Der 45-jährige Schenefelder Familienvater verlor nach einem Autounfall auf der A 7 am 26. Januar das Bewusstsein. Die Eltern suchen dringend Zeugen.
Schenefeld. "Unser neues Jahr begann am 26. Januar", sagt Rita K. Sie schluckt. Die Erinnerung an den Tag, der das Leben der Familie für immer veränderte, fällt ihr sichtlich schwer. Ihr Sohn hatte sie noch kurz zuvor angerufen, ihr gesagt, dass sie schon einmal die Kartoffeln aufsetzen könnte. Zum gemeinsamen Essen im Schenefelder Elternhaus kam es nicht mehr. Stefans Autofahrt endete an der Leitplanke der Autobahn 7, kurz hinter dem Elbtunnel. Epileptischer Anfall. Herzstillstand. Reanimation. Im Altonaer Krankenhaus folgte eine Notoperation mit Luftröhrenschnitt. Anschließend 14 Tage Intensivstation und später drei Monate Reha, wo er erneut einen Herzstillstand erlitt. Wieder Reanimation. Bis heute ist Stefan nicht mehr erwacht.
Der 45 Jahre alte verheiratete Vater von zwei Kindern liegt im Koma, wird künstlich ernährt. Nur atmen kann er noch selbstständig. Ob Stefan K. jemals wieder aufwacht? Die Ärzte wagen keine Prognose. Klar ist, wenn er es tut, dann wird er nicht mehr derselbe sein. "Das Gehirn unseres Sohnes ist durch den Sauerstoffmangel schwer geschädigt", erklärt Rita K.
Stundenlang sitzt die 68-Jährige zusammen mit ihrem 71 Jahre alten Ehemann Manfred an seinem Krankenbett. Abwechselnd lesen sie ihm vor, tupfen ihm die verschwitzte Stirn ab, salben ihm die Füße ein und sprechen behutsam und leise mit ihm. Jeden Tag besuchen ihn seine Eltern in Wedel. Dort liegt Stefan K. in einem speziellen Pflegezentrum.
Bodo Lindemann hat das Therapie- und Fachpflegezentrum für Phase-F-Patienten mit dem Namen Viapallia 2010 initiiert, nachdem seine Tochter ins Koma fiel. Die Ärzte sagten ihm damals, sie hätte nur noch ein halbes Jahr zu leben. Das wollte der damalige Manager in der EDV-Industrie nicht einfach hinnehmen. In der Schweiz fand er die richtige Hilfe. Heute lebt seine Tochter zu Hause, und sie spricht wieder. Sein Wissen und seine Erfahrung teilt Lindemann mit anderen. Auch Stefans Familie versucht er zu helfen.
Doch bei ihrem größten Problem, kann er ihnen nicht weiterhelfen. Es ist die Ungewissheit, die das Elternpaar Manfred und Rita K. verrückt macht. Was genau geschah an dem Unfalltag? Klar ist, dass der 45-Jährige am Sonnabend, 26. Januar, gegen 15 Uhr auf der A 7 in Richtung Norden unterwegs war. Er wollte bei der Abfahrt Bahrenfeld herunterfahren, da ist sich seine Mutter ganz sicher. So machen es alle in der Familie, wenn sie von der A 7 nach Schenefeld wollen. Doch statt die Ausfahrt zu nehmen, rast Stefans roter Honda plötzlich von der ganz rechten Spur hinüber auf die linke und kracht dort in die Mittelleitplanke. Äußerlich stellen die herbeigeeilten Helfer bei dem 45-Jährigen keine Verletzungen durch den Unfall fest. Allerdings ist Stefan K. laut Unfallprotokoll nicht ansprechbar und hat Schaum vor dem Mund. Beim Anblick des Rettungswagens gerät er in Panik und schlägt um sich. Der Schenefelder brüllt den Helfern seine bislang letzten Worte entgegen: "Lasst mich los. Bringt mich nicht um." Nach einer Spritze setzt die Atmung aus, Stefan fällt in seinen tiefen Schlaf.
Die Polizei geht später aufgrund der Angaben der Ersthelfer und eines Sachverständigengutachtens davon aus, dass Stefan K. während der Fahrt und nicht erst danach einen epileptischen Anfall erlitt, dadurch die Kontrolle über seinen Wagen verlor und gegen die Leitplanke raste. Doch die Eltern können das nicht so recht glauben. Zum einen sei ihr Sohn kein Epileptiker gewesen, beziehungsweise er soll bis zum Zeitpunkt des Unfalls nie einen solchen Anfall gehabt haben. Zudem entdecken die Schenefelder in der Unfallakte viele Widersprüche. Und vor allem fehlt ihnen ein Unfallzeuge, der diese Version bestätigen kann. "An einem Sonnabend sind doch auf der Autobahn so viele Menschen unterwegs. Da muss doch jemand etwas gesehen haben", sagt Manfred K.
Was ihn stutzig macht, ist eine Kollisionsspur auf der rechten Seite von Stefans Wagen. Geradlinig verläuft die frische Spur etwa 50 bis 58 Zentimeter über dem Boden. Der Sachverständige geht von einem festen Hindernis als Ursache aus und schließt damit ein Fremdverschulden für den Unfall aus. Die Antwort auf die Frage, woher dieses feste Hindernis auf der rechten Autobahnspur gekommen sein soll, bleibt das Gutachten allerdings schuldig.
Rita und Manfred K. glauben, dass die Kollisionsspur von einem anderen Auto oder Lkw herrührt. Sprich: Sie glauben, dass ein anderer Fahrer ihren Sohn an der Auffahrt Bahrenfeld, die auch gleichzeitig ein Zubringer ist, abdrängte. "Wir wollen niemanden beschuldigen oder anklagen. Wir wollen nur den Verdacht ausräumen", sagt Manfred K. Und seine Frau ergänzt: "Es geht uns darum, einfach alles für unseren Sohn getan zu haben. Das lässt uns nicht los."
Das Schenefelder Ehepaar bittet Zeugen, sich zu melden: Wer hat am Sonnabend, 26. Januar, gegen 15 Uhr etwas beobachtet? Wer kann helfen, endgültig aufzuklären, ob der rote Honda Accord ihres Sohnes bei der Autobahnabfahrt Bahrenfeld abgedrängt wurde oder ob er eben doch ohne Fremdeinwirkung ausbrach? Wer etwas weiß, möge sich bei der Familie unter der Telefonnummer 040/83 09 93 82 melden.