Der Kulturverein Pinneberg holt für “Lied und Bild“-Konzert erstmals auch Fotoprojektionen von Kunst in den Ratssaal.

Pinneberg. Es gibt Sommer- und Winter-Wasser-Typen. Die einen wollen nackte Füße im Watt vergraben, am Willkomm Höft auf einer Bank die Sonne im Gesicht spüren, im Tretboot auf dem Rantzauer See dümpeln, Zeitung lesen im Strandkorb am Ostseestrand. Die Winterliebhaber sind kämpferischer. Fast ein bisschen trotzig ziehen sie sich drei Lagen Pullover an, gehen an Strände und Ufer und spüren, wie die Kälte ihre Wangen brennen lässt.

Zu welchem Menschenschlag die Dichter Heinrich Heine und Klaus Groth gehört haben, ist schwer zu rekonstruieren. Beide haben den Norden unwirtlich und rauh kennen gelernt, aber auch sommerlich heiter. Groth, weil er vor knapp 200 Jahren in Heide geboren wurde und auch viele Jahre in Kiel lebte und wirkte, Heine bei seinen Reisen nach Cuxhaven, auf Norderney und Wangerooge. Die Eindrücke aus diesen Aufenthalten inspirierten ihn zu seinen Nordsee-Zyklen. Groths und Heines Lyrik lassen allerdings vermuten, dass Planschereien bei Badewannentemperatur sie kaum interessierten. In ihren Texten steigt und schwillt das Wasser, wie in Heines "Lied ans Meer", bei Groth gleicht die Suche nach der verlorenen Kindheit einem Verlaufen am "öden Strand".

Menschen aus Pinneberg und Umgebung Ende Februar ans Wasser zu locken, dürfte kein Problem sein für Cord Garben, Programmchef des Pinneberger Kulturvereins. Seine Fans wissen, dass sie der renommierte Liedbegleiter, Komponist und Produzent am 22. Februar um 20 Uhr nur im übertragenen Sinn bei sieben Beaufort an der See ablädt. Frischen Wind bringt Garben mit der Mischung aus Klassik, Lyrik und Kunst in den Pinneberger Ratssaal.

Unter dem Titel "Das Meer - Lied und Bild" gibt es Duette von Franz Schubert und Johannes Brahms nach Texten von Heine und Groth zu hören, dazu eine Bildprojektion mit Werken der Oldenburger Künstlerin Heike Ellermann. "Ein Konzertabend, an dem Klassik und bildende Kunst auf diese Art gemeinsam präsentiert werden, ist für den Kulturverein eine Premiere", sagt Garben.

Für dieses Projekt die beiden Sängerinnen Miriam Scharoni (Sopran) und Jale Papila (Alt) zu gewinnen, war Garben so wichtig, dass er sich bei der Terminfindung nach dem Zeitplan der Solistinnen richtete. "Ich habe schon viele Konzerte mit den beiden gegeben - sie frage ich immer als erstes", erzählt er. Mit der warmen, runden Stimme von Altistin Jale Papila und mit Miriam Scharoni, deren Sopran kraftvoll und rein statt kieksig klinge, habe er für den Liederabend eine stilistisch zu hundert Prozent passende Besetzung, schwärmt er. Gesang wie das Meer selbst, sozusagen: mal unaufgeregt und klar, mal machtvoll und bewegt. Garben, als Präsident der Brahms-Gesellschaft und Autor eines Lehrwerks zur Liedbegleitung von Schuberts Liederzyklen ausgewiesener Kenner beider Komponisten, wird die beiden am Klavier begleiten.

Das Programm dürfte Winter- wie Sommermenschen ansprechen. Denn musikalische Stimmungen spiegelt es so vielfältig wie die See den Himmel im Jahreslauf. Etwa bei Schubert, der die Heine-Gedichte in sein letztes großes Werk, den Liederzyklus "Schwanengesang", aufnahm. In nebelgrauer Moll-Melancholie steigt die Flut vor den Augen der unglücklich Liebenden in Schuberts elegischem "Am Meer". Munter wie das Grinsen einer drallen Deern dagegen das "Fischermädchen" in seinem Sechs-Achtel-Takt. Melodiös und eingängig klingen die Brahms-Lieder, in denen er eine Auswahl der wenigen hochdeutschen Gedichte seines Freundes Klaus Groth vertonte. Man glaubt, die Verbundenheit von Dichter und Komponist herauszuhören, etwa im zarten "Wie Melodien".

Dass der Kulturverein mit seinem Liederabend zu neuen Ufern aufbricht, ist auch Verdienst von Heike Ellermann. Die Künstlerin hat sich mit freier Malerei sowie als Autorin und Illustratorin von Kinderbüchern einen Namen gemacht. Mit Projektionen ihrer Kunstwerke wird der Ratssaal im zweiten Teil des Konzerts nicht nur akustisch, sondern auch optisch mit Impressionen von der Küste erfüllt. Ihre luftigen, durchscheinenden Collagen spielen mit Symbolen: Möwen schlagen mit den Schwingen, Wolkenberge türmen sich, Regentropfen perlen an Grashalmen, darüber liegen wie Fischernetze Schriftzüge, die an handschriftliche Noten- und Gedichtzeilen erinnern. "Meine Kunst ist frei, aber nicht ganz abstrakt", erläutert Heike Ellermann.

Für das Pinneberger Konzert schuf sie transparente, mehrschichtige Werke passend zu jedem einzelnen Lied. Ein aufwendiges Unterfangen, das außer Kreativität auch akribische Recherche verlangte. So begutachtete sie im Stadtarchiv Heide Originalschriften von Klaus Groth, las biografische Daten der Dichter und fühlte sich in die Denkrichtung der Romantik ein. Erst danach ging sie ans Werk. "Meist waren es dann Schlüsselwörter, die mich inspiriert haben." Die Oldenburgerin würde sich selbst eher in die Kategorie Winter-Wasser-Typ einordnen: "Ich schätze das Rauhe an der Nordsee, etwa auf den Halligen." Beste Voraussetzungen, um im Februar ans Meer zu denken.

Karten für den Liederabend gibt es für 15 Euro beim "bücherwurm", Dingstätte 24 in Pinneberg, sowie an der Abendkasse.