Jeder dritte Helgoländer ist Mitglied im VfL Fosite von 1893. Die Sportler kennen kaum Konkurrenz und stellen sich ihren Gegnern stets in Freundschaft

Auf Helgoland, so berichtet es die Sage, befand sich einst das Heiligtum des friesischen Gottes Fosite. Es war eine Quelle, aus der schweigend geschöpft wurde, heißt es. Nach diesem Gott hieß Helgoland damals Fositesland. Diesen Gott, in der nordischen Mythologie zuständig für Recht und Gesetz, wählten die Helgoländer im Jahr 1893 als Namenspaten aus, als sie 70 Kilometer entfernt vom Festland einen Verein für Leibesübungen gründeten. Heute ist jeder dritte der ständigen 1407 Insulaner Mitglied im VfL Fosite.

13 Sparten zählt der Verein im Jahr 120 nach seiner Gründung. Ausgerechnet die kleinste Sparte organisiert - zusammen mit 130 freiwilligen Helferinnen und Helfern - einmal im Jahr das größte Sport-Event auf der Insel: den Gerolsteiner Helgoland-Marathon. Erfahrene Langstreckenläufer finden sich hier nicht nur sämtlichen Naturgewalten ausgesetzt, die ein Eiland mitten im Meer zu bieten hat. Spätestens am "Düsenjäger" - so nennen die Insulaner jenen Abschnitt der Laufstrecke vom Unter- zum Oberland mit bis zu 40 Prozent Steigung - lernen die Läufer ihre Grenzen kennen. Prominente wie Ultramarathonfrau Birgit Lennartz, Comedystar Wigald Boning, ZDF-Sportreporter Norbert König und der ehemalige Umweltminister Rainder Steenblock nahmen in den vergangenen Jahren am Marathon auf Helgoland teil. In diesem Mai bewältigten die 197 Finalisten beim 16. Marathon auf dem roten Felsen den Düsenjäger gleich fünf Mal. So viele Male mussten sie das ein Quadratkilometer kleine Eiland in der Nordsee umrunden, um auf die Marathondistanz von 42 Kilometern plus 195 Meter Startvorgabe zu kommen.

Das Interesse der Läuferwelt am Helgoland-Marathon steigt stetig. "Die Läufer kommen inzwischen aus Deutschland, Dänemark, Holland, Österreich, aus den USA und aus Russland", sagt Oke Zastrow, Zweiter Vorsitzender des VfL Fosite und Marathon-Organisator. Mehr als 2000 Gäste kämen jährlich zum Marathonwochenende nach Helgoland. Seit 1998 ist der Lauf eine NonProfit-Veranstaltung mit ausgewählten Sponsoren. "Es gibt kein Preisgeld, die Sportler laufen für Ruhm und Ehre." Jedes Jahr gebe es Anfragen von Profi-Managern, die nach der Siegerprämie fragten. "In diesem Jahr haben äthiopische und marokkanische Läufer angefragt." Marathonmann Zastrow bleibt dabei: "Unser Marathon ist ein Familien-Event. Wir wollen daraus keine Profi-Veranstaltung machen."

Läufer zählt der VfL Fosite gerade mal sechs. Einer von ihnen ist Oke Zastrow. Die meisten der 514 Vereinsmitglieder stellt die Sparte der Turner mit 80 Aktiven, dicht gefolgt von den Fußballern. Können sich die sechs Vereinsläufer zumindest ein Mal im Jahr mit nationalen wie internationalen Konkurrenten im Wettbewerb messen, bleiben den Volleyballern, Handballern, Tischtennisspielern und Fußballern nur Freundschaftsspiele mit reisefreudigen Festland-Teams. "Abgesehen von den Kosten ist der Zeitaufwand für ein Spiel oder ein Wettkampf auf dem Festland viel zu hoch", sagt Fußballer Mathias Kaufmann. Etwa 70 Kilometer müssten die Helgoländer Sportler für eine Auswärtsbegegnung per Schiff zurücklegen, Passage und Übernachtungen kosten zu viel Geld. Hinzu kommt, dass die aktiven Sportler fast alle vom Tourismus leben und zwischen April und Oktober die Insel nicht verlassen können. So geht es auch Juwelier Kaufmann, der täglich im Geschäft steht und schon froh ist, wenn er es mittwochsabends zum Training schafft.

Den Gastmannschaften stellen sich ähnliche Hürden. Anreise und Übernachtungen strapazieren die Vereinskassen. Was den Fosite-Kickern bleibt, sind ein paar Spaßspiele auf der Insel gegen befreundete Vereine, Hobby- und Thekenmannschaften. "Vor ein paar Jahren hat mal die kubanische Nationalmannschaft wegen eines Trainingsspiels angefragt", sagt Hobbyfußballer Oke Zastrow. "Damit hätten wir uns finanziell ruiniert, weil wir die Spieler im Hotel hätten unterbringen müssen."

