Eigentümer Michael Schütt ist erleichtert. Das denkmalgeschützte Abschiedshaus in Tornesch hätte ihn fast ruiniert.

Tornesch/Rellingen. Eigentlich sollte das Abschiedshaus in Tornesch eine Investition für die Zukunft sein. Eine Geldanlage, die langfristig Mieteinnahmen beschert. Doch für Michael Schütt und seine Frau Claudia Scheper wurde der Traum von der Immobilienanlage zum Albtraum: Das Haus von 1810 war ein Sanierungsfall. Bis zu zwei Millionen Euro hätte die Familie in den Gebäudeerhalt stecken müssen. Geld, das sie nicht hat. Als sich die Rellinger Familie im Herbst 2012 der Altlast mit einem Grundstücksverkauf entledigen wollte, fingen die Probleme erst richtig an, denn die Denkmalschutzbehörde untersagte kurzfristig den Hausabriss.

Am vergangenen Freitagmorgen, rund sieben Monate nach dem Abrissverbot von Oktober 2012, teilte die Behörde der Familie mit, dass sie nach eingehender Prüfung nun doch das Haus abreißen dürfe. Ein Erhalt des Abschiedshauses an der Hamburger Straße, direkt am Tornescher Bahnhof, sei finanziell nicht zu verantworten. Michael Schütt bestellte die Bagger - zum zweiten Mal innerhalb von sieben Monaten. Am Montag sollte der Abriss beginnen. Doch am Freitagabend lag der Plan schon wieder auf Eis. Die Hawesko und Torneschs Bürgermeister Roland Krügel hatten um Aufschub gebeten.

Michael Schütt lächelt verzweifelt. Es klingt alles, so erzählt er, wie eine kuriose Provinzposse, in die er hineingeraten ist. "Hätte ich gewusst, was mich erwartet, hätte ich das Haus nie gekauft", sagt er. Seinem Gesicht sind Erschöpfung, Schlafmangel und die Sorgen um die Zukunft anzusehen. Das Haus, so erzählt er verbittert, habe ihn an den Rand des finanziellen Ruins gebracht. Seine wirtschaftliche Lage sei so angespannt gewesen, dass er befürchtete, sein Eigenheim in Rellingen verkaufen zu müssen.

Angefangen hatte alles 1994. Damals hatte Schütt das Haus, in dem mehrere Mieter wohnten, von einer Erbengemeinschaft gekauft. "Das war für uns eine stabile Einnahmequelle", sagt Schütt. Das benachbarte Unternehmen Hawesko hatte seinerzeit bereits Interesse an dem Grundstück bekundet, um ihr Firmenareal zu erweitern. Auch die Stadt und die Kulturgemeinschaft waren an dem Haus einst interessiert, doch Schütt bekam den Zuschlag.

"Ich begann, einiges zu renovieren, um den Wert des Hauses zu steigern", sagt er. Doch die Verkehrslage direkt am Bahnhof und der Gesamtzustand des Hauses, das nicht wärmeisoliert ist, drückten die Mietpreise. Das Potenzial des Hauses, so sagt Schütt, habe er damals nicht richtig eingeschätzt. Er habe auch nicht erwartet, dass das Gebäude nach nicht einmal 15 Jahren ein Sanierungsfall sein würde. "1994 war die Grundsubstanz nach meiner Einschätzung in Ordnung. Ich habe dennoch regelmäßig etwas repariert. Ich dachte, das hält mindestens 30 Jahre, bevor eine Sanierung fällig wird", sagt der Rellinger. Er wurde eines Besseren belehrt.

Die Familie prüfte eine Sanierung, holte sich Kostenschätzungen, fragte nach Zuschüssen, um das Reet gedeckte Haus zu erhalten. "Als wir hörten, dass wir fast zwei Millionen investieren müssten, waren wir sprachlos", sagt Claudia Scheper. Und die Stadt verlor jegliches bis dahin bestehende Interesse an der Immobilie. Eine Sanierung konnte und wollte sich keiner leisten.

Mit der Hawesko, die weiterhin Interesse am Gelände hatte, verhandelte Schütt in der Folgezeit, ein Vertrag wurde unterzeichnet. "Die wollten auf dem Areal Büroflächen schaffen. Das war für uns in Ordnung. Wir haben das Grundstück also verkauft", sagt Schütt. Das Haus sollte er vorher abreißen. Im Oktober rollten die Bagger an. Doch plötzlich wurde der Abriss verboten - in letzter Sekunde. Schütt erinnert sich. "Da kam plötzlich ein Rudel Menschen und wedelte wie wild mit einer Zeitung und rief 'nicht abreißen'." Aus der Zeitung erfuhr der Rellinger, dass das Haus plötzlich ein schützenswertes Denkmal war. Er habe sich gefügt - und gehofft.

"Als das Haus unter Denkmalschutz gestellt wurde, war das für uns okay, denn wir glaubten, dass wir nun auch finanzielle Hilfe für den Erhalt bekommen würden", sagt Claudia Scheper. Daraus sei aber nichts geworden. Im Gegenteil: Die Mieter waren gekündigt, die Kredite für das Haus liefen weiter, doch niemand, weder Stadt, Denkmalschutzbehörde noch die Kulturgemeinschaft Tornesch, die das Haus retten wollte, halfen finanziell.

"Am schlimmsten war, dass alles über unsere Köpfe hinweg entschieden wurde, dass wir nie vernünftig informiert wurden", sagt Scheper. Vor allem, dass die Denkmalschutzbehörden in Elmshorn und Kiel die Familie nicht über den Denkmalschutzstatus benachrichtigten. Aus der Presse hätten sie diese und weitere Entwicklungen erfahren. Das habe sie geärgert. Das Urteil der Familie über die Behörden ist vernichtend. Worte wie Respektlosigkeit, Behördenwillkür, Machtmissbrauch und Inkompetenz fallen. Wut und Enttäuschung sitzen tief. Auch weil das Amt den Abriss stoppte, sich aber nicht bereit erklärt habe, der Familie derweil mit Geld zu helfen, obwohl die Behörde über die finanzielle Lage der Familie informiert gewesen sei. Etwa 2000 Euro pro Monat musste die Familie an zusätzlichen Kosten alleine stemmen.

Seit vergangenem Freitag darf Schütt das Haus abreißen. Er wollte sofort loslegen, wurde aber wieder gestoppt: Krügel und die Hawesko baten um Aufschub. Die Hawesko sollte auf ein Areal gegenüber ausweichen und die Ernst-Martin-Groth-Stiftung und die Kulturgemeinschaft das Abschiedshaus übernehmen, so Krügels Plan. Dieser Plan war am Dienstagmorgen wieder vom Tisch - wegen der Sanierungskosten. Auf neue Pläne werden und wolen Schütt und Scheper nicht warten. "Nächste Woche wird abgerissen", sagt Scheper. Endgültig.