Drittes Konzert in der Pinneberger Friedhofskapelle. Die Veranstalter sehen den Auftakt zur Event-Reihe als gelungen an.
Pinneberg. Lachen ist in Friedhofskapellen zwar nicht verboten, doch im Regelfall sitzen die Menschen mit kummervollen oder ausdruckslosen Gesichtern auf den Bänken und blicken auf Sarg oder Urne, an die Decke oder ins Leere. Wenn am Ort der Trauer Musik erklingt, neigen die Zuhörer in den seltensten Fällen zu Heiterkeit. Falls doch, heißt das nicht, dass es den Anwesenden an Taktgefühl mangelt. Im Gegenteil. In der Kapelle des Pinneberger Friedhofs kicherten einige Besucher am Sonntagabend hörbar, als der Kontrabassist und Musikschullehrer Alexander Suslin und sein Duopartner Waldemar Gudi am Bajan das "Allegro spirituoso" von Paganinis Sonatina Nr 1 in C-Dur unerhört modern beendeten.
Konzerte in der Friedhofskapelle? Und ausgerechnet am Abend des Volkstrauertages? Wohl annähernd 80 Zuhörer beantworteten diese Fragen mittels ihres Besuches in der Trauerhalle am Hogenkamp mit einem klaren Ja. "Es war fantastisch, äußerst gelungen. Wohl jeder Dritte hat sich am Schluss bei uns für das Konzert bedankt. Das habe ich so noch nie erlebt", sagt Winfried Richter. Der Leiter der Pinneberger Musikschule hatte vor einem Dreivierteljahr zusammen mit den Chefs des Kommunalen Servicebetriebs Pinneberg (KSP) den Plan vorgestellt, die Friedhofskapelle regelmäßig in einen Konzertsaal zu verwandeln. Zum dritten Mal wurde dieser Plan jetzt in die Tat umgesetzt. Nach der Erfahrung dieser Veranstaltungen, die es in dieser Form wohl nur in Pinneberg gibt, spricht Richter von einem idealen Konzertort. Dem aber in der Öffentlichkeit noch der Nimbus anhafte, dass dort nur traurige Musik zu erklingen habe.
Insofern dürfte vor allem die humorvolle Paganini-Interpretation von Suslin und Gudi Zuhörer Winfried Richter gefallen haben. "Der Friedhof ist schließlich ein lebendiger Teil unserer Stadt, auch wenn es paradox klingt", sagt Richter. Passend zu diesem bejahendem Ansinnen gab es sogar am Volkstrauertag immer wieder Heiteres wie Haydns Sonate Nr. 14 in D-Dur. Aber die Zuhörer genossen es genauso, wenn Gudi das Bajan melancholisch schluchzen und Suslin den Kontrabass murmeln und klagen ließ, wie beim getragenen "Adagio" von Johann Christian Bach. "Jede Musik ist sehr lebendig, wenn sie gut gespielt ist", sagt Suslin.
Die Gedächtnisstätte bot am Abend des Volkstrauertages ein Bild der Wärme und Vitalität. Kerzen flackerten in Windlichtern auf grünem Samt. Weil Architekt Klaus Groth 1947 in seinem Entwurf für die Kapelle offenbar schon auf gute Akustik bedacht gewesen war, blieb dem Publikum viel Raum für Hörgenuss und wenig für Trübsal. Für Suslin und Gudi war es ein Auftritt wie in jeder anderen Konzerthalle auch. Bedrückend jedenfalls sei das Spiel in der Trauerhalle für die beiden nicht gewesen. "Wir glauben an das ewige Leben", sagte Gudi. "Deshalb kann uns das nicht abschrecken."
Nicht für die Ewigkeit, wohl aber für das kommende Jahr plant Musikschul-Leiter Winfried Richter. Für 2013 seien sechs Konzerte angedacht. "Es gab zu Anfang auch kritische Stimmen, aber die waren alle moderat", sagt der Hauptorganisator. In Planung sei sogar ein Konzert mit jugendlichen Musikschülern. "Da müssen wir besonders behutsam sein", so Richter. Bislang jedoch habe fast jeder, der die Konzerte an diesem besonderen Ort besucht habe, gesagt, dass ihm gar keine Friedhofsatmosphäre aufgefallen sei. Alle Musiker seien begeistert vom Klang in der reetgedeckten Trauerhalle.
Jan Gawryluk, Werkleiter des KSP, zu dessen Zuständigkeitsbereich der annähernd 70 Jahre alte, parkähnliche Friedhof der Kreisstadt gehört, sieht in der Konzertreihe einen Werbeeffekt für Pinneberg. "Von der Tendenz her können wir sagen, dass das Projekt gut angenommen wird", sagt Gawryluk, der das Konzept zusammen mit Richter und seinem musikbegeisterten Stellvertreter Thorsten Backhaus entwickelt hat. Die Pinneberger Friedhofskonzerte seien bundesweit im Verband der Friedhofsverwaltungen Deutschlands auf reges Interesse gestoßen. Gawryluk ist Bundesvorsitzender dieser Vereinigung. "Viele sprechen mich außerhalb Pinnebergs darauf an, finden das ganz toll."
Kritische Stimmen sind Gawryluk, der sich vor Beginn der Veranstaltungsreihe unter anderem mit den örtlichen Bestattern abgestimmt hatte, nur wenige bekannt geworden. "Angeblich gab es einmal eine Beschwerde. Bei mir persönlich ist keine negative Stimme angekommen."
Gawryluk ist im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Pinneberg, um auf dem Friedhof einen Abend mit jüdischer Musik und Informationen zu jüdischen Bestattungsriten auszurichten. Im Frühling geht es in der Trauerhalle um fröhliches Gezwitscher: Bei einem Infoabend des Nabu geben die heimischen Singvögel mit fröhlichem Gesang den Ton an.