Bäume, so erzählt er, habe dem Ort zu jeder Jahreszeit eine ganz andere Stimmung verliehen. Und wenn die Sturmfluten im Winter kamen, wurde ihm immer wieder vor Augen geführt, wie das Land vor den Deichen den gewaltigen Kräften von Wind und Wasser Stand gehalten hatte.

"Bei dem Blick in Richtung Elbe ahnt man schon, dort geht es in die große weite Welt", sagt Winkler. "Wir sind nicht abgeschlossen und nicht allein." Und dennoch wirkt der pittoreske Hafen wie ein gut gehütetes Juwel in einer kleinen Schatzschatulle.

Günther Winkler und Erika Peters steigen wieder in den Wagen des Reporters, die halbe Stunde am Hafen ist vorbei. Die weitere Tour führt sie am Deich entlang. So wie all die Jahre zuvor auch. Winkler erinnert sich an die vielen Male, die er mit seinem Auto über den Landesschutzdeich hinweggefahren ist, um wieder auf die Binnenseite zu gelangen. "Der Blick über den Deich ist für uns auch immer einmalig gewesen. Dort konnten wir die Schafe, die die Pflege für den Deich und damit den Schutz für die Menschen übernommen hatten, beobachten", sagt Winkler.

Und Erika Peters zeigt verzückt auf die Obstplantagen, die neben dem Deich stehen. "Hier wächst alles ganz wunderbar. Kirschen und Äpfel und Pflaumen. So wie früher auch", sagt die 99-Jährige quietschfidel. Es sei einfach ein herrlicher Landstrich im Kreis Pinneberg.

Nach etwas mehr als zwei Stunden ist der Ausflug vorbei. Günther Winkler und Erika Peters sind wieder bei ihrer Residenz angekommen. Die beiden lächeln sich an, dann gehen sie langsam und glücklich durch die Sonne, wieder ihrem Alltag in Wedel entgegen. Die Erinnerung an ihren Lieblingsplatz im Sommer 2013 nehmen sie mit sich.