Amtsgericht spricht Uetersener vom Vorwurf der Gefangenenbefreiung frei. Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt.

Uetersen/Elmshorn. Es ist ein Fall, der bundesweit Schlagzeilen machte. Anfang September 2011 entdeckten zwei Streifenpolizisten im Gewühl des Uetersener Weinfestes einen mit Haftbefehl gesuchten Straftäter. Beim Versuch, Danilo R. Handschellen anzulegen, gingen 10 bis 15 Freunde des Mannes auf die Beamten los und verhalfen diesem dadurch zur Flucht.

Danilo R., der zu diesem Zeitpunkt drogenabhängig war und seine Sucht mit Raubüberfällen finanzierte, wurde kurze Zeit später, diesmal mit Erfolg, festgenommen und sitzt derzeit in der Haftanstalt Schleswig. Mit Silvano K. nahm gestern sein Onkel auf der Anklagebank des Elmshorner Amtsgerichts Platz. Die Staatsanwaltschaft warf dem 49-Jährigen Gefangenenbefreiung vor. Er soll laut Anklage an dem Angriff auf die Beamten beteiligt gewesen sein.

Ein Vorwurf, der mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft wird - und der vom Angeklagten vehement bestritten wurde. "So lieb habe ich meinen Neffen nicht, dass ich das gemacht habe." Silvano K. gab an, seinen Neffen ("Wahrscheinlich stand er unter Drogen, er hat mich menschlich tief enttäuscht") zwar auf dem Weinfest gesehen zu haben. Auch ein Gerangel will der Angeklagte bemerkt haben. Mehr jedoch nicht. "Ich habe mich auch hinterher nicht gerühmt, meinen Neffen befreit zu haben. Da ist nichts dran."

Um die Geschehnisse vom Abend des 2. September aufzuklären, lud Richterin Renate Päschke-Jensen 15 Zeugen vor. Darunter auch die beiden betroffene Polizisten. Polizeiobermeister Peter A., 34, schilderte, wie Danilo R. zunächst flüchten wollte, dann jedoch von den Beamten überwältigt, bäuchlings zu Boden gebracht und fixiert wurde.

"Plötzlich warf sich von hinten ein Mann auf den Rücken von Herrn R. und schlug mit den Ellenbogen nach links und rechts aus. Ich spürte dann vier Hände an meinem Arm, jemand anderes zog an meinem Bein." Auch sein Kollege Ulrich P., 55, sprach davon, plötzlich von hinten von dem Festgenommenen weggerissen worden zu sein. "Der Druck war so stark, dass ich loslassen musste." Er sei von Natur aus ein ruhiger Mensch, so Ulrich P. "Ich hätte auch schießen oder Pfefferspray einsetzen können, aber das machte keinen Sinn. Wir haben nach der Flucht von Herrn R. den geordneten Rückzug angetreten." Beide Beamten gaben an, keinen der Angreifer erkannt zu haben.

Es folgten umfangreiche polizeiliche Ermittlungen. Die Beamten sammelten diverse Namen von Heranwachsenden, die am Tatort waren. An der Gefangenenbefreiung beteiligt gewesen sein wollte jedoch keiner. Das zeigte sich auch vor Gericht. Ein Zeuge nach dem anderen marschierte herein - und alle gaben sich ahnungslos oder verwiesen auf Erinnerungslücken. "Uetersen mauert", kommentierte Oberamtsanwalt Schröder als Vertreter der Staatsanwaltschaft das Verhalten der Zeugen. Verteidiger Torben Schneider vermutete, es könne "am Weinfest und dem genossenen Alkohol" liegen.

Etwas Licht ins Dunkel brachte schließlich Lara-Sophie G., 16. Sie ging mit der Tochter des Angeklagten in eine Klasse - und will diesen mitten im Getümmel erkannt haben. "Ich habe dort das weiße Käppi gesehen, das Herr K. schon öfters vorher getragen hatte." Auch Janet G. bestätigte, dass Silvano K. zur Tatzeit eine solche Kopfbedeckung trug. Die 27-Jährige, die eigentlich nur ihre Nichte zum Gericht chauffierte, wurde von Richterin Päschke-Jensen kurzfristig in den Zeugenstand beordert und wusste Erstaunliches zu berichten. Demnach war sie zum Zeitpunkt des Vorfalls mit Danilo R. liiert und stand neben ihm und seinem Onkel Silvano K., als die Polizisten anrückten.

"Plötzlich gingen 10 bis 15 Jugendliche auf die Polizisten los, das war wie ein Wollknäuel, ich wurde immer weiter zurückgedrängt." Der Angeklagte sei am Rande des Getümmels dabei gewesen, habe jedoch keinen aktiven Tatbeitrag geleistet.

Diese Aussage bewog letztlich Staatsanwaltschaft und Verteidigung, einen Freispruch zu beantragen. Richterin Päschke-Jensen schloss sich dem an. "Einen aktiven Tatbeitrag des Angeklagten kann ich nicht erkennen." Möglicherweise kommt es bald zu einem weiteren Prozess in der Sache. "Überraschungszeugin" Janet K. konnte einen der Angreifer identifizieren.