Der Sänger der Hamburger Band Selig gastiert mit seiner Hommage an den Frontmann von Ton Steine Scherben im Stadttheater Elmshorn.

Elmshorn. Wenn man Jan Plewka, Sänger der Hamburger Band Selig, nach seinem Idol fragt, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: Rio Reiser. Seit sieben Jahren singt Plewka immer wieder die Lieder des 1996 verstorbenen Ton-Steine-Scherben-Sängers. Unterstützt von seiner Band Die Schwarz-Rote Heilsarmee präsentiert er sie am 26. Januar im Stadttheater Elmshorn. Vorab sprach der 42-Jährige im Interview darüber, was Reiser so besonders macht und wie er ihn einmal fast getroffen hätte.

Hamburger Abendblatt:

Herr Plewka, können Sie sich noch an den Tag erinnern, als Sie das erste Mal ein Lied von Rio Reiser gehört haben?

Jan Plewka:

Ja, da war ich um die 14. Ein Schulkollege hat mir damals Ton Steine Scherben vorgespielt und ich dachte nur: Wow. Ich habe mich sofort in Rios Musik verliebt und seine Lieder von da an immer am Lagerfeuer gesungen.

Das heißt, dass Rio Reiser Sie durch Ihre Jugend begleitet hat?

Plewka:

Ich würde nicht so singen, wie ich singe, wenn es Rio nicht gegeben hätte. Ich habe immer versucht, ihn zu kopieren, damals am Lagerfeuer. Ich fand es so super, dass er von Sachen wie Sonne und Liebe singen konnte, ohne dass es schmalzig oder doof klang.

Was macht Rio Reiser so besonders, dass er heute noch relevant ist?

Plewka:

Seine ganze Art. Seine Person, sein Charisma und seine Aura. Und vor allem auch diese Verbindung zwischen Politik und Romantik in seinen Texten, was seitdem nie wieder aufgetaucht ist. Seine fast naiven Utopien, der Wunsch, das Paradies zu finden, diese Sehnsucht und Suche nach dem Ausweg. Ach, überhaupt seine ganzes Leben, wie er über Berlin nach Fresenhagen gekommen ist. Er ist einer der spannendsten Charaktere und für die deutsche Rockmusik total wichtig gewesen.

Haben Sie ihn mal getroffen?

Plewka:

Ich hatte mal die Chance, als ich mit dem Hamburger Musiker Peter Holler im Schmidts Tivoli bei Rios Konzert war. Peter kannte ihn und meinte: Komm, wir gehen jetzt hallo sagen, ich nehme dich mit. Mir war echt flaumig. Wir sind dann runter und Rio saß da auf einem Tisch, hat so mit den Beinen gebaumelt und guckte, als würde er auf jemanden warten. Ich meinte dann zu Holler: Geh alleine hin, ich kann nicht. Und bin weggelaufen. Das war zu viel Erfurcht oder was auch immer.

Was haben Sie gemacht, als Sie gehört haben, dass Rio Reiser gestorben ist?

Plewka:

Holler war dabei, als Rio gestorben ist, und kam danach direkt zu mir gefahren. Holler war kreideweiß wie eine Wand. Er hat immer nur "Rio, Rio, Jan, Rio" gestammelt und ist dann auch irgendwie direkt wieder abgehauen. Am nächsten Tag habe ich es dann im Radio gehört. Furchtbar. Er ist einfach viel zu früh gestorben.

Seit 2005 singen Sie die Lieder von Reiser selbst und sind erfolgreich in Deutschland unterwegs. Wie ist das Programm entstanden?

Plewka:

Tom Stromberg, damals Intendant beim Hamburger Schauspielhaus, ist ein glühender Verehrer von Rio Reiser und Ton Steine Scherben. Er wollte so einen Abend immer mal machen. Damals stand ich im Schauspielhaus gerade mit René Pollesch auf der Bühne. Also hat Tom mich gefragt. Ich meinte erst: Das mache ich nicht, das ist wie Gott spielen, das geht nicht. Aber dann hat meine Frau Anna mich überredet. Sie meinte, wer solle das sonst machen, wenn nicht ich.

Hat Rio Reisers Familie das Programm mal gesehen?

Plewka:

Ja, seine Familie und die Scherben waren alle auf der Premiere. Ich war total aufgeregt und dachte, wenn denen das nicht gefällt, ziehe ich die zehn Aufführungen durch und dann verkrieche ich mich. Aber es hat ihnen gefallen. Mittlerweile sind wir sogar richtige Kumpels geworden. Marco, der Gitarrist meiner Band Die Schwarz-Rote Heilsarmee, steht jetzt mit Scherben-Gitarrist Lanrue auf der Bühne. Es ist also richtig was draus gewachsen. Lanrue sagte mal, es sei schön, dass ausgerechnet ich das mache und dass die Show so witzig ist. Nicht so heldenverehrend, sondern mit Augenzwinkern.

Wer kommt denn zu Ihren Shows, Fans von Jan Plewka und Selig, oder RioReiser-Fans?

Plewka:

Alle. Von ganz jungen Leuten, die seine Texte einfach toll finden, bis zu Alt-68ern, wo dann die Fäuste geschwungen werden. Das ist echt eine bunte Mischung.

Haben Sie das Programm in all den Jahren verändert?

Plewka:

Nein, es hat sich nichts verändert, das ist das Schöne. Es ist die einzige Konstante in meinem Leben (lacht). Und das ist auch gut so.

Anfang Februar veröffentlicht Ihre Band Selig ein neues Album. Trotzdem machen Sie mit dem Reiser-Programm immer weiter. Warum eigentlich?

Plewka:

Weil das einfach toll ist. Warum soll man etwas aufgeben, was so viel Freude bringt? Einem selbst und den Leuten. Ein Freund meinte auch mal zu mir: Rio achtet auf die Seinen. Der sitzt also irgendwo auf einer Wolke und sagt: Plewka, mach das weiterhin gut. Ich mache das Programm bis zur Unendlichkeit und noch weiter.

Haben Sie mittlerweile das Gefühl, als würden Sie Rio Reiser kennen?

Plewka:

Nein. Ich übernehme die Argumente von seinen Liedern und Melodien, aber ich bin immer Jan Plewka. Ich versuche nicht, Rio Reiser zu spielen, Gott bewahre. Das wäre fürchterlich. Aber wenn man seine Texte so singt, glaubt man schon manchmal den Rio-Geist zu spüren. Ich weiß noch, einmal haben wir in Köln in einer Kirche gespielt. Während ich "Halt dich an deiner Liebe fest" gesungen habe, bin ich von hinten durchs Publikum auf die Bühne geschritten, wo der Altar steht. Da dachte ich für einen kleinen Moment: Guck mal, Rio, jetzt heiraten wir.

Jan Plewka singt Rio Reiser im Stadttheater Elmshorn, Klostersande 30, Sonnabend, 26. Januar, 20 Uhr, Eintrittskarten sind für 28,69 Euro unter der Rufnummer 04121/611 89 erhältlich.