Rhönradturner Simon Knapp errang zwei WM-Titel, doch der SV Rugenbergen aus Bönningstedt hat viele Facetten und Sportarten.

Lange ist noch nicht her, da gab es auf der Sportseite einer großen Hamburger Tageszeitung folgende Überschrift zu lesen: "Wildwest in Rugenbergen!" Ist ja komisch. Was heißt denn hier Wildwest? Seit wann greifen beim Fußball Cowboys und Indianer mit ins Spiel ein? Und überhaupt: Wo liegt eigentlich Rugenbergen? So mag sich mancher Sportinteressierte fragen. Kenner der Szene wissen selbstverständlich, was es mit dem SV Rugenbergen auf sich hat.

In dem besagten Zeitungsbericht, der sich mit einem hitzigen und von mehreren Platzverweisen begleiteten Fußballspiel in der höchsten Hamburger Amateurklasse beschäftigte, waren die Kicker des SV Rugenbergen beteiligt. Ihre Heimat ist Bönningstedt, die Gemeinde an der nördlichen Peripherie von Hamburg. Hier hat sich seit Jahrzehnten ein Sportverein etabliert, der viele Merkmale und Besonderheiten hat und nicht zuletzt wegen seiner günstigen geografischen Lage im Umland der Großstadt auf viele Menschen immer mehr Anziehungskraft ausübt.

Rugenbergen ist der Ortskern - so sollte der Sportverein heißen

"Wir sind zwar ein Dorfverein, keine Frage. Aber einer, der eine lange Tradition hat und sich für die Zukunft noch viele Ziele steckt", sagt Peter Böge, seit 2004 Vorsitzender des SVR, der 1925 gegründet und nach den Kriegsjahren 1948 wieder neu ins Leben gerufen wurde. Rugenbergen ist seit jeher der Kern von Bönningstedt, zu dem auch die Ortsteile Winzeldorf im Norden und der Ostteil Richtung Dorfstraße und A 7 gehören. Weil im Zentrum auch die Ende der 70er-Jahre geschlossene Rugenbergener Mühle stand, entschied sich die damalige Klubführung für den Vereinsnamen SV Rugenbergen.

Heute ist es Vereinschef Böge und dem zweiten Vorsitzenden Rolf Lammert (seit 40 Jahren im Klub) ein wichtiges Anliegen, den SVR unter modernen Gesichtspunkten in die Zukunft zu führen - und gleichzeitig einen Mitgliederrückgang zu verhindern. Sie werden unterstützt von zahlreichen ehrenamtlichen Helfern im Vorstand und im Hintergrund wirkenden Personen. 1250 Sportler gehen in zehn Sportarten ihrem Hobby nach. Rund die Hälfte sind Kinder und Jugendliche - Tendenz steigend. "Ohne die Jugend geht hier nichts, sie ist die Zukunft des Vereins", sagt Peter Böge. Rolf Lammert ergänzt: "Die Konzeption des Vereins ist danach ausgerichtet, Jungen und Mädchen zum Eintritt in den Sportverein zu bewegen. Dieses Vorhaben hat also auch eine soziale Komponente." Der Vorstand wolle dafür sorgen, dass die Jugendlichen weg von der Straße kommen und neue Perspektiven durch den Sport erhalten anstatt beispielsweise fast den ganzen Tag im Internet zu surfen.

Die jüngere Generation findet in Bönningstedt ideale Bedingungen vor. Die Fußballer können sich auf satten drei Rasenplätzen an der Ellerbeker Straße austoben. Das der Gemeinde gehörende Sportzentrum ist kürzlich unbenannt worden, trägt jetzt den Namen des ehemaligen, Ende Dezember 2009 verstorbenen Bürgermeisters Werner Bornholdt. Im Sportzentrum spielt unter anderem auch die Oberliga-Mannschaft, und das mit wachsendem Erfolg. Die Truppe von Trainer Peter Palapies rückt in Hamburgs besten Fußballkreisen nicht zuletzt dank der finanziellen Unterstützung des Hauptsponsors und langjährigen Vereinsmitglieds Wolfgang Borchert mehr und mehr in den Blickpunkt. Aber auch die Nachwuchskicker machen von sich reden. 14 Teams sind im Spielbetrieb am Ball. Aushängeschild ist die A-Jugend, die seit fünf Jahren in Hamburgs höchster Klasse spielt.