Die Kubaner hätten kein leichtes Spiel mit den Helgoländern gehabt. Nur selten verlieren die Inselkicker Freundschaftspartien auf dem roten Felsen. In der Regel können die Fosite-Fußballer ihren Heimvorteil gnadenlos ausnutzen. "Die meisten Mannschaften sehen im Ausflug nach Helgoland eine Gelegenheit, mal so richtig zu feiern." Darum seien die Fosite-Fußballer ihren Gegnern, was die körperliche Fitness am Tag nach der Party angehe, meist überlegen. So schlugen die Fosite-Herren die Auswahl des niedersächsischen TuS Tarmstedt im vergangenen Juni 8:0, die Männer aus Nützen/Schleswig-Holstein verloren 3:10. Auch in diesem Jahr siegte die Helgoländer Auswahl über die Tarmstedter Herren. Gegen die 3. Herren des NDR Rothenbaum steckten die Fosite-Kicker erstmals seit Langem eine Schlappe ein. Sie verloren 2:4 auf heimischem Kunstrasen.

Helgoland ist eine der wenigen Gemeinden im Kreis Pinneberg, die ihren Sportlern einen Kunstrasen nebst Tartanbahn und Tribüne bieten kann. Das gute Stück liegt im Schatten der hohen Buntsandsteinklippen am Nordstrand. Wind und Wetter würden auf der Hochseeinsel jeden Naturrasenplatz in kürzester Zeit zerstören. 360.000 Euro hat der Kunstrasen gekostet, auf dem die Vereinssportler und ihre Gäste seit 2008 trainieren und spielen. Verein, Gemeinde, Kreis- und Landessportverband sowie Spender finanzierten ihn mit vereinten Kräften, nachdem der alte Platz 2002 total ramponiert und somit unbespielbar geworden war.

Auf Kunstrasen findet jedes Jahr im August der vom VfL Fosite organisierte "Lange Anna Cup" statt. Hier messen sich acht Festlandsmannschaften mit vier Helgoländer Teams in einem Fußballturnier. Auch hier sind die Inselmannschaften den Gästen meist überlegen. Es sei denn, sie treffen auf inselerfahrene Spieler. Im vergangenen Jahr nahmen die Kicker des FC Ennerbansken den Pokal mit nach Hause. "Das Team setzt sich allerdings aus lauter Helgoländern zusammen, die heute auf dem Festland leben, dort ins Internat gehen oder arbeiten", sagt Oke Zastrow. Ennersbanken ist helgoländisch und bedeutet Ameisen.

Neben der Außenanlage steht dem VfL Fosite eine Sporthalle auf dem Oberland zur Verfügung. Hier tanzen die Ballettmädchen und -jungen, hier werden Badminton, Volleyball und Handball gespielt. Und hier halten sich Erwachsene mit der Trendportart Zumba fit. Ein besonderes Übungsareal haben die Karatekids auf der Insel. Spartenleiter Calle Voigt - seit November 2012 Inhaber des Schwarzen Gurtes und somit 1. Dan-Träger auf Helgoland - trainiert mit den kleinen Karateka unter freiem Himmel Kampftechniken.

Allein die Fosite-Schützen begeben sich zum Wettbewerb aufs Festland. Das Winterhalbjahr ist die Saison der Schützen. In diesen Monaten ruht das Tourismusgeschäft im Großen und Ganzen, sodass jene Insulaner, die mit Luftgewehr und Luftpistole umgehen können, an Bezirksmeisterschaften und an den niedersächsischen Landesmeisterschaften teilnehmen können. Helgoland gehört zu Schleswig-Holstein - weil es aber während der winterlichen Schützensaison nur eine Schiffsanbindung nach Cuxhaven gibt, haben sich die Fosite-Schützen sportlich dem Bundesland angeschlossen, das sie am schnellsten erreichen.

Das Schießen trainieren die 29 Vereinsschützen im Keller der Nordseehalle. "Im Bunker haben wir noch einen Übungsstand", sagt Spartenleiterin Nicole Klings. "Da trainieren aber nur die Jäger und die Kleinkaliberschützen."

Mit ihren Platzierungen liegen die Fosite-Schützen im guten bis sehr guten Mittelfeld. Bei den Bezirksmeisterschaften 2013 belegten Angelika Luckner mit dem Luftgewehr den 23. Platz, Jörg Meyer mit der Luftpistole den 20. Platz. Rang drei erreichte Andreas Cohrs mit der Luftpistole. Die drei qualifizierten sich damit für die Landesverbandsmeisterschaft in Bassum.

Die Schützen sind stolz darauf, zu den Guten im Lande zu gehören. Die Fußballer dagegen, die Volleyballer, die Handballer, die Karatekämpfer, die Turner, die Tischtennisspieler auf der Insel weit draußen im Meer können mit Recht von sich behaupten, die Besten zu sein. Zumindest im Umkreis von 70 Kilometern.

Mit der Vorstellung des VfL Fosite Helgoland beenden wir unsere Vereinsserie.