Um gute Musik zu machen, reist Maifestival-Intendant um den halben Globus und lässt sich auch nicht von Feuer aufhalten.

Rellingen. Saiten, die mitten im Konzert reißen. Die falschen Noten auf dem Pult. Katastrophen wie diese lassen den Salzburger Geiger Luz Leskowitz, Gründer und Intendant des Rellinger Maifestivals, nach einem langen Bühnenleben kalt. Richtig erschrocken hat er sich nur einmal. "Im Theater Triest hat es während eines Konzerts plötzlich gebrannt", sagt er. Beim ersten Satz von Mozarts Klavierquartett habe es unerklärlich nach Rauch gerochen. "Ich dachte mir aber nichts dabei." Und spielte weiter. Bis zum dritten Satz. "Da knallte es hinter der Bühne, Rauch quoll auf die Bühne." Ein Kabelbrand hatte einen antiquierten Sicherungskasten explodieren lassen. Das Publikum flüchtete, die Musiker brachten ihre kostbaren Instrumente in Sicherheit. Nur der Bühnenarbeiter blieb gelassen, löschte die Flammen mit Hilfe dreier Feuerlöscher und lüftete gründlich durch. "Dann spielten wir das Konzert einfach zu Ende."

Deutlich frostiger als diese brenzlige Episode sind Luz Leskowitz' früheste Erinnerungen an Rellingen. "Es lag viel Schnee im Februar 1985, und wir haben in der damals unbeheizten Kirche entsetzlich gefroren", sagt er mit seinem weichen österreichischen Akzent. Anders als das Publikum, konnten der international renommierte Musiker und seine Mitstreiter sich beim Konzert nicht in warme Wintermäntel verpacken. Den widrigen Umständen zum Trotz wurde diese erste künstlerische Begegnung ein Publikumserfolg, die Initialzündung für ein kleines, aber höchst anspruchsvolles Festival. Mai für Mai lockten die Veranstalter um Leskowitz und den Verein für Musik an der Rellinger Kirche (MRK) klingende Namen der internationalen Klassikszene in das barocke Kirchenschiff an der Hauptstraße. Trompeter Hakan Hardenberger, Cellist David Geringas, Pianist Jörg Demus, Geiger Igor Oistrach und Oboist Hansjörg Schellenberger gaben sich hier die Ehre.

Außer der familiären Festival-Atmosphäre ist es nicht zuletzt die Kirche selbst, die Leskowitz an Rellingen bis heute fasziniert: "Der Raum ist optisch und akustisch einmalig." Um die Sache mit den frostig-klammen Fingern elegant zu umschiffen, verlegten Leskowitz und MRK-Chef Günter Rasinski die neue Veranstaltung einfach in die warme Jahreszeit.

Festivals liegen dem Salzburger sowieso. Das Organisationstalent hat sie reihenweise ins Leben gerufen. Schon 1970 gründete der Menuhin-Schüler sein erstes eigenes Musikfestival, die Harzburger Kammermusiktage. Bei dieser Gelegenheit knüpfte er auch Kontakte zu Rasinski. Leskowitz initiierte Festivals in Dannenberg und im Schwarzwald, in Andernach, auf dem österreichischen Schloss Kammer und auf Schloss Berleburg. Er betreut seit 1991 die größte Kammermusikreihe der Welt, die Salzburger Schlosskonzerte mit mehr als 250 Veranstaltungen pro Jahr. "Wenn ich zu Hause in Salzburg bin, spiele ich jeden Tag", sagt Leskowitz. Allerdings weilt er dort nicht allzu häufig. Gerade ist er nach Tokio gejettet, zum zweiten Yamaha-Kammermusikwettbewerb Anfang März. Den hat er 2012 ebenfalls initiiert. "Ich mag Japan, ich schätze die Genauigkeit, die Perfektion und den gegenseitigen Respekt."

Das klassikbegeisterte Japan sei ein Land der Pianisten, Klavierwettbewerbe gebe es reichlich. "Aber nur einen einzigen Kammermusikwettbewerb in Osaka." Zu wenig, fand der Salzburger. Er holte Yamaha ins Boot - und die beiden Siegerinnen des Vorjahrs, Sachi Takeda und Madoka Nakadai, zum Maifestival 2013 exklusiv nach Rellingen. Aus Moskau kommt der junge Geiger Aylen Pritchin, 2010 Sieger des David-Oistrach-Wettbewerbs, bei dem Leskowitz als Juror fungierte.

Überhaupt ist der Salzburger, der eine Stradivari von 1707 spielt, die einst seinem Lehrer, dem tschechischen Geigenpapst Vasa Pøihoda gehörte, viel in Russland unterwegs. Zu Konzerten, Meisterklassen am Moskauer Konservatorium, seinem Festival in Yuzhnouralsk, den Vorbereitungen zu einem für 2014 geplanten Mozartfestival in Archangelsk. Er spielt im sibirischen Omsk und in Vladikavkas am Kaukasus.

Ein Festival aus dem Boden zu stampfen, sei eigentlich ganz einfach, sagt Leskowitz. "Das Wichtigste ist ein ansprechendes Programm. Und da sitze ich bei der Gestaltung zwischen drei Stühlen: meinen musikalischen Ideen, dem Budget und dem Publikum." Letzteres habe für ihn oberste Priorität. "Für wen spielen wir denn? Wohl doch fürs Publikum und nicht zu unserer eigenen Befriedigung", fasst er sein Credo zusammen. Allzu modern kommen seine Programme deshalb nicht daher. Klassik und Romantik dominieren. "Musik muss Melodie haben. Für Experimente bin ich nicht." Mit dem umgedrehten Geigenbogen gegen den Korpus zu klopfen, ist nicht seine Sache. Und wenn schon neue Musik, dann bevorzugt er Kompositionen von Arvo Pärt oder Nino Rota.

Als Salzburger kennt er seinen Mozart natürlich in- und auswendig. Und hat ihn noch lange nicht satt: "Wir haben Freude daran, es ist so vielfältig, und selbst die Kleine Nachtmusik klingt jedes Mal anders."

Entscheidend für ein gelungenes Konzert sei es ohnehin, gute Musik zu machen. Wie geht das konkret? "Der Funke muss zum Publikum überspringen. Ein Konzert darf keine technische Vorführung werden, die Musik muss die Menschen berühren." Viele junge Musiker spielen ihm zu laut und zu schnell. "Wie programmiert." Natürlich müsse man die Technik beherrschen. "Aber sie ist nur ein Werkzeug, um wirklich Musik zu machen."

Ob dabei 2000 Zuhörer im Saal sitzen oder 28, sei nicht von Bedeutung. "Die Motivation ist die gleiche, das hat auch mit Respekt zu tun."