Die Standard-Schulstunde ist auf dem Rückzug. Statt 45 Minuten wird nun verstärkt in Einheiten von 60 oder 90 Minuten unterrichtet.

Pinneberg. Wer am Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Gymnasium in Barmstedt wartet, dass es am Ende der Schulstunde pünktlich zur Pause klingelt, kann lange warten. Und wer denkt, dass hier eine klassische Schulstunde 45 Minute lang ist, erlebt die nächste Überraschung. Nach einer Testphase hat sich in diesem Schuljahr an der Barmstedter Schule endgültig die 90-Minuten-Stunde durchgesetzt.

Die Mehrheit der Schüler, Lehrer und Eltern sieht mehr Vor- als Nachteile in dem Modell. In den längeren Schulstunden bleibe mehr Zeit für Projekt- und Gruppenarbeit. "In einer Doppelstunde Mathematik kann man ein Teilgebiet viel besser behandeln und Fragen klären", sagt Simon Mohr, der derzeit die 13. Klasse besucht. "Auch in anderen Fächern, in denen diskutiert wird, lohnen sich die längeren Stunden eher", sagt Benedict Gebers.

Jule Marie Dittmer nennt einen handfesten Vorteil der neuen Regelung. "Die Schultasche ist leichter, weil nur noch drei Fächer pro Tag im Stundenplan stehen." In einer Umfrage an der Schule, bestätigen 85 Prozent der Lehrer und 72 Prozent der Schüler, dass sich die Lernatmosphäre verbessert habe. Ein Nachteil des neuen Modells sei jedoch, dass es dadurch schwieriger werde, versäumten Unterrichtsstoff nachzuholen, sagt Hans-Wilhelm Bohnhof, der Geschichte, Wirtschaft und Politik unterrichtet.

Bis 1998 galt in den Schulen in Schleswig-Holstein die 45 Minuten lange Schulstunde als Standard. Seitdem entscheiden immer mehr Schulen selbst darüber, wie lang die optimale Unterrichtsstunde ist. Den Handlungsspielraum dafür liefert eine Passage in einem Erlass des schleswig-holsteinischen Kultusministeriums, in dem es heißt, die Dauer einer Schulstunde könne verkürzt oder verlängert werden, wenn es dafür "pädagogische, didaktisch-methodische oder organisatorische Gründe" gebe. "Im Zuge der Reform der Gemeinschaftsschule sind viele Schulen auch dieses Thema angegangen. Die Entscheidung für Doppelstunden ist in vielen Fächern sinnvoll", sagt Stefan Hirt, Landeselternbeirat für Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein. In dem Trend spiegele sich auch eine veränderte Unterrichtskonzeption wider. Das sieht auch Pinnebergs Schulrat Michael Doppke so. Zwar wird an der Mehrheit der 75 Schulen im Kreis Pinneberg noch im 45-Minuten-Takt unterrichtet, immer mehr Schulen erarbeiten inzwischen aber ein eigenes Stundenkonzept. "Es gibt da unterschiedliche Modelle. Die Schulkonferenz entscheidet über die Zeitstruktur", sagt Doppke. Der Schulrat hat beobachtet, dass Grundschulen experimentierfreudiger sind. "Unantastbar" sei jedoch die Unterrichtslänge von vier Zeitstunden für Schulanfänger und Zweitklässler sowie fünf Zeitstunden für Dritt- und Viertklässler an Grundschulen.

In der Grundschule Hörnerkirchen gilt seit eineinhalb Jahren die 60-Minuten-Stunde. "Wir waren mit den 45 Minuten einfach nicht mehr zufrieden", sagt Schulleiterin Ursula Harms. Ein Erfahrungsaustausch mit anderen Schulen, brachte die Grundschulleiterin auf die Idee, die neue Stundenplanung auszuprobieren. "Die Kinder können jetzt intensiver arbeiten, die Vormittage verlaufen ruhiger. Wir sind sehr glücklich damit", sagt Ursula Harms.

In der Grund- und Gemeinschaftsschule in Halstenbek klingelt es für 755 Schüler immer pünktlich nach 45 Minuten zur Pause. Überlegungen, an dem Konzept etwas zu verändern, gab es zwar, aber das Kollegium entschied sich dafür, die klassische Schulstunde beizubehalten, sagt Jochen Westphal, stellvertretender Schulleiter. "Aus pädagogischer Sicht ist es gut, Kurzfächer mehrfach die Woche zu unterrichten. Der Lerneffekt ist wahrscheinlich höher", sagt Westphal.

Auch in der Pinneberger Johannes-Brahms-Schule wird derzeit die 45-Minuten-Stunde diskutiert. Für die Anforderungen, die moderner Unterricht heute an Schüler und Lehrer stelle, sei eine Dreiviertelstunde schlicht zu kurz, sagt Schulleiterin Ortrud Bruhn. Eigenständig arbeiten und Erlerntes zu vertiefen, brauche Zeit. Deshalb sei es für die Schüler ab Klasse fünf sinnvoll, sich länger und intensiver mit dem Unterrichtsstoff eines Faches auseinanderzusetzen. Auch Lehrern eröffne die 90-Minuten-Lerneinheit neue didaktische Möglichkeiten. Zudem bringe die Konzentration auf drei statt sechs Fächer am Tag Ruhe in den Schulalltag. "Wir beraten uns zurzeit intensiv und wollen auf der Schulkonferenz im März zu einem Votum kommen", sagt Ortrud Bruhn. Die Schulleiterin geht davon aus, dass an der Brahms-Schule die 45-Minuten-Stunde ab dem kommenden Schuljahr Vergangenheit ist.