Familie Nagel stellt in ihrer Ellerbeker Manufaktur ausschließlich Lebensmittel aus Tofu her. Die Tofu-Kreationen sind garantiert fleischlos.

Ellerbek. Antibiotika im Putenschnitzel, Industriefette in Futtermitteln für Hühner, Döner aus Gammelfleisch, Bio-Eier, die aus Massentierhaltung stammen: Dies sind nur einige Beispiele aus der langen Liste der Lebensmittel-Skandale aus den vergangenen Jahren. Jüngster Aufreger ist Pferde-Geschnetzeltes, das als Rindfleisch getarnt, in Hackbällchen und Fertiggerichten wie Lasagne verarbeitet und verzehrt wurde.

Zutaten für Lasagne gibt es auch bei Christian Nagel, 56, zu kaufen. Doch der Inhaber der Ellerbeker Tofu-Manufaktur versichert, dass seine italienischen Gaumenfreuden garantiert fleischfrei sind. Ein Block Tofu Natur ist die Basis für das von Ehefrau Andrea, 50, komponierte Rezept.

Tofu ist die Bezeichnung für ein Produkt aus Sojabohnen, reinem Quellwasser und dem Gerinnungsmittel Nigarisalz, das zum Ausflocken des Eiweißes dient. Die einst von chinesischen Mönchen entdeckte Methode der Herstellung ist noch heute aktuell. In asiatischen Ländern gibt es Tofu nahezu an jeder Straßenecke. Doch auch in Deutschland und anderen europäischen Staaten ist die Eiweiß-Nahrung weiter auf dem Vormarsch.

Müsste angesichts der teilweise ekligen Überraschungs-Kreationen von schwarzen Schafen der Fleischindustrie Tofu nicht längst ein Selbstgänger sein? "Die Nachfrage steigt kontinuierlich, weil immer mehr Verbraucher eine Alternative zu den Produkten aus der Massentierhaltung suchen", sagt Christian Nagel. Einen regelrechten Boom habe es zu Zeiten der BSE-Krise gegeben. "Damals wurden uns fast die Türen eingerannt." Als der Rinderwahn grassierte, berichteten auch Fernsehen und die überregionale Presse über die "Tofu-Fabrik" aus Ellerbek und machten die Alternative zu Nahrungsmitteln tierischer Herkunft einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Immer mehr Menschen stiegen auf fleischlose Ernährung um oder reduzierten den Fleischanteil in ihrem Speiseplan.

Schadenfreude oder Triumphgefühle angesichts dieser Entwicklung empfindet Nagel nicht, der neben seiner Ehefrau auch Sohn Johannes, 28, sowie drei weitere Mitarbeiter im Familienbetrieb beschäftigt, "Was man isst, das ist man", beschreibt Andrea Nagel den aus ihrer Sicht erfreulichen Bewusstseinswandel, der angesichts der Nahrungsmittelskandale bei vielen Menschen eingesetzt habe. Christian Nagel rechnet vor, dass für die Produktion von einem Kilogramm Tofu etwa 900 Liter Wasser verbraucht werden. Für ein Kilo Rindfleisch würden dagegen 22.000 Liter Wasser benötigt. Missionarische Ansätze verfolgen die Nagels dennoch nicht. Sie akzeptieren auch andere Ernährungsweisen.

Dass Tofu längst kein Nischenprodukt für versponnene Müsli-Esser mehr ist, zeigen die Angebotsvielfalt und die Vertriebswege. Etwa 50 Tofu-Erzeugnisse gehören mittlerweile zum Sortiment, das von dem reinen Naturprodukt ausgehend in diversen Geschmacksrichtungen und Verarbeitungsformen von Ellerbek aus vertrieben wird. Wer wenigstens der Form nach noch an Fleisch erinnert werden möchte, wird mit Tofu-Würstchen von Wienern bis zum Bratknacker bedient. Variationen mit Räucherzutaten und Weizen sorgen für Abwechslung. Es gibt Mischprodukte, die mit Gemüse ergänzt werden, aber auch gebackenen Tofu mit Haselnussgeschmack. Für Fast-Food-Fans stehen sogar Burger-Bratlinge in mehreren Mischungen zur Verfügung. Tofu kann man kalt essen, braten, kochen oder grillen.

Jüngstes Produkt, auf das die Nagels besonders stolz sind, ist Tofu-Käse, der unter der Bezeichnung VegiBelle in drei Geschmacksrichtungen angeboten wird. Diesen Weichkäse, der ohne Kuhmilchsäure aus Sojamilch hergestellt wird, hat Nagel sogar zum Patent angemeldet. Neben Tofu-Erzeugnissen gehören auch Produkte aus Weizeneiweiß zum Angebot.

Angefangen mit der Manufaktur haben Christian Nagel und seine Frau 1984 in Hamburg. Vorher hatte sich der gelernte Fernmeldeelektroniker schon privat mit makrobiotischer Ernährung und Tofu beschäftigt. Seit 1999 dient ihnen nun ein umgebauter Kuhstall eines früheren Bauernhofs am Burstah 28 in Ellerbek als Büro und Vertriebszentrum. Von dort aus wird das Sortiment auf den Weg gebracht.

Die Herstellung ist inzwischen in Kooperation mit einer Sojafarm nach Trechtingshausen am Rhein verlagert worden. Dort gibt es sogar Wasser aus einer eigenen Quelle, sodass die Ware nach den Originalrezepten der Nagels produziert werden kann.

Vertrieben werden die Produkte von Ellerbek aus in ganz Norddeutschland. Hinzu kommen Lieferungen in skandinavische Länder. Den neuen Käse gibt es sogar bundesweit. Als ein Zentrum für den Tofuverkauf hat sich die Veganer- und Vegetarierhochburg Berlin entwickelt. Beliefert werden von Ellerbek aus Einzelhändler wie Naturkostläden, der Großhandel, aber auch Gastronomiebetriebe.

Als die Nagels 1984 anfingen, betrug der Umsatz im ersten Geschäftsmonat schlappe 17,98 Mark. Später wurden 40 Kilo Tofu pro Woche verkauft. Aktuell gehen wöchentlich fünf Tonnen Tofu an die Kundschaft, der Jahresumsatz beläuft sich auf 1,2 Millionen Euro. Auch in dieser Hinsicht scheint Tofu eine gute Ernährungsgrundlage zu sein.