Für Julian Hildebrandt erfüllt sich ein Traum: Der 16-Jährige mimt bei den Segeberger Karl-May-Spielen auf dem Kalkberg einen Kiowa.

Prisdorf . Gleich in der ersten Szene geht es für Julian Hildebrandt richtig zur Sache. Als Kiowa-Indianer stürmt er auf die Freilichtbühne am Kalkberg, greift mit anderen Stammesmitgliedern ein Eisenbahnlager an. Mit einem Tomahawk schlägt er einen Arbeiter nieder, eilt die Treppen empor. Dort trifft er auf drei weitere Gegner. Einen will er zu Boden ringen, ihm auf den Rücken springen. Der Plan misslingt. Er unterliegt, geht zu Boden und robbt fort. "So kommt man gleich richtig in das Stück", sagt Hildebrandt. Wenn er von seinem ersten Auftritt bei den diesjährigen Karl-May-Spielen redet, strahlt sein Gesicht. Er ist überglücklich. Kein Wunder: Für den 16-jährigen Schüler geht derzeit ein Traum in Erfüllung.

Seit seiner frühesten Kindheit besucht seine Familie jedes Jahr die Festspiele. Das hat Tradition. Zum ersten Mal wird der Prisdorfer aber nicht in den Zuschauerreihen sitzen. Denn Hildebrandt hat es geschafft. Der Prisdorfer wurde beim Casting aus den hundert Bewerbern auserkoren, um beim diesjährigen Karl-May-Stück "Winnetou I - Blutsbrüder" mitzuwirken. Textpassagen hat Hildebrandt - abgesehen von einigem Kampfgeschrei - nicht. Dafür muss er kämpfen und tanzen. Beides hat der Schüler vorher intensiv trainiert. Fast vier Wochen haben die Proben gedauert. Was ihm am schwersten fiel? "Der Tanz zur Blutsbrüderschaft", sagt Hildebrandt sofort. Die Choreografie habe ihm sehr viel mehr Probleme als all die aufwendigen Kampfszenen zusammen bereitet. "Am Anfang war ein großes Wirrwarr in meinem Kopf", erinnert sich Hildebrandt. Aber nach einigem Üben saßen die Schritte.

Das musste er am Sonnabend, 22. Juni, erstmals vor großem Publikum beweisen. Mama und Großeltern saßen am Premierenabend in den Zuschauerreihen. Der Rest seiner Familie und seine Freunde fieberten von zu Hause aus mit, ob alles gutgeht. Es ging gut. "Aufgeregt war ich kaum", berichtet Hildebrandt, der sich von Anfang an auf der Bühne am Kalkberg wohlfühlte. "Es hat sich angefühlt, als wäre ich schon immer dabei gewesen."

Bis September wird Hildebrandt jetzt von Donnerstag bis Sonntag als Indianer auf der Bühne stehen. Drei Tage hat er frei. Für seinen Traum verzichtet er auf einiges. Während seine Mitschüler die Ferien an der Adria oder auf Mallorca verbringen, lebt der Prisdorfer auf dem Campingplatz in Bad Segeberg zusammen mit anderen Darstellern. Hildebrandt ist sich sicher: Die Auftritte bei den Karl-May-Spielen werden ihm nach der Saison fehlen.

"Ich schlüpfe gern in Rollen und lebe das aus. Es bringt mir viel Spaß", erklärt der 16-Jährige. In seinem Dorf, in dem er auch bei der Feuerwehr und als Betreuer im Sportverein aktiv ist, wird bereits eine Busfahrt zu den Karl-May-Spielen organisiert. Großes Publikum scheut Hildebrandt nicht. Er überlegt daher, die Schauspielerei weiterzuverfolgen. Immerhin stand der 16-Jährige schon früh auf der Bühne. Bereits als Kind spielte er auf dem Wedeler Theaterschiff Batavia bei "Emil und die Detektive" mit. Zudem wirkte er auch in Sketchen der Jugendgruppe des örtlichen DRK mit.

Diese Erfahrung war es wohl auch, die die Jury beim Casting für die Festspiele überzeugte. Zudem musste er gleich einen Faustkampf mit dem Stuntman der Show einüben und vorzeigen. Es wurden noch ein Foto gemacht, einige Fragen gestellt und dann hörte Hildebrandt lange nichts mehr. Passend zu seinem 16. Geburtstag kam dann das für Hildebrandt schönste Geschenk: die Nachricht, dass er dabei ist. Der Prisdorfer erklärt sich seinen Erfolg so: "Mein Opa ist letztes Jahr gestorben. Ich hab ihm versprochen, dass ich es schaffen werde. Das hat mich motiviert."