Bürgermeister Peter Liske hat ein Herz für die Jugend

Abgesehen von den emsigen Leichtathleten spielt sich der Sportbetrieb beim SV Rugenbergen zum großen Teil in der Halle ab. Diesbezüglich ist man in Bönningstedt gut aufgestellt. Vor zehn Jahren wurde die neue Sporthalle an der Kieler Straße fertiggestellt. Der Verein ist Bauherr und Eigentümer der Sportstätte, musste dabei zehn Prozent der Summe für einen Baukredit aufwenden. Die Gemeinde, die am 1. Januar aus dem Amt Pinnau austritt und von der Stadt Quickborn verwaltet wird, übernimmt die laufenden Kosten, etwa für Strom und Wasser), unterstützt generell auch finanziell die Nachwuchsförderung. Bürgermeister Peter Liske hat nämlich keine Zweifel. "Der Sportklub ist ganz wichtig für Bönningstedt."

Die neue Sporthalle - die SVR-Sportler können außerdem noch die Hallen der Grund- und der Gemeinschaftsschule nutzen - ist Mittelpunkt einer ungewöhnlich dynamischen Sportgemeinschaft. Seien es nun die etwa 200 flotten Power-Damen der Gymnastik- und Fitnessgruppe, die Basketballer, Badminton-Asse oder Tanzsportler, es ist so viel los, dass die Halle teilweise bis in die späten Abendstunden genutzt wird. Einzig bei den Tischtennisspielern stagniert der Betrieb momentan etwas, aber das muss auf Dauer nicht so bleiben.

Absolut herausragend ist, was die Rhönradturner in der Vergangenheit geleistet haben (siehe auch Kasten). Namen wie Simon Knapp, ehemaliger Junioren-Weltmeister, und sein Bruder Johannes waren in früheren Jahren ein Begriff auf höherer Ebene, vornehmlich Yana Looft ist es heute überregional. Die etwa 50 Rhönradturner betreiben einen Sport, wie er in Deutschland nur in wenigen Vereinen ausgeübt wird, in Hamburg noch beim SV Eidelstedt und bei der TSG Bergedorf.

"Rhönradturner fühlen sich nicht als Minderheit", sagt Trainerin Dagmar Henningsen. "Sie alle haben ihren Spaß im Rad, auch wenn sie schon Mitte 20 sind. Beim Turnen wäre in diesem Alter ja längst Schluss." Im Frühjahr war ein neugieriges Fernsehteam von NDR 3 vor Ort, um einen Videofilm zu drehen, der dann viel Resonanz fand.

Erstaunlich auch, was sich bei den Kampfsportlern tut. Die Karateabteilung wird von Carsten Kulick geführt, und der zeigt sich verblüfft von der Resonanz. Kulick nimmt als Trainer Gürtelprüfungen ab, zählt derzeit um die 90 regelmäßig trainierende Aktive. "Die jüngsten Kämpfer sind fünf Jahre, unser ältestes Mitglied bereits über 70", sagt er. Auf der Homepage des Vereins kann man alles Wissenswerte über das Karate-Dojo erfahren, wie gesagt, eine stark florierende Sparte.

Gibt es bei all diesen positiven Aspekten und Erfahrungen eigentlich auch Sorgen im Vereinsvorstand? "Die Ganztagsschulen sind ja in fallen Sportvereinen ein Problem, auch bei uns", sagt Vereinsboss Peter Böge. "Die Jugendlichen kommen nachmittags müde zum Training und sind nicht mehr voll belastbar." Zudem gebe es in einigen Abteilungen zu wenige Trainer und Betreuer. Alles in allem blicken sie in Bönningstedt aber schon jetzt erwartungsvoll dem 90-jährigen Bestehen des Vereins in drei Jahren entgegen. Es wird ein rauschendes Fest werden.

